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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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noch wenig hundert
    Schritt bis zu Dorf Zermützel und seinem See. Wir
    fahren aber an beiden vorüber und halten uns nord-
    wärts auf eine dritte Wasserfläche zu, die den Namen führt: der Tornow-See.
    Da wo der Weg den See trifft, trifft er auch ein von
    Birken und Obstbäumen überschattetes Haus, das
    jetzt still und glücklich daliegt, als streck ihm der
    segenspendende Herbst seine vollste Hand entge-
    gen.
    Aber ich entsinne mich eines anderen Tages hier.
    Im Januar war's. Alles, was einen Pelz und eine
    Büchse hatte, war auf den Beinen, und seit Tages-

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    grauen knallte es im Wald und an den drei Rhinseen
    hin: am Tornow-, Molchow- und Zermützel-See. Zu
    zehn Uhr war hier , unter diesem Dache, das Frühs-tück angesagt, und keiner fehlte. Da waren die Förs-
    ter und Oberförster: Berger von Alt Ruppin, Conrad
    von Rottstiel, Kuse von Pfefferteich, dazu der Graf-
    schaftsadel mitsamt den Offizieren der Garnison und
    nicht zum letzten die städtischen Nimrods, die nie
    genug haben an Billard und Kegelspiel und denen
    nur wohl ist wenn sie zu Füßen eines Sechzehnen-
    ders schlafen.
    Das Frühstück war kalte Küche; desto heißer aber
    war der Grog. Über dem Herdfeuer hing ein Kessel,
    brodelnd und dampfend, und die Büdnersleute gin-
    gen auf und ab, um überall, wo man's begehrte, mit
    ihrem kochenden Wasser auszuhelfen. Der Mischung
    besserer Teil aber floß aus den eigenen Flaschen.
    Und siehe da, Pelze, Grog und Tabak schufen alsbald
    eine wunderlich dicke Luft, eine Wolke, darauf die
    Göttin der Jagdanekdote saß und orakelte. Nein,
    nicht orakelte – ihren klassischen Aussprüchen fehlte jedes Dunkel.
    Aber sonderbar, die Büdnersleute waren heute so
    still und ernst und pflegten doch sonst bei jeder
    Derbheit, die laut wurde, mit einzustimmen. Endlich
    trat ich an die Alte heran und fragte leise: »Wo ist
    Hannah?« Erst schüttelte sie den Kopf, aber sich be-
    sinnend, nahm sie mich rasch bei der Hand und führ-
    te mich über den Flur weg in eine Kammer, die gera-
    de hinter dem Zimmer gelegen war, in dem die Jäger
    ihren Imbiß nahmen. Einen Augenblick sah ich

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    nichts, empfing doch die Kammer all ihr Licht von
    einer kaum zwei Hand breiten Öffnung her, durch die
    der Schnee, vom Winde getrieben, eben in kleinen
    Flocken hineinstiebte. Die Frau, während ich mich
    noch zurechtzufinden suchte, war inzwischen an ein
    Strohlager dicht unterm Fenster getreten und schlug
    ein Laken zurück, das über das Stroh hin ausgebrei-
    tet war. Da lag Hannah, die Augen geschlossen, in
    keinem andern Schmuck als dem ihres langen Haa-
    res. Dann deckte die Alte das Laken wieder über und
    schlich aus der Kammer und ließ mich allein. Und der
    Schnee trieb immer heftiger durch das Fenster und
    schüttete vor der Zeit einen Hügel über der Toten
    auf.
    In zehn Minuten war alles wie verändert. Einer hatte
    geplaudert. »Warum hielt er nicht den Mund?« –
    »Ich fahre nach Haus.« – »Ich auch.« So ging es hin
    und her. Die meisten aber nahmen's leicht oder ga-
    ben sich doch das Ansehn davon, und eine Stunde
    später knallten die Büchsen wieder an allen drei
    Seen hin. Aber das Bild Hannahs stand zwischen
    dem Schuß und seinem Ziel, und kein Hirsch wurde
    mehr getroffen. Oberförster Berger stieß mit dem
    Fuß an den Stecher, und die Kugel pfiff ihm am Ohr
    hin, während das Feuer seinen Bart versengte.
    Es war eine »wehvolle Jagd«, wie's in alten Balladen
    heißt.

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    Die Menzer Forst und der Große
    Stechlin

    Die Sonne war geneigt im Untergang.
    Nur leise strich der Wind, kein Vogel sang,
    Da stieg ich ab, mein Roß am Quell zu tränken,
    Mich in den Blick der Wildnis zu versenken.
    Vermildernd schien das helle Abendrot
    Auf dieses Waldes sagenvolle Stätte.

    In der Nordostecke der Grafschaft liegt die Menzer
    Forst, 24 000 Morgen groß (in ihr der sagenumwo-
    bene »Große Stechlin«), und in dieser verlorenen
    Grafschaftsecke lebt die Ruppiner Schweiz noch ein-
    mal wieder auf. Hier waltet ein ganz eigenartiges
    Leben: der Pflug ruht und ebenso der Spaten, der
    den Torf gräbt; nur das Fischernetz und die Angel
    sind an dieser Stelle zu Haus und die Büchse, die
    tagaus, tagein durch den Wald knallt. Hundert Jahre
    haben hier wenig oder nichts geändert, alles blieb,
    wie's die Tage des großen Königs sahn, und nur ei-
    nes wechselte: der Schmuggler fehlt, der hier sonst
    ins Mecklenburgische hinüber sein Wesen trieb und
    seinen Krieg führte. Denn die Menzer Forst setzt

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