Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Pfarrhäuser, deren Giebel
auf den Kirchhof sieht – ich fühlte sie wieder leben-
dig werden und empfand deutlicher als je zuvor die
geistige Bedeutung dieser Stätten. In der Tat, das Pfarrhaus ist nach dieser Seite hin dem Herrenhause weit überlegen, dessen Ansehen hinschwindet, seitdem der alten Familien immer weniger und der zu
»Gutsbesitzern« emporsteigenden ländlichen und
städtischen Parvenus immer mehr werden. Und noch
ein anderes kommt hinzu. Der Adel, soweit er ums
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Dasein ringt, vermag kein Beispiel mehr zu geben
oder wenigstens kein gutes, soweit er aber im Voll-
besitz seines alten Könnens verblieben ist, entzieht
er sich zu sehr erheblichem Teile der Dorfschaft und
tritt aus dem engeren Zirkel in den weiter gezogenen
des staatlichen Lebens ein.
Das Pfarrhaus aber bleibt daheim , wartet seines Gartens und okuliert den Kulturzweig auf den immer
noch wilden Stamm.
Daß ich hier ein Ideal schildere, weiß ich. Aber es verwirklicht sich jezuweilen, und an vielen hundert
Stellen wird ihm wenigstens nachgestrebt.
1. Kirchner hebt auf Seite 30 seines obenge-
nannten Buches hervor, daß ein Teil dieser
Bronzen sehr wahrscheinlich von Künstlern
und Handwerksmeistern herrühre, die, ur-
sprünglich griechisch oder römisch, sich in
Deutschland niedergelassen hatten. Dies hat
viel für sich. Dergleichen geschah zu allen
Zeiten, in alten und neuen. Anfang des vori-
gen Jahrhunderts kam Antoine Pesne von Pa-
ris nach Potsdam und begann, die Schlösser
mit ausgezeichneten Bildern zu füllen. Nichts-
destoweniger würd es grundfalsch sein, den
Kunst- und Kulturgrad des damaligen Preu-
ßens nach Pesne bemessen zu wollen. Alles,
was er schuf, war, trotz der leiblichen Anwe-
senheit des Meisters in unsrem Lande, doch
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immer nur eine importierte Kunst. Unserer
wirklichen Kunststufe entsprach damals
Leygrebe, der Riesengrenadiere und Jagd-
hunde malte.
Protzen
Im Westen schwimmt ein falber Strich,
Der Abendstern entzündet sich,
Schwer haucht der Dunst vom nahen Moore;
Schlaftrunkne Schwäne streifen sacht
An Wasserbinsen und am Rohre.
»So hab ich dieses Schloß erbaut,
Ihm mein Erworbnes anvertraut,
Zu der Geschlechter Nutz und Walten;
Ein neuer Stamm sprießt aus dem alten,
Gott segne ihn, Gott mach ihn groß.«
Annette von Droste-Hülshoff
Westlich, in unmittelbarer Nähe von Walchow, liegt
Protzen, ein wohlhabendes Luch- und Torfdorf wie
jenes. Es war immer, soweit die Nachrichten reichen,
ein adliges Gut. Im vierzehnten und fünfzehnten und
auch noch zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts
saß hier eine Familie, die sich einfach nach ihrem
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Wohnorte nannte, also eine Familie von Protzen. Eine
der drei Kirchenglocken (die größte) geht bis in jene
Zeit zurück. Sie rührt noch aus der Zeit Albrecht A-
chills her und trägt die Inschrift: »Jhesu Criste rex
gloriae veni eum pace«, samt der Jahreszahl 1476.
Hat also schon zur katholischen Zeit die Gemeinde
zur Kirche gerufen.
Den Protzens folgten um etwa 1522 die Gadows, die
das Dorf 130 Jahre lang, von den ersten Tagen der
Reformation an bis zum Schluß des Dreißigjährigen
Krieges, in ihrem Besitz hatten. Auch aus diesem
Abschnitt existieren keine Überlieferungen. Aber wie
von den Protzens her die älteste Glocke , so datiert von den Gadows her der älteste Abendmahlskelch
der Kirche. Er ist vergoldet, von schöner Form und
zeigt, außer den drei Fischen des Gadowschen Wap-
pens, die Jahreszahl 1584. In der Mitte, um den
Handgriff herum, stehen einzeln die Buchstaben J-E-
S-U-S.
Die Familie Quast in Protzen
(1652–1752)
Um 1652 waren die Gadows, wahrscheinlich infolge
des Kriegselends, derart verschuldet, daß sie Protzen
nicht mehr halten konnten. Sie verkauften es um die
genannte Zeit an ihren Gutsnachbar Otto von Quast,
der nach diesem Kaufe sein väterliches Gut Garz
aufgab und nach Protzen hinüberzog.
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Der Grund zu diesem Gutsankaufe seitens der Quas-
te lag in einem starken Familiengefühl. Albrecht
Christoph von Quast, von dem das folgende Kapitel
ausführlicher handeln wird, hatte, wie so viele von
denen, die »lieber Hammer als Amboß« sein wollten,
im Laufe des Dreißigjährigen Krieges ein Vermögen
erworben und gedachte dasselbe zu Güterkäufen in
Mähren zu verwenden. Seine von alter Zeit her im Ruppinschen ansässige Familie wünschte jedoch den
einflußreichen Mann, der um 1652 der berühmteste
Träger ihres Namens war, im
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