Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Prinz mit dem silbernen Bein « hieß. Neben Götz von Berlichingen wohl der einzige Fall einer
derartigen Namensgebung. Die Belagerung von Ko-
penhagen fiel in die glänzende Regierungszeit Karl
Gustavs von Schweden, nach dessen plötzlichem
Tode, 1660, unser Homburger Prinz sich zurückge-
setzt fühlte, weshalb er denn auch den Abschied
nahm. Wahrscheinlich 1661.
Um ebendiese Zeit (1661) hatte er sich mit der Grä-
fin Margarete Brahe, die übrigens bereits Witwe
zweier Grafen Oxenstierna war, vermählt und übersiedelte nach Weferlingen, einem schönen Gute im
Magdeburgischen, das ihm durch seine Gemahlin
zugebracht worden war. Hier, von Weferlingen aus,
kam er an den Berliner Hof, trat in die Armee des
Kurfürsten, erhielt ein Regiment und wurde später,
1670, zum General der Kavallerie erhoben.
Ziemlich gleichzeitig mit seinem Eintritt in unsere
Armee hatte er sich auch im Brandenburgischen an-
sässig gemacht und Amt Neustadt, das, wie wir wis-
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sen, seit 1644 in Händen des Grafen Hans Christoph
von Königsmarck war, von ebendiesem erstanden.
Dies war 1662. Er nahm nun, wenigstens zeitweilig,
seinen Aufenthalt an genanntem Ort, und alles, was
Neustadt in diesem Augenblick ist, ist es im wesentli-
chen durch Prinz Friedrich von Hessen-Homburg. Er
besaß es zweiunddreißig Jahre lang, aber nur sech-
zehn Jahre (bis 1678) konnt er ihm seine besondere
Aufmerksamkeit widmen. Diese sechzehn Jahre ge-
nügten jedoch. Ja, wenn dieser Zeitabschnitt auch
noch wieder halbiert worden wäre, würde dadurch an
dem Gesamtresultate seines Schaffens an ebendieser
Stelle nichts Erhebliches geändert worden sein, denn
er griff so rasch und energisch ein, daß bereits zwei,
höchstens vier Jahre nach Übernahme des Besitzes
all das begonnen war, was spätere Jahrzehnte nur
glänzender hinausführten. Auf dies »erste Beginnen«
kommt es allezeit an. Ob dasselbe, Mal auf Mal, bei
ihm selber oder bei seiner Gemahlin, der Gräfin Bra-
he, oder aber bei dem schon rühmlich erwähnten
Amtsverwalter Liborius Eck lag, den er, als einen
höchst fähigen Administrator aus der Königsmarck-
schen Zeit her, mit übernommen hatte, gilt gleich;
die oberste Herrschaft gibt den Namen, und die Hes-
sen-Homburgische Zeit ist und bleibt die große Epo-
che von Neustadt.
Bei Übernahme des Gutes bestand es aus sieben
Bauerhöfen, einer Schmiede und einer Mühle, war
also kleiner als das kleinste Dorf. Die Bewohner zahl-
ten keine Abgaben, hatten aber Dienste auf dem
Amte zu leisten. Das war das Neustadt von 1662.
Zwei Jahre später (1664) bestand es bereits aus sie-
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benundvierzig Bürgerhäusern und einer Vorstadt, in
welcher letzteren sich weitere fünfundzwanzig Fami-
lien niedergelassen hatten; dem Orte selbst aber war
auf Antrag des rastlosen und bei Hofe einflußreichen
Prinzen Stadtgerechtigkeit und das Recht zwei Jahr-
märkte abhalten zu dürfen, zugestanden worden.
Das gleichzeitig empfangene Wappen setzte sich
links aus einem Elentier, rechts aus einem springen-
den Löwen zusammen, wovon sich der Löwe mut-
maßlich auf den Prinzen, das Elentier auf die Stadt
bezog.
Aber bei dem bloßen Bauen und Stellenbesetzen ließ
es der Prinz nicht bewenden, vielmehr ging durch
seine ganze Tätigkeit ein organisatorischer Zug, dem
es nicht genug war, überhaupt etwas zu tun, sondern vor allem das praktisch Richtige zu tun. Das Nächste war eine Regulierung der Dosse, die damals,
wie noch jetzt die Spree im Spreewald, in zahllosen
Armen durch die Dosse-Niederung floß. Der herrliche
Wiesenstand, der auf diese Weise gewonnen wurde,
leitete zu sorgsamer und eifriger Pferdezucht und
dadurch zu den Anfängen der späteren Gestüte hin-
über. Der Raseneisenstein, der sich vorfand, ließ eine
Eisenhütte, der reiche Holzbestand eine Glashütte
entstehn, an der Dosse selbst hin aber erwuchsen
einerseits Schleifereien für das gewonnene Glas, an-
dererseits Papier- und Schneidemühlen. Wer Koloni-
sierung studieren will, muß die Geschichte von Mark
Brandenburg studieren. Aber wenn die ganze Provinz
nach dieser Seite hin ein sehr lehrreiches Beispiel
bietet, so bietet vielleicht unser Neustadt von 1662
bis 1666 ein Muster unter den Musterstücken.
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Das Jahr 1666 schien freilich ausersehen, alles wie-
der in Frage zu stellen. Die siebenundvierzig Bürger-
häuser brannten nieder, mit ihnen das Amt, das
mutmaßlich dem Prinzen als Wohnung gedient
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