Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
durchforschend, bis sie Gräber und Urnen und in
    beiden ihre Geheimnisse herausgibt; der eine Dich-
    ter , der andere Archäolog ; jener im Studium alter Lieder aus der geistigen Welt eine sachliche, dieser
    im Studium alter Waffen, Münzen etc. aus der sachli-
    chen Welt eine geistige konstruierend. Und wirklich,
    Superintendent Kirchner ist nicht bloß ein Sammler
    nach Art so vieler seiner Amtsbrüder, die nur im
    Vorhofe der Wissenschaft, speziell der Altertumskun-
    de, wohnen; er gelangt vielmehr zu Schlüssen aus dem Gesammelten, und hier liegt der Unterschied zwischen Wissenschaftlichkeit und Liebhaberei. Die
    Mappen, die Schubfächer, die Glaskästen sind ihm
    nicht Zweck, sondern nur Mittel zum Zweck, und der
    historische Sinn (samt jenem Bedürfnis, zu Resulta-
    ten zu kommen) erwies sich siegreich in ihm über die bloße Kuriositätenkrämerei. Denn auch die schönste
    bronzene Streitaxt, die zierlichste Feuersteinlanzen-
    spitze, sie haben nur Anekdotenwert, wenn sie nicht
    den Wunsch anregen, den Charakter und das Wesen
    einer Epoche daraus kennenzulernen. Ob richtig, ist
    zunächst gleichgiltig. Der Weg zur Wahrheit ist mit
    Irrtümern gepflastert.
    Ein Studierzimmer von mäßiger Ausdehnung, in das
    wir jetzt eingetreten, ist, wie Bibliothek, so auch Na-

    546
    turaliencabinet und Museum für nordische Altertü-
    mer. Es wurde mir vergönnt, in den Schätzen dieser
    nicht zahlreichen, aber sehr ausgezeichneten Kollek-
    tion eine Stunde lang schwelgen zu können, wobei
    sich mir der alte Satz bewahrheitete, daß Anfänger
    und Laien in kleinen Sammlungen am meisten zu
    lernen imstande sind. Museumsmassenschätze
    staunt man an und geht mit dem trostlosen Gefühl
    daran vorüber, »dieser 10 000 Dinge doch niemals
    Herr werden zu können«; wo hingegen nur
    100 Dinge zu uns sprechen, lächelt uns von Anfang
    an die Möglichkeit eines Sieges. Und dieser Sieg wird
    uns sicher , wenn ein Kundiger abermals auszuscheiden und den verbleibenden Rest durch begleitende
    kleine Vorträge mehr und mehr zu veranschaulichen
    versteht. Es heißt dann immer aufs neue: »Du wirst
    dabei in einer Stunde mehr gewinnen als in des Jah-
    res Einerlei.« Und still dankbar klangen in meinem
    Herzen diese Worte nach.
    Unter den Schätzen, die mir gezeigt wurden, waren
    folgende: 1. ein Tierkopf von Bronze (wahrscheinlich
    Ornament an dem Wagen eines Opferpriesters);
    2. ein Sandalensporn von Bronze, gefunden bei
    Frankfurt a. O.; 3. ein goldener Fingerring, blank,
    gefunden in der Prignitz; 4. ein goldener Halsring,
    blank, fünf Zoll im Lichten, gefunden bei Walchow
    auf einer Torfwiese des vorgenannten Schulzen Höl-
    sche (seltenes Exemplar; Goldwert zweiundvierzig
    Taler; leider bald nach dem Funde von einem »Un-
    tersucher« zerbrochen); 5. ein römischer Dukaten
    aus dem fünften Jahrhundert mit dem Bilde des Kai-
    sers Zeno; im Sande der Uckermark gefunden;

    547
    6. eine Spindel von Bein; sie lag neben einem sieben
    Fuß langen Gerippe zwischen drei Eichenbohlen.
    (Spinn wörtel findet man oft, Spindeln selbst aber sehr selten.) Neben diesen Prachtstücken interessierte mich noch eine nicht geringe Zahl von Armringen,
    Broschen, Kelten, Paalstäben etc., die zwar in sich
    selbst keinen außergewöhnlichen Wert darstellten,
    diesen Mangel aber durch das Interesse, das der
    Fundort einflößte, mehr als ausglichen. Alle diese
    Gegenstände nämlich, einige vierzig, waren bei
    Templin in einem ausgetrockneten Wasserloche, elf
    Fuß tief, und zwar unter fünf horizontal liegenden
    Eichen, gefunden worden. Einerseits die verhältnis-
    mäßig große Zahl, andererseits der Umstand, daß sie
    bunt durcheinandergewürfelt an einer und derselben
    Stelle lagen, gibt ein Rätsel auf. Von einem Begräb-
    nisplatze kann keine Rede sein. Superintendent
    Kirchner nimmt an, es sei hier ein römischer Händler
    mit seinem Karren voll Bronzeschmuck verunglückt.
    Diese Hypothese führt mich auf die schriftstellerische
    Tätigkeit Kirchners. Sie geht in erster Reihe nach der
    märkischhistorischen Seite hin und hat in der Famili-
    engeschichte der Arnims sowie namentlich auch in
    dem großen vierbändigen Werke »Die Kurfürstinnen
    und Königinnen von Brandenburg und Preußen« all-
    gemein Anerkanntes geleistet. Was an dieser Stelle jedoch, und zwar weit über jene historischen Arbeiten hinaus, Erwähnung verdient – Erwähnung des-
    halb , weil es vielleicht bestimmt ist, dermaleinst epochemachend aufzutreten –, das ist Kirchners

Weitere Kostenlose Bücher