Wanderungen durch die Mark Brandenburg
ich
wohl, daß man das so ganz genau sogleich nicht sa-
gen kann. Ich bin nicht da gewesen, kenne das Ter-
rain nicht; sonst versteh ich's so gut wie Ihr, wieviel Familien angesetzt werden können.«
Bauinspektor : »Ihro Majestät, das Luch ist aber
noch in großer Gemeinschaft.«
König : »Das schadet nicht! Man muß eine Vertau-
schung machen oder ein Äquivalent dafür geben, wie
sich's tun läßt am besten. Umsonst verlang ich's
nicht.« (Zum Amtsrat Klausius:) »Na! hört mal: Ihr
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könnt's an meine Kammer schreiben, was ich urbar
will gemacht haben; das Geld dazu geb ich!« (Zu
mir:) »Und Ihr geht nach Berlin und sagt es meinem
Geheimen Rat Michaelis mündlich, was ich noch will
urbar gemacht haben.«
Nun setzten Ihro Majestät sich in den Wagen und
fuhren den Berg hinunter; es wurd umgespannt. Weil
nun Ihro Majestät befohlen hatten, daß ich bis an die
Stöllnschen Berge Sie begleiten sollte, so ging ich an
den Wagen und fragte: »Befehlen Ihro Majestät, daß
ich noch weiter mit soll?«
König : »Nein, mein Sohn; reitet in Gottes Namen
nach Hause!«
Soweit die Unterredung, die Fromme großenteils
direkt mit dem Könige geführt. Er fügt aber seinem
Bericht noch einiges hinzu, was er nachträglich über
den Verlauf der Reise erfahren hat. Dies lautet in
Frommes Aufzeichnungen (an Gleim) wie folgt:
Herr Amtsrat Klausius brachte sodann Ihro Majes-
tät bis nach Rathenow, wo Sie im Posthause logiert
haben. In Rathenow sind Ihro Majestät über Tafel
ungemein vergnügt gewesen, haben mit dem Herrn
Obristlieutenant von Backhoff von den Carabiniers
gespeist, und haben der Herr Obristlieutenant von
Backhoff selbst erzählt, daß Ihro Majestät gesagt
hätten:
»Mein lieber Backhoff! ist Er lange nicht in der Ge-
gend von Fehrbellin gewesen, so reise Er hin! Die
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Gegend hat sich ungemein verbessert. Ich hab in
langer Zeit mit solch einem Vergnügen nicht gereist.
Ich nahm die Reise mir vor, weil ich keine Revue
hatte, und es hat mir so sehr gefallen, daß ich gewiß
wieder künftig solch eine Reise vornehmen werde! –
Hör Er mal: Wie ist es Ihm gegangen im letzten
Kriege? Vermutlich schlecht! Ihr habt in Sachsen
auch nichts ausgerichtet... Ich hätte können was
ausrichten; allein ich hätte mehr als die Hälfte mei-
ner Armee aufgeopfert und unschuldig Menschenblut
vergossen. Aber dann wär ich wert gewesen, daß
man mich vor die Fähndelwache gelegt und mir ei-
nen öffentlichen Produkt gegeben hätte. Die Kriege
werden fürchterlich zu führen.«
Nachher haben Ihro Majestät gesagt:
»Von der Schlacht bei Fehrbellin bin ich so orien-
tiert, als wenn ich selbst dabeigewesen wäre! Als ich
noch Kronprinz war und in Ruppin stand, da war ein
alter Bürger – der Mann war schon sehr alt! –, der
wußte die ganze Bataille zu beschreiben und kannte
den Walplatz sehr gut! Einmal setzt ich mich in den
Wagen, nahm meinen alten Bürger mit, welcher
dann mir alles zeigte, so genau, daß ich sehr zufrie-
den war mit ihm. Als ich nun wieder nach Hause reis-
te, dacht ich, du mußt doch deinen Spaß mit dem
Alten haben! Da fragte ich ihn: ›Vater, wißt Ihr denn
nicht, warum die beiden Herren sich miteinander
gestritten haben?‹ – ›O jo, Ihro Königliche Hoheiten,
dat will ick Se wohl seggen. As unse Chorförst is
jung west, hat he in Utrecht studeert, und doa is de
König von Schweden as Prinz ok west. Doa hebben
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nu de beede Herrn sich vertörnt un hebben sich bi de
Hoar kricht. Un dat is nu de Pike davon!‹«
Ihro Majestät haben wirklich so plattdeutsch ge-
sprochen.
Weiter kann ich von der Reise keine Beschreibung
machen. Denn Ihro Majestät haben zwar noch viel
gesagt und gefragt, es würd aber wohl schwer sein,
es alles zu Papier zu bringen.
1. »Von hier an«, so bemerkt Fromme, »sprach
der König meist mit dem Amtsrat Klausius,
und ich (Fromme) schreibe nur, was ich selbst
noch so nebenbei gehört habe.«
Neustadt a. D.
Auf der langen Bohlenbrücke,
Drüber unsre Schritte dröhnen,
Wandeln wir mit heitrem Blicke
In die Stadt; kühl sind die Straßen,
Blank die Steine, kannst du's fassen?
Du betrittst sie ganz alleine.
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Wer kennte nicht Neustadt? Aber wenn es einerseits
zu den Städten gehört, von denen die Welt nur den
Bahnhof kennt, so gehört es andererseits zu denen, die beständig verwechselt werden.
Uns gegenüber im Coupé sitzt eine blasse Dame von
sechsunddreißig und mustert
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