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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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große
    Küche mit dem Herd und dem Hängekessel ein. Der
    Hauchfang war mit allerlei kupfernem Geschirr, die
    roten Wände mit Fliegen bedeckt, und die jetzt bren-
    nend über dem Hause stehende Sonne drückte von
    Zeit zu Zeit den Rauch in die Küche hinab. Eine
    braune, weitbäuchige Kanne paradierte bereits auf
    dem Herd, und eine behäbige Alte, die (eine große
    Kaffeemühle zwischen den Knien) bis dahin mit wun-
    derbarem Ernste die Kurbel gedreht hatte, stand
    jetzt von ihrem Schemel auf, um das braune Pulver

    542
    in den Trichter zu schütten. Ebenso war die Magd mit
    dem Hängekessel zur Hand, und im nächsten Augen-
    blicke zischte das Wasser und trieb die Schaumbla-
    sen hoch über den Rand. Wir aber standen umher
    und sogen begierig den aromatischen Duft ein. Alles
    Frösteln war vorüber, und die Tasse mitsamt dem
    Herdfeuer vor uns, auf einem alten Binsenstuhl uns
    wiegend, plauderten wir vom Luch , als wären wir über den Kansas River oder eine Prairie »far in the
    west« gefahren.

    Walchow
    Ach, ich kenne dich noch, als hätt ich dich gestern verlassen,
    Kenne das hangende Pfarrhaus noch, das Gärtchen, die
    Laube,
    Schräg mit Latten benagelt.
    Schmidt von Werneuchen
    Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt,
    Wie anders tragen uns die Geistesfreuden
    Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt.
    »Faust«

    543

    Von Langen, das wir nach einer Fahrt durchs Wust-
    rausche Luch am Schluß unsres vorigen Kapitels
    glücklich erreichten, ist nur noch eine Viertelmeile
    bis Walchow.
    Walchow ist Mittelpunkt des Rhinluches. In den Zei-
    ten, die der Reformation vorausgingen und ihr un-
    mittelbar folgten, war es ein adliges Gut, das den
    Wuthenows und Zietens gehörte. So bis 1638, wo die
    Kaiserlichen unter Gallas dieses Dorf, wie so viele
    andere des Ruppinschen Landes, in einen Aschen-
    haufen verwandelten. Nach dem Kriege verkauften
    die genannten beiden Familien ihre Anteile, die nun
    zunächst 1680 mit holländischen, 1699 mit pfälzi-
    schen Kolonisten besetzt wurden. Ein Jahrhundert
    später begann das Prosperieren. Jetzt ist Walchow
    reich oder doch wohlhabend.
    Einen Beweis für ländliche Wohlhabenheit bietet der
    Kirchhof, und zwar in der Regel mehr als die Er-
    scheinung der Dörfer selbst . Die neue Scheune kann gebaut worden sein, weil es nötig war oder die alte
    niederbrannte, das Kirchhofsdenkmal aber ist recht
    eigentlich ein Gegenstand des Luxus. Die Menschen
    müssen sehr pietätvoll, sehr eitel oder aber sehr wohlhabend sein, wenn sie mit dem geliebten Toten
    einen Teil ihres Besitzes teilen sollen. In Walchow
    hat der Dorfschulze seinem fünfzehnjährigen Sohne
    ein Monument errichtet, wie's dem Begräbnisplatz
    eines adeligen Hauses zur Zierde gereichen würde.

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    In Front einer Tempelfaçade (der Giebel von dori-
    schen Säulen getragen) steht auf hohem Postament
    ein Engel des Friedens; Zypressen und Blumenbeete
    ringsum. An der Wand des Tempels aber erblicken
    wir eine Bronzetafel mit folgender Inschrift:
    Hier ruhet in Gott
    Erdmann Friedrich Hölsche,
    das letzte Kind seiner tiefgebeugten Eltern.
    Die Sorge für dich war die frohe Arbeit unserer Tage.
    Die Freude an dir unser gemeinsames Glück, und
    unsere Hoffnung sah in dir des nahenden Alters Stüt-
    ze. Du liebes Kind, nun gründen wir deiner Asche
    diese Wohnung. Mögest du sanft darinnen ruhn, mö-
    gen auch wir Trost empfangen an dieser Stätte und den Frieden auf Erden.

    Die eigentliche Sehenswürdigkeit Walchows ist aber
    doch seine Pfarre. Hier wohnt Superintendent Kirch-
    ner, ein Sechziger, rüstig im Leben, im Amt und in
    der Wissenschaft. Fest und freundlich, gekleidet in
    den langen Rock des lutherischen Geistlichen, das
    angegraute Haar gescheitelt und in zwei Wellen über
    die Schläfe fallend, erinnerte mich sein Auftreten an
    das jener dänischen Pfarrherren, deren mir, während
    des vierundsechziger Krieges, so viele, von der Kol-
    dinger Bucht an bis hinauf an den Limfjord, bekannt
    geworden waren. »Wie Grundtvig«, war der erste
    Eindruck, den ich empfing, und dieser Eindruck blieb
    auch. In der Tat, eine frappante Ähnlichkeit zwischen

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    dem nordischen und dem märkischen Manne:
    Strenggläubigkeit, nationale Begeisterung, Einkehr
    bei der Urzeit des eigenen Volkes, Hang, das Dunkel
    zu lichten, Vorliebe für Hypothesen und zuletzt Iden-
    tifizierung damit. Grundtvig dabei mehr die Sagen-
    überbleibsel einfangend, die wie Sommerfäden von
    Heide zu Heide ziehen, Kirchner die Heide selbst

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