Wanderungen durch die Mark Brandenburg
ins Schloß zu übernehmen und uns seinem »Gevatter« vorzustellen.
Unterwegs warnt er uns in humoristischer Weise vor
den Bildererklärungen und Namensunterstellungen
des Alten. »Sehen Sie, meine Herren, er hat eine
Liste, auf der die Namen sämtlicher Portraits ver-
zeichnet stehen, aber er nimmt es nicht genau mit
der Verteilung dieser Namen. Einige Portraits sind fortgenommen und in die Berliner Galerien gebracht
worden, was unsern Gevatter aber wenig kümmert;
419
er stellt ihnen, nach wie vor, Personen vor, die sich
gar nicht mehr im Schlosse zu Rheinsberg befinden.
Prinzeß Amalie namentlich, die schon bei Lebzeiten
soviel Schweres tragen mußte, muß auch im Tode
noch allerlei Unbill über sich ergehen lassen, und
jedes Frauenportrait, das der Wissenschaft der
Kunstkenner und Antiquare bisher gespottet hat, ist
sicher, als ›Schwester Friedrichs des Großen‹ ge-
nannt zu werden. Sie werden sie in Hofkostüm, in
Phantasiekostüm und in Maskenkostüm kennenler-
nen; besonders mach ich Sie auf ein Kniestück auf-
merksam, wo sie in Federhut und schwarzem Muff
erscheint. Die Kehrseite des Bildes wäre Wohltat ge-
wesen.«
Unter solchem Geplauder haben wir die der Stadt zu
gelegene Rückseite des Schlosses erreicht, passieren den Schloßhof, steigen in ein bereitliegendes Boot
und fahren bis mitten auf den See hinauf. Nun erst
machen wir kehrt und haben ein Bild von nicht ge-
wöhnlicher Schönheit vor uns. Erst der glatte Was-
serspiegel, an seinem Ufer ein Kranz von Schilf und
Nymphäen, dahinter ansteigend ein frischer Garten-
rasen und endlich das Schloß selbst, die Fernsicht
schließend. Nach links hin dehnt sich der See; wohin
wir blicken, ein Reichtum von Wasser und Wald, die
Bäume nur manchmal gelichtet, um uns irgendein
Denkmal auf den stillen Grasplätzen des Parks oder
eine Marmorfigur oder einen »Tempel« zu zeigen.
Das Schloß war in alten Tagen ein gotischer Bau mit
Turm und Giebeldach. Erst zu Anfang des vorigen
Jahrhunderts trat ein Schloßbau in französischem
420
Geschmack an die Stelle der alten Gotik und nahm
dreißig Jahre später unter Knobelsdorffs Leitung im
wesentlichen die Formen an, die er noch jetzt zeigt.
Eine Beschreibung des Schlosses versuch ich nur in
allgemeinsten Zügen. Es besteht aus einem Mittel-
stück (corps de logis) und zwei durch eine Kolonnade
verbundenen Seitenflügeln. In Front der See. Mehr
eine Eigentümlichkeit als eine Schönheit bilden ein
paar abgestumpfte Rundtürme, die sich an die Giebel
der Seitenflügel anlehnen und deren einem es vor-
behalten war, zu besonderer Berühmtheit zu gelan-
gen.
Langsam nähern wir uns wieder dem Ufer, befestigen
den Kahn am Wassersteg und schreiten nun plau-
dernd unsren Weg zurück. Unter der Kolonnade ma-
chen wir halt und rekapitulieren die Geschichte des Orts. Es ist nötig, sie gegenwärtig zu haben.
Die Herrschaft Rheinsberg war ein altes Besitztum
der Bredows. Seit 1618 sind die Hauptdaten folgen-
de:
Jobst von Bredow verkauft Rheinsberg an Kuno von
Lochow, Domherrn zu Magdeburg. 1618.
Der Große Kurfürst nimmt, nach dem Erlöschen die-
ser Familie von Lochow, Rheinsberg in Besitz und
schenkt es dem General Duhamel. 1685.
General Duhamel verkauft es sofort an den Hofrat de
Beville.
421
Die Bevilles besitzen es, Vater und Sohn, bis 1734.
Vom Sohne, dem Oberstlieutenant Heinrich von Beville, kauft es König Friedrich Wilhelm I. und schenkt
es an den Kronprinzen Friedrich 1734.
Der Kronprinz (Friedrich der Große), obschon nur
bis 1740 dort, behält es als Eigentum bis 1744.
Im Jahre 1744 erhält es Prinz Heinrich von seinem
Bruder als Geschenk, übersiedelt aber erst 1753
nach Rheinsberg.1)
Prinz Heinrich von 1753 bis 1802 († 3. August).
Prinz Ferdinand von 1802 bis 1813 († 2. Mai).
Prinz August von 1813 bis 1843 († 19. Juli).
Seit 1843 ist es wieder königlicher Besitz. –
Wir nähern uns jetzt von der Kolonnade her dem
linken Flügel des Schlosses, treten auf einen großen
Flur und ziehen leise mit der Hand des Bittstellers an
der Klingel des Kastellans. Er schläft wirklich noch,
aber seine Frau nimmt unverdrossen das große
Schlüsselbund von der Wand und schreitet treppauf
vor uns her.
Wollt ich dem Leser zumuten, uns auf diesem Gange
zu folgen, so würd ich ihn nur verwirren; ich begnü-
ge mich deshalb damit (ohne Rücksicht auf die Rei-
henfolge, darin wir die Zimmer sahen), in nachste-
422
hendem erst von
Weitere Kostenlose Bücher