Wanderungen durch die Mark Brandenburg
den Zimmern des Kronprinzen
Friedrich und danach von denen des Prinzen Heinrich
zu sprechen.
Zunächst also die Zimmer des Kronprinzen, des
nachmaligen »großen Königs«. Sie befinden sich in
beiden Flügeln, wenn man, wie billig, den großen Konzertsaal mit hinzurechnet, den Konzertsaal, in
welchem unter Leitung Grauns und unter Mitwirkung
des Kronprinzen die klassischen Kompositionen jener
Epoche zur Aufführung kamen. Dieser Konzertsaal
befindet sich (immer von der Seefront aus) im linken Flügel des Schlosses, von dem aus seine hohen
Fenster einerseits auf den Schloßhof, andrerseits auf
das »Kavalierhaus« und einen vorgeschobenen Teil
der Stadt herniederblicken. Er ist etwa vierzig Fuß
lang, fast ebenso breit und vortrefflich erhalten. Die
Wände sind von Stuck und die Fensterpfeiler mit
Spiegeln und Goldrahmen reich verziert; eine Haupt-
sehenswürdigkeit aber ist das große Deckengemälde
von Pesne, das dieser, nach einem den Ovidschen
»Metamorphosen« entlehnten Vorwurf, im Jah-
re 1739 hier ausführte. Der Grundgedanke ist: »die
aufgehende Sonne vertreibt die Schatten der Fins-
ternis« oder, wie einige es ausgelegt haben, »der
junge Leuchteprinz vertreibt den König Griesegram«.
Die Technik ist vortrefflich, und wie immer man auch
über pausbäckige Genien und halbbekleidete Göttin-
nen denken mag, in dem Ganzen lebt und webt eine
künstlerische Potenz, gegen die es nicht gut möglich
ist sich zu verschließen. Schinkel soll unter dem
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Einfluß dieses Deckengemäldes die große Kompositi-
on entworfen haben, die sich jetzt al fresco in der
Säulenhalle des Berliner Alten Museums befindet.
Was übrigens den Konzertsaal selber angeht, so fand
innerhalb desselben, im Sommer 1848, ein etwas in
Rot getauchtes Ruppin-Rheinsbergisches Gesangfest
statt, das eigentümlich gestört wurde. Man war eben
auf der »Höhe der Situation«, als sich plötzlich eine
halbe Stuckwand loslöste und mitten in den entsetz-
ten Sängerkreis hineinfiel. Alles stob auseinander.
Das Mauerwerk des alten Schlosses hatte sich aus
seinen friderizianischen Erinnerungen heraus empört.
Dieser linke Flügel enthält außer dem Konzertsaal
noch zehn oder zwölf kleinere Räume, von denen
einige die Zimmer der Prinzeß Amalie heißen, wäh-
rend der Rest sich ohne jeden Namen begnügen
muß. Diese »Namenlosen« sind die einzigen Räume
des Schlosses, die noch eine praktische Verwendung
finden. In ihnen logieren die Hausministerialbeam-
ten, die hier gelegentlich eintreffen, um nach dem
Rechten zu sehen. Es macht einen ganz eigentümli-
chen Eindruck, wenn man nach Passierung einer lan-
gen Reihe von Zimmern, die nur immer die Vorstel-
lung in uns wachriefen, »hier muß der oder der ge-
storben sein«, plötzlich in ein paar Räume tritt, die
liebe Rückerinnerungen an die Tage eigenen
Chambre-garnie-Lebens in uns wecken. Die kleinen
Bettstellen von Birkenmaserholz, die roten Steppde-
cken von allersimpelstem Kattun, die Waschtoiletten
mit dem Klappdeckel und die beinah faltenlosen
Zitzgardinen, als habe das Zeug nicht ganz gereicht,
alles hat den schlichtbürgerlichsten Charakter von
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der Welt, und das eitle Herz freut sich der Wahrneh-
mung, daß man in Schlössern schläft wie anderswo.
Doch vergessen wir über diesem stillen Behagen
nicht unsere eigentliche Aufgabe, und wenden wir
uns lieber jenem kleinen Arbeitszimmer zu, das, mit noch größerem Recht als der Konzertsaal, den Namen des großen Königs führt.
Dies Arbeitszimmer liegt im rechten Flügel des
Schlosses, und zwar in dem kleinen Rundturm, der
den Hügel nach vorn hin abschließt. Wir passieren
abermals eine lange Zimmerreihe, bis wir endlich in
ein kleines und halbdunkles Vorgemach treten, das
sein Licht nur durch eine Glastür empfängt. Dies
halbdunkle Vorgemach enthielt die kleine Bibliothek,
die Friedrich der Große bald nach seiner Thronbe-
steigung nach Potsdam schaffen ließ; das davorlie-
gende Zimmer aber, von dem uns nur noch die Glas-
tür trennt, ist das Arbeitszimmer selbst. Nur sehr
klein (höchstens zwölf Fuß im Quadrat), hat es nach
drei Seiten hin eine entzückende Aussicht über Wald
und See. Vor 140 Jahren muß es auch in seiner Aus-
stattung einen durchaus heiteren und angenehmen
Eindruck gemacht haben. Es ist ein Achteck, das mit
drei Seiten in der Mauer steckt, während fünf Seiten
frei und losgelöst nach vorn hin liegen. Das Ganze
setzt sich
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