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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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hat sich daran gewöhnt,
    den Konzertsaal und das Studierzimmer als die allei-
    nigen Sehenswürdigkeiten des Schlosses anzusehen.
    Die Zimmer des Prinzen Heinrich, Prinz Heinrich
    selbst, alles ist bloße Zugabe, Material für die Rum-
    pelkammer. Das harte Los, das dem Prinzen bei Leb-
    zeiten fiel, das Geschick, »durch ein helleres Licht
    verdunkelt zu werden«, verfolgt ihn auch im Tode
    noch. An derselben Stelle, wo er durch fast zwei
    Menschenalter hin gelebt und geherrscht, geschaffen
    und gestiftet hat, ist er ein halb Vergessener, bloß
    weil der Stern seines Bruders vor ihm ebendaselbst geleuchtet. Und ein Teil dieses Mißgeschicks wird
    auch bleiben. Aber es ist andrerseits nicht unwahr-
    scheinlich, daß die nächsten fünfzig Jahre schon Ver-
    dienst und Klang des Namens mehr in Harmonie
    bringen werden. Um es mit einem Wort zu sagen:
    dem Prinzen hat der Dichter bis zu dieser Stunde
    gefehlt. Von dem Augenblick an, wo Lied, Erzählung,
    Schauspiel ihn unter ihre Gestalten aufnehmen wer-
    den, werden sich auch die Prinz-Heinrich-Zimmer im
    Rheinsberger Schlosse neu zu beleben anfangen, und
    die Kastellane der Zukunft werden zu berichten wis-
    sen, was in dieser und jener Fensternische geschah,
    wer den Blumenkasten übergab und unter welchem
    Kastanienbaum der Prinz seinen Tee trank und mit
    einem freudigen »Oh, soyez le bien venu« sich er-
    hob, wenn Prinz Louis am Schloßtor hielt und la-
    chend aus dem Sattel sprang.

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    Historische Gestalten teilen nicht selten das Schick-
    sal alter Statuen. Einzelne stehen durch ein Jahrtau-
    send hin immer leuchtend und immer bewundert auf
    dem Postament ihres Ruhmes; andere werden ver-
    schüttet oder in den Fluß geworfen. Aber endlich
    kommt der Moment ihrer Wiedererstehung, und nun
    erst – neben den glücklicheren neu aufgerichtet –
    erwächst der Nachwelt die Möglichkeit des Ver-
    gleichs.
    Es muß zugegeben werden (und ich habe bereits in
    dem Kapitel »Die Kirche zu Rheinsberg« darauf hin-
    gewiesen), daß etwas prononciert Französisches in
    Sitte, Gewöhnung, Ausdruck sowie das geringe Maß
    jener kurbrandenburgischen Derbheit , die wir an Friedrich dem Großen, all seiner Voltaire-Schwärmerei zum Trotz, so deutlich erkennen und so
    sehr bewundern, der Volkstümlichkeit des Prinzen
    Heinrich immer hindernd im Wege stehen wird, es
    fehlt aber auch noch viel bis zu jenem bescheidene-
    ren Teile von Popularität, worauf er unbedingten An-
    spruch hat. Seine Repliken waren nicht im Stile des
    älteren Tauentzien, als dieser, unter Androhung,
    »daß man das Kind im Mutterleibe nicht schonen
    werde«, aufgefordert wurde, Breslau zu übergeben;
    aber wenn er in seinen Antworten auch nicht dem
    Richard Löwenherz glich, der mit seinem Schwert ein
    zolldickes Eisen zerhieb, so glich er doch dem Sal-
    adin, der mit seiner Halbmondklinge das in die Luft
    geworfene Seidentuch im Niederfallen durchschnitt.
    Nur selten war er derb, rauh nie.

    433
    Wir sind nun in den Park getreten. Er umzieht in weitem Halbkreise die linke Hälfte des Sees und geht
    am jenseitigen Ufer unmittelbar in die schönen
    Laubholzpartien des Boberow-Waldes über. Der Park
    ist eine glückliche Mischung von französischem und
    englischem Geschmack, zum Teil planvoll und ab-
    sichtlich dadurch, daß man die Le Nôtreschen Anla-
    gen durch Partien im entgegengesetzten Geschmack
    erweiterte, zum Teil aber planlos und unabsichtlich
    dadurch, daß sich das zwang- und kunstvoll Ge-
    machte wieder in die Natur hineinwuchs. Die ur-
    sprüngliche Anlage soll das Werk eines Herrn von
    Reitzenstein gewesen sein, der schließlich (wie das
    zu geschehen pflegt) in verleumderischer Weise be-
    schuldigt wurde, die Kriegsabwesenheit des Prinzen
    zu seinem Vorteil benutzt und unredlich gewirtschaf-
    tet zu haben. Als er von dieser gegen ihn umgehen-
    den Verleumdung und beinahe gleichzeitig auch von
    der nahe bevorstehenden Rückkehr des Prinzen hör-
    te, gab er sich den Tod, »indem er einen Diamanten
    verschluckte«. So das Volk. Es liegt auf der Hand,
    daß hier der nach dem Abenteuerlichen haschende
    Sinn desselben eine komische Substituierung ge-
    schaffen hat. Ein verschluckter Diamant ist um nichts
    schädlicher als ein verschluckter Pflaumenkern, und
    so glaub ich denn bis auf weiteres annehmen zu dür-
    fen, daß sich von R. ( wenn überhaupt ) einfach durch Blausäure, durch essence d'amandes, getötet hat,
    aus welch letztrem Worte, lediglich nach dem Gleich-
    klang, ein Diamant

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