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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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dahinter. Und
    was fanden wir statt dessen! Eine Rute breit lief der Streifen, und nur mit dem Haken, statt mit dem tiefer gehenden Pfluge, war das Erdreich umgebrochen
    worden. Ein Angstschrei kam über meine Lippen.
    Dann wurden Versuche gemacht, den schmalen Si-
    cherheitsstreifen durch Ausschlagen des Feuers mit
    Sträuchen und Büschen zu behaupten, aber verge-
    bens. Die Flamme lief wie eine Schlange über das
    Gras hin, der Wind wurde Sturm und trieb die Lohe
    der königlichen Forst zu. Das Heidekraut, die zehn
    Fuß hohen Tannen, das Kieferngestrüpp, alles war
    trocken wie Stroh; das Feuer brauste bereits durch
    die niedrigen Kronen, und ungeheure Rauchwolken
    stiegen auf, die fast die Sonne verdunkelten. Im Zu-
    rückeilen nach dem angesteckten Hofe benahm uns
    die Hitze schon den Atem, und wir liefen Gefahr, er-
    stickt zu werden. Ich wollte die Mannschaften zu
    gemeinschaftlicher Hilfe zusammenrufen, aber zer-
    streut irrten sie hierhin und dorthin, und mein Ruf
    ging unter in dem unheimlichen Toben der Feuer-
    masse.
    Da stieg aus dem Brunnen unser alter ›Maulwurf‹,
    Maurer Franke, hervor, der einzige, der auch jetzt
    wieder Geistesgegenwart genug besaß, um auf ein
    rettendes Mittel zu verfallen. Er wies, ohne ein Wort
    zu sprechen, auf die vier Gespanne Pferde hin, die
    weit weg auf dem Felde pflügten. In der Tat, wenn

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    überhaupt noch eine Möglichkeit da war, die königli-
    che Forst zu retten, so konnten es nur diese tun. In wenigen Minuten waren sie herbeigeholt und jetzt
    mit ihnen in Carrière nach der Feuergrenze, wo sie's
    möglich machten, auf dem verhängnisvollen Streifen
    einige tiefere Furchen zu ziehen. Welche Spannung!
    Ich allein war der Betroffene. Niemand ahnte die
    volle Verantwortlichkeit, in der ich schwebte. Vor mir
    20 000 Morgen Forst ausgedörrt vom heißen Som-
    mer, und hinter mir das heranwälzende Feuermeer,
    das schon einen Umfang von 300 Morgen einnahm.
    Ich stürzte zurück nach der Baracke, um auf einem
    dort untergebrachten Reitpferde nach der Stadt zu
    jagen, um Hilfe zu holen. Aber – neue Entmutigung!
    Einige jener Neugierigen, die des Schauspiels halber
    herbeigekommen waren, hatten sich ohne weiteres
    mit dem Reitpferde aus dem Staube gemacht.
    Wirr und verworren lief alles aneinander vorüber.
    Außer meinen Leuten, die von Hunger, Durst und
    Hitze erschöpft waren, war niemand mit Rettungsin-
    strumenten da. Der gefürchtete Moment kam in der
    Tat immer näher, schon war der Waldsaum erreicht,
    und der Sturm begann bereits die Flammen in die
    königliche Forst hineinzuschleudern. Die helle Ver-
    zweiflung faßte mich, meine Kräfte waren hin, und
    die Phantasie stellte mir das entsetzliche Bild vor
    Augen: das Resultat einer vierzigjährigen rastlosen
    Tätigkeit meines Vaters mit einem Schlage vernichtet
    zu sehen! Vernichtet war ich selber.
    Aber dieser schlimmste Moment war auch die Ret-
    tung. Die Nachricht von dem Geschehenen war in-

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    zwischen nach Ruppin gelangt, alle Sturmglocken
    gingen, und durch öffentlichen Ausruf ward ange-
    kündigt, ›daß jedes Haus zwei arbeitsfähige Männer
    zu stellen habe‹. Die ganze Stadt war auf den Bei-
    nen, die Dörfer nicht minder, und alles, was Wagen
    und Pferde hatte, machte sich auf, um der bedrohten
    Stätte zuzueilen. Schon sah ich die Menschen mit
    überladenen Wagen, Spritzen und Wassertonnen
    vom Kuhburgsberge herunterfliegen, als mir, auch
    von der anderen Seite her, die Nachricht kam, ›das
    Feuer ist bewältigt‹. Es war so. Mit einiger Ruhe
    konnten wir jetzt dem letzten Akte des Schauspiels
    zusehen und wahrnehmen, wie die mehr und mehr in
    sich selbst erstickenden Flammen ihren dunklen
    Rauch über die Tannen lagerten. War es die Windstil-
    le, die plötzlich eingetreten, oder waren es die Wei-
    sungen des alten Brunnenmachers, gleichviel, die
    Forst war gerettet und mit ihr mein Vermögen.«

    Alle diese Vorgänge fielen in den Spätsommer 1857.
    Katastrophen ähnlicher Art brachen von jenem Zeit-
    punkt ab nicht mehr herein; Wasser war gewonnen,
    der Boden urbar gemacht, und das Unternehmen
    begann innerhalb der gehegten Erwartungen, ja über
    diese hinaus zu prosperieren, nicht zu kleinstem Tei-
    le deshalb, weil man den Mut hatte, nicht nach be-
    rühmten Mustern und überkommener Weisheit, son-
    dern in einer Art Opposition vorzugehn. In allem gab
    der »common sense« den Ausschlag. Man wollte
    nicht Pendant zu Vorhandenem, sondern das Gegen-
    stück dazu sein. Parole wurde:

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