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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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abwechselnd das
    Bahnhofstreiben und das Bahnhofsgebäude.
    »Neustadt an der Dosse... Hier ist ja wohl eine
    Forstakademie?«
    Der Angeredete, den ich meinen Lesern kurzweg als
    einen Onkel Bräsig der Neustädter Territorien vor-
    stellen möchte, verbeugt sich artig und antwortet:
    »Nein, meine Gnädigste, die Forstakademie ist in
    Neustadt-Eberswalde.«
    »Richtig. Ich meinte ein Irrenhaus.«
    »Bitte um Entschuldigung, das ist auch in Neustadt-Eberswalde.«
    »Aber ich dächte doch...«
    »Ganz richtig, hier ist ein Gestüt .«
    »Ein Gestüt?«
    »Ja. Sehen Sie dort.«
    »Aber mein Gott das ist ja eine Kirche.«

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    »Verzeihung, ich meine weiter links, dort, wo die
    Pappeln stehen.«
    »Ah, so; dort.«
    »Es gibt nämlich, wenn Sie sich dafür interessie-
    ren...«
    »Oh, bitte.«
    »... ein königliches und ein Landesgestüt, und durch
    Heranziehung arabischer...«
    »Ah, so... Wie weit haben wir noch bis Wittenber-
    ge?«

    Der Zug rasselt inzwischen weiter. Nur der Leser und
    ich sind ausgestiegen, um Neustadt, an dem wir
    zahllose Male vorübergefahren, endlich auch in der
    Nähe kennenzulernen. Ein anmutiger Spaziergang,
    bei sinkender Septembersonne, führt uns ihm entge-
    gen. Unterwegs, von einer Brückenwölbung aus, er-
    freut uns der Blick über einen weiten Wiesengrund
    und die kanalartig regulierte Dosse. Fünf Minuten
    später haben wir die Stadt erreicht, eine einzige
    Straße, darauf rechtwinklig eine andere mündet. Da,
    wo sich beide berühren, erweitern sie sich und bilden
    einen Marktplatz, an dem die »Amtsfreiheit« und die
    Kirche gelegen sind. Am äußersten Ende der Längs-
    straße das Gestüt . Auf einen Besuch dieser berühm-636
    ten Vorbereitungsstätte für unsere Kavalleriesiege
    verzichten wir und begnügen uns damit, unsere
    Aufmerksamkeit auf Stadt und Vorstadt und inson-
    derheit auf die Geschichte beider zu richten.
    Diese (wenigstens bis in die zweite Hälfte des sieb-
    zehnten Jahrhunderts) ist in wenig Zeilen erzählt.
    Burg oder Schloß Neustadt gehörte 1375, wie das
    Landbuch Kaiser Karls IV. ausweist, dem Lippold von
    Bredow. Später an die Ruppiner Grafen übergehend,
    war es zeitweilig den Quitzows, den Bredows, den
    Rohrs verpfändet, bis es, nach dem Erlöschen des
    gräflichen Hauses von Lindow-Ruppin (1524), dem
    Kurfürsten zufiel. Aber neue Pfandinhaber folgten,
    und erst 1584 kam es erb- und eigentümlich an Rei-
    mar von Winterfeldt. Die Winterfeldts besaßen es bis
    zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges, an dessen
    Ende wir Neustadt plötzlich in eine Epoche berühm-
    ter historischer Namen eintreten sehen. Es waren
    dies:
    Feldmarschall Graf Königsmarck von 1644 bis 1662;
    Prinz Friedrich von Hessen-Homburg von 1662 bis
    1694;
    Eberhard von Danckelmann (nicht als Besitzer, aber
    als kurfürstlicher Amtshauptmann) von 1694
    bis 1697.

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    Nach dieser Zeit hören die historischen Namen wieder auf, und »Amt Neustadt« wird ein kurfürstliches
    respektive königliches Amt wie andere mehr.
    Aus der Graf Königsmarckschen Zeit ist wenig zu
    berichten. Der Graf hat mutmaßlich seine Neustädter
    Besitzungen nie gesehen, begnügte sich vielmehr
    damit, sie durch seinen Regimentsquartiermeister
    Liborius Eck in allerdings mustergiltiger Weise ver-
    walten zu lassen. 1662 ging das Gut, wie schon vor-
    stehend erwähnt, an den Hessen-Homburger Prinzen
    über, wodurch ein Zeitabschnitt eingeleitet wurde,
    bei dem wir eingehender zu verweilen haben werden.

    Prinz Friedrich von Hessen-
    Homburg

    Nehmt den besten Reiterhaufen,
    Folgt dem Feind und macht ihn laufen,
    Aber laßt Euch nicht verleiten,
    Ernstlich Euch herumzustreiten.

    Prinz Friedrich von Hessen-Homburg, dies sei voraus
    bemerkt, war vor allem nicht der , als der er uns in dem H. von Kleistschen Schauspiel entgegentritt. Der
    H. von Kleistsche und der historische Prinz von Hom-
    burg verhalten sich zueinander wie der Goethesche
    und der historische Egmont. Sie waren in der Zeit,

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    wo sie hervortraten, keine Liebhaber und keine
    Leichtfüße mehr, vielmehr ernste Leute von mittleren
    Jahren und reichem Kindersegen, überhaupt ebenso
    gute Ehemänner wie Patrioten.
    Unser Prinz Friedrich ward am 30. Mai 1633 geboren.
    Er war der zweite Sohn des Landgrafen Friedrich von
    Hessen, des Stifters der homburgischen Linie. Er trat
    jung in schwedischen Dienst, war 1658 mit vor Ko-
    penhagen und verlor bei dieser Belagerung ein Bein.
    Dasselbe wurde künstlich ersetzt, weshalb er seit-
    dem der »

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