Wanderungen durch die Mark Brandenburg
große
Küche mit dem Herd und dem Hängekessel ein. Der
Hauchfang war mit allerlei kupfernem Geschirr, die
roten Wände mit Fliegen bedeckt, und die jetzt bren-
nend über dem Hause stehende Sonne drückte von
Zeit zu Zeit den Rauch in die Küche hinab. Eine
braune, weitbäuchige Kanne paradierte bereits auf
dem Herd, und eine behäbige Alte, die (eine große
Kaffeemühle zwischen den Knien) bis dahin mit wun-
derbarem Ernste die Kurbel gedreht hatte, stand
jetzt von ihrem Schemel auf, um das braune Pulver
542
in den Trichter zu schütten. Ebenso war die Magd mit
dem Hängekessel zur Hand, und im nächsten Augen-
blicke zischte das Wasser und trieb die Schaumbla-
sen hoch über den Rand. Wir aber standen umher
und sogen begierig den aromatischen Duft ein. Alles
Frösteln war vorüber, und die Tasse mitsamt dem
Herdfeuer vor uns, auf einem alten Binsenstuhl uns
wiegend, plauderten wir vom Luch , als wären wir über den Kansas River oder eine Prairie »far in the
west« gefahren.
Walchow
Ach, ich kenne dich noch, als hätt ich dich gestern verlassen,
Kenne das hangende Pfarrhaus noch, das Gärtchen, die
Laube,
Schräg mit Latten benagelt.
Schmidt von Werneuchen
Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt,
Wie anders tragen uns die Geistesfreuden
Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt.
»Faust«
543
Von Langen, das wir nach einer Fahrt durchs Wust-
rausche Luch am Schluß unsres vorigen Kapitels
glücklich erreichten, ist nur noch eine Viertelmeile
bis Walchow.
Walchow ist Mittelpunkt des Rhinluches. In den Zei-
ten, die der Reformation vorausgingen und ihr un-
mittelbar folgten, war es ein adliges Gut, das den
Wuthenows und Zietens gehörte. So bis 1638, wo die
Kaiserlichen unter Gallas dieses Dorf, wie so viele
andere des Ruppinschen Landes, in einen Aschen-
haufen verwandelten. Nach dem Kriege verkauften
die genannten beiden Familien ihre Anteile, die nun
zunächst 1680 mit holländischen, 1699 mit pfälzi-
schen Kolonisten besetzt wurden. Ein Jahrhundert
später begann das Prosperieren. Jetzt ist Walchow
reich oder doch wohlhabend.
Einen Beweis für ländliche Wohlhabenheit bietet der
Kirchhof, und zwar in der Regel mehr als die Er-
scheinung der Dörfer selbst . Die neue Scheune kann gebaut worden sein, weil es nötig war oder die alte
niederbrannte, das Kirchhofsdenkmal aber ist recht
eigentlich ein Gegenstand des Luxus. Die Menschen
müssen sehr pietätvoll, sehr eitel oder aber sehr wohlhabend sein, wenn sie mit dem geliebten Toten
einen Teil ihres Besitzes teilen sollen. In Walchow
hat der Dorfschulze seinem fünfzehnjährigen Sohne
ein Monument errichtet, wie's dem Begräbnisplatz
eines adeligen Hauses zur Zierde gereichen würde.
544
In Front einer Tempelfaçade (der Giebel von dori-
schen Säulen getragen) steht auf hohem Postament
ein Engel des Friedens; Zypressen und Blumenbeete
ringsum. An der Wand des Tempels aber erblicken
wir eine Bronzetafel mit folgender Inschrift:
Hier ruhet in Gott
Erdmann Friedrich Hölsche,
das letzte Kind seiner tiefgebeugten Eltern.
Die Sorge für dich war die frohe Arbeit unserer Tage.
Die Freude an dir unser gemeinsames Glück, und
unsere Hoffnung sah in dir des nahenden Alters Stüt-
ze. Du liebes Kind, nun gründen wir deiner Asche
diese Wohnung. Mögest du sanft darinnen ruhn, mö-
gen auch wir Trost empfangen an dieser Stätte und den Frieden auf Erden.
Die eigentliche Sehenswürdigkeit Walchows ist aber
doch seine Pfarre. Hier wohnt Superintendent Kirch-
ner, ein Sechziger, rüstig im Leben, im Amt und in
der Wissenschaft. Fest und freundlich, gekleidet in
den langen Rock des lutherischen Geistlichen, das
angegraute Haar gescheitelt und in zwei Wellen über
die Schläfe fallend, erinnerte mich sein Auftreten an
das jener dänischen Pfarrherren, deren mir, während
des vierundsechziger Krieges, so viele, von der Kol-
dinger Bucht an bis hinauf an den Limfjord, bekannt
geworden waren. »Wie Grundtvig«, war der erste
Eindruck, den ich empfing, und dieser Eindruck blieb
auch. In der Tat, eine frappante Ähnlichkeit zwischen
545
dem nordischen und dem märkischen Manne:
Strenggläubigkeit, nationale Begeisterung, Einkehr
bei der Urzeit des eigenen Volkes, Hang, das Dunkel
zu lichten, Vorliebe für Hypothesen und zuletzt Iden-
tifizierung damit. Grundtvig dabei mehr die Sagen-
überbleibsel einfangend, die wie Sommerfäden von
Heide zu Heide ziehen, Kirchner die Heide selbst
Weitere Kostenlose Bücher