Wanderungen durch die Mark Brandenburg
ich »Mariä Himmelfahrt« betrachtet.
Platen
I
Nicht unmittelbar am Ruppiner See, vielmehr eine
halbe Meile landeinwärts, liegt Radensleben, seit
über zweihundert Jahren ein Quastsches Gut.
Der ursprüngliche Besitz der Quaste oder »Quäste«
lag und liegt noch im Westen des Ruppiner Sees, am fruchtbaren Rande des Rhinluches hin. Garz, Vichel,
65
Hohrlack sind alt-Quastsche Güter, von denen ich in
einem spätern Abschnitt erzählen werde, aber über
das am Ostufer des Sees gelegene Radensleben sei schon an dieser Stelle berichtet. Alexander Ludolf von Quast erstand es bald nach Schluß des Dreißig-jährigen Krieges und gründete neben der Garzer Li-
nie die Linie Radensleben. Sie blüht bis diesen Tag.
In einem Zimmer des Herrenhauses, auf dunkelro-
tem Hintergrunde, hängt streng und ernst das Bildnis
Alexander Ludolfs.
Radensleben, das wir in wenig mehr als viertelstün-
diger Fahrt von Karwe aus erreichen, gilt als eines
der schönsten Güter der Grafschaft, und zu seinen
weiten Acker- und Wiesenflächen gesellen sich große
Forstbestände, die sich zum Teil bis in die Rheins-
berger Gegend hin ausdehnen. Aber was unser Interesse weckt, das ist ein andres, ist die poetische,
beinah absolute Stille, die ihren Zauberkreis um dies
Stück Erde zieht.
Das Ruppiner Land ist überhaupt eins von den stillen
in unsrer Provinz, die Eisenbahn streift es kaum, und
die großen Fahrstraßen laufen nur eben an seiner
Grenze hin; aber die stillste Stelle dieses stillen Landes ist doch das Ostufer des schönen Sees, der den Mittelpunkt unserer Grafschaft bildet und von ihr den
Namen trägt. Durchreisende gibt es hier nicht , und jeder, dem man begegnet, der ist hier zu Haus; kein
anderer Verkehr als der der Dörfer untereinander,
und es bleibt selbst fraglich, ob das Handwerksbur-
schentum in andern als in verschlagenen Exemplaren
an dieser Stelle betroffen wird.
66
Noch einmal also, keine »Passanten«. Es legt hier
nur an, wer landen will.
Wir sind unter diesen, fahren eben in die breite, mit
prächtigen Bäumen besetzte Dorfstraße ein und hal-
ten vor dem alten Herrenhause, einem geräumigen,
aber anspruchslosen Bau, dessen Fachwerkwände
die schlichte Art des vorigen Jahrhunderts zeigen.
Ein traulich-wohnlicher Zug ist um das Ganze her,
und im selben Augenblick, wo wir eintreten, erken-
nen wir auch, daß das Haus nach gut märkischer Art
tüchtiger ist, als es von außen her erschien, und daß
seine Fachwerkwände nur eine Hülle sind, hinter der
sich ein massiver älterer Bau verbirgt. Zugleich be-
merken wir eine doppelarmige Treppe, die, breit und
mit niedrigen Stufen ansteigend, nach rechts und
links hin auf die oberen Korridore mündet.
Es ist warm, und so nehmen wir in der Vorhalle
Platz, um die Wohltat von Luft und Licht und den
vollen Blick in die Anlagen des Gartens zu haben.
Eine künstlerische Hand hat hier unverkennbar die
Linien gezogen, und die Frage tritt an uns heran:
Wer war hier tätig? wer schuf diese Durchsichten?
wer richtete diese Statuen auf? wer gab ihnen die
malerischste Stelle?
Und nun verlassen wir die Vorhalle wieder, um erst
im Erdgeschoß und dann im oberen Stock eine lange
Zimmerreihe zu passieren, und siehe da, im reichen
Anblick aller hier angesammelten Schätze wird uns
zugleich Antwort auf unsere Frage. Kunst, echte
67
Kunst überall. Das gut Märkische schwindet und der
Zauber italischer Ferne steigt vor uns auf.
Erst eine Landschaft Blechens, hell, prächtig, fremd-
ländisch. Der heiße Sonnenschein liegt auf dem
schattenlosen Marktplatz, und blau dehnt sich das
eingebuchtete Meer, an dessen Horizont ein Kuppel-
turm emporsteigt.
Wie schön! Und indem wir weiterschreiten, tuen sich
die goldenen Tore des Südens immer herrlicher vor
uns auf. Alle Namen, die vor Perugino und Raffael
geglänzt, die Schöpfer moderner Malerei, hier sprechen sie zu uns. Giotto und Giottino, Fiesole und Or-
cagna, Fra Bartolomeo und Pietro Spinello Aretino,
die beiden Lippis, vor allem der mächtige Mantegna
– alle, die groß waren, ehe die größeren kamen, sie
sind hier um uns versammelt. Die Welt der Madon-
nen erschließt sich uns, und aus ihren Rahmen auf
uns niederblickend, tuen sie, was sie immer taten,
und lächeln Freudigkeit und Hoffnung in unser Herz.
Da ist eine »Muttergottes, anbetend vor dem Kinde«,
ein Terrakotta-Relief von Luca della Robbia, und da
ist eine zweite (mit einem Stieglitz auf dem
Weitere Kostenlose Bücher