Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Händ-
chen des Christkinds) in der lieblich naiven Art Filip-
pino Lippis. Hier fällt das faltenreiche, lang herabwallende Kopftuch über die ernsten, hoheitkündenden
Züge der »Himmelskönigin«, wie Fra Bartolomeo die
Jungfrau gemalt, und hier breitet eine Madonna Gio-
vannis da Milano ihren schwarzen, mit Rot und Gold-
brokat gefütterten Mantel um Päpste, Mönche und
Heilige aus und erhebt sich mit ihnen, um ihre
Schützlinge mit gen Himmel zu tragen. Selbst das
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große Bild in der Kirche »Annunziata« zu Florenz,
das alljährlich dem anbetenden Volke nur einmal
gezeigt wird – künstlerische Begeistrung hat nach
flüchtigem Schauen die schönsten Köpfe desselben
festzuhalten gewußt, und die hinweggelauschten
Bildnisse Marias und des verkündenden Engels, sie
haben jetzt eine Stätte hier , in dem stillen Herrenhause der stillen Grafschaft.
Manches Kunstwerk wohl, von dem die Welt nicht
weiß, verbirgt sich in märkischen Dörfern. Grab-
denkmälern von Rauch und Schadow, von Canova
und Thorwaldsen bin ich begegnet, Bilder aller Län-
der und Schulen seit Papst Julius' Tagen hab ich ge-
sehen – aber Bilder aus den Tagen der Kindheit und
Keuschheit aller modernen Kunst, solche Bilder hat nur das Herrenhaus zu Radensleben. Kein andres
märkisches Dorf kennt Fiesole und Mantegna, am
wenigsten hat es sie.
Da sind wir wieder in der Halle. Kühle weht, und wir
blicken noch einmal hinunter in den Park, hinter des-
sen Bäumen die Abendröte verglüht. Seine fein ge-
zogenen Linien überraschen uns nicht länger mehr.
Wo Madonna weilt, da weilt auch die Schönheit.
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Radensleben
II
Nachstehend geb ich eine Aufzählung dessen, was
sich im Herrenhause zu Radensleben an Kunstschät-
zen vorfindet. Ich verweile dabei nur bei dem Be-
merkenswertesten.
1. Altitalienische Bilder
1. Madonna hält mit beiden Händen das auf ihrem
Schoße sitzende Christuskind. Im Hintergrunde drei
Cherubimköpfe. Gewand der Madonna mit reichem
Muster modelliert und sodann vergoldet und bemalt.
Flaches Relief aus gebrannter Erde (Terrakotta) , in reich vergoldetem Rahmen. Dieser hat die Inschrift
»Ave Maria gratia plena, Dominus tecum.« Wahr-
scheinlich eine Arbeit von Mino da Fiesole. Ein Ex-
emplar, nach derselben Form gegossen, befindet sich
im Berliner Museum.
2. Madonna, halbe Figur, anbetend vor dem Kinde;
zur Rechten drei Engel, links Johannes. Madonna und
Christkind sehr schön. Terrakotta-Relief von etwa
zweieinhalb Fuß Durchmesser. Von der Bemalung
und Vergoldung sind nur noch schwache Reste vor-
handen. Trotzdem ein Prachtstück der Sammlung.
Nach der Ansicht Metzgers, eines Kunsthändlers in
Rom, durch dessen Vermittlung Herr von Rumohr
viele Sachen fürs Berliner Museum ankaufen ließ,
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von Luca della Robbia. Der einzige Zweifel, den
Metzger unterhielt, war der, daß ihm kein Werk des
Luca von ähnlicher Schönheit vorgekommen sei.
3. Madonna mit dem Kinde, Johannes und Engeln.
Von Fra Filippo Lippi. Wie fast alle folgenden Bilder
auf Holz gemalt.
4. Vermählung der heiligen Katharina. Die sitzende
Madonna hält auf dem Schoße das Christuskind und
neigt sich mit demselben der vor ihr zur Linken
knienden heiligen Katharina entgegen, welche vom
Christuskinde den Ring empfängt. Eine vorzügliche
Arbeit von Sandro Botticelli, einem Schüler des Fra
Filippo Lippi.
5. Madonna mit dem Kinde, welches einen Stieglitz
in den Händen hält. Ein weißer Schleier fällt unter
der Krone der Madonna auf den dunkel schwarzblau-
en Mantel herab, welcher, auf der Brust durch eine
Agraffe gehalten, sich seitwärts öffnet und das rote
Gewand sehen läßt. Höchstwahrscheinlich von Fra
Filippo Lippi, doch in mancher Beziehung an seinen
Sohn Filippino Lippi erinnernd.
6. Madonna mit dem Kinde. Wahrscheinlich von Fi-
lippino Lippi.
7. Madonna; auf Goldgrund. Sie trägt einen schwar-
zen Mantel, mit rotgoldnem Brokat gefüttert. Unter
dem Mantel birgt sie Päpste, Mönche, Heilige. Sehr
altes Bild von Giovanni da Milano.
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8. Krönung Mariä. Ausgezeichnetes Bild; der Maria in
Santa Croce zu Florenz (von Giotto) und ebenso der
Heiligen Jungfrau in der Brera zu Mailand so nahe-
stehend, daß es Kenner mehrfach für ein Originalbild
von Giotto gehalten haben. Die später erfolgte Reini-
gung ließ die Jahreszahl 1338 hervortreten, wonach
es also zwei Jahre nach Giottos Tode gemalt wurde.
Doch zählt es immer zu den ältesten und
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