Wanderungen durch die Mark Brandenburg
eine Büste des
französischen Schauspielers Blainville. Der Marquis,
auf den ich in einem späteren Kapitel zurückkomme,
war nach Tauentziens Abgang Adjutant des Prinzen
und nebenher eine Art Général en chef des prinzli-
chen Heeres, das heißt jener im Solde des Prinzen
stehenden Leibhusarenschwadron, die in Rheinsberg
ihre Garnison und im Schlosse den Dienst hatte. Der
Schauspieler Blainville, ein besonderer Liebling des
Prinzen, gab sich selbst den Tod, als es der Kabale
seiner Genossen gelungen war, ihm momentan die
Gunst seines Herrn zu entziehen. Der Prinz soll die-
sen Verlust nie verwunden haben.
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Ein größerer Saal neben jenem büstengeschmückten
Zimmer macht den Eindruck einer gewissen Wohn-
lichkeit, vielleicht weil er ein paar Spezialitäten ent-hält, die uns, wie ein Vogelbauer oder ein Tisch voll
Nippsachen, die wohltuende Nähe von Menschen
auch dann noch empfinden lassen, wenn diese lange vom Schauplatze abgetreten sind. Zu diesen Spezialitäten zähl ich hier ein würfelförmiges Postament
von dem Umfang eines großen Tabakskastens, das
auf einem halb versteckten Ecktisch steht. Dieser
Kasten muß bei bestimmter Gelegenheit als Unter-
satz für eine kostbare Blume gedient haben und von
dem einen oder andern seiner Verehrer dem Prinzen
überreicht worden sein. Noch jetzt umschließt der
Kasten einen Blumentopf, aber die Blumen selbst
sind von Papier. Alle vier Wände des Kastens enthal-
ten reizende Aquarellbildchen, zwei davon Schlach-
tenbilder en miniature, von denen das eine die In-
schrift trägt: »Condé aux lignes de Fribourg«, das
andere: »Henri à la bataille de Prague«. Die Verbind-
lichkeit ist sehr fein und die Parallele gut gezogen.
»Condé aux lignes de Fribourg« ist vielleicht eine
Kopie, wenigstens entsinn ich mich dunkel, im Louv-
re oder in den Sälen von Versailles etwas Verwand-
tes gesehen zu haben. Auf dem Frontbilde: »Henri á
la bataille de Prague«, erhebt der Prinz2) eben den
Degen, und den Kopf nach rechts hin zurückge-
wandt, um durch Wort und Blick die Nachfolgenden
anzufeuern, führt er eine Grenadiercompagnie zum
Sturm.
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1. Im Widerspruch hiermit steht allerdings, daß
Prinz Heinrich im Jahre 1745 seine Mutter, die
verwitwete Königin Sophie Dorothea, hier in
Rheinsberg empfing. Pöllnitz gibt davon eine
sehr eingehende Beschreibung. Vielleicht aber
hatte sich der Prinz eigens und auf kurze Zeit
nur nach Rheinsberg begeben, um seine Mut-
ter daselbst empfangen zu können.
2. Der Kopf des Prinzen auf diesem Bildchen ist
Portrait . Es existieren im Ruppinschen außer-
dem noch vier Bildnisse des Prinzen Heinrich:
1. Im Besitz der Frau von Kaphengst in Rup-
pin. Von Pesne gemalt.
2. Im Besitz des Grafen Zieten-Schwerin auf
Wustrau. Von Frau Teerbusch.
3. Im Besitz des Herrn Gentz in Ruppin. Ein
Pastellbild (befindet sich im »Tempel«).
4. Eine Büste; ebendaselbst.
(Ein andres sehr gutes Bild des Prinzen – mit
Tigerfellaufschlägen an der Uniform und einer
Terrainkarte von Freiberg auf dem nebenste-
henden Tisch – befindet sich im Schloß zu
Tamsel.)
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3. Prinz Heinrich.
Der Rheinsberger Park.
Herr von Reitzenstein und der
verschluckte Diamant.
Der Freundschaftstempel.
Das Theater im Grünen.
Das Grabmal des Prinzen
Außer den im vorigen Kapitel beschriebenen Zim-
mern des Kronprinzen und des Prinzen Heinrich ent-
hält das Rheinsberger Schloß nichts, was der Erwähnung wert wäre. Wenn man wieder ins Freie tritt,
um, über den Schloßhof hin, dem Park und dem See
zuzuschreiten, so kann man die Frage nicht abweh-
ren: Wie kommt es, daß dieser kluge, geistvolle Prinz
Heinrich, dieser Feldherr sans peur et sans reproche,
dies von den nobelsten Empfindungen inspirierte
Menschenherz so wenig populär geworden ist? Man
geh in eine Dorfschule und mache die Probe. Jedes
Tagelöhnerkind wird den Zieten, den Seydlitz, den
»Schwerin mit der Fahne« kennen, aber der Herr
Lehrer selbst wird nur stotternd zu sagen wissen,
wer denn eigentlich Prinz Heinrich gewesen sei.
Selbst in Rheinsberg, das der Prinz ein halbes Jahr-
hundert lang bewohnt hat, ist er verhältnismäßig ein
Fremder. Natürlich, man kennt ihn, aber man weiß
wenig von ihm. Einige von den Alten entsinnen sich seiner, erzählen dies und das, aber die lebende Ge-431
neration lernt Geschichte wie wir, das heißt, liest
lange Kapitel vom Kronprinzen Friedrich und seinem
Rheinsberger Aufenthalt und
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