Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
war schließlich einsichtig genug, in
    dieser Frage nachzugeben. Ich packte also meinen
    Koffer und ging auf zwei Jahre nach Paris. Während
    der ersten Monate flanierte ich, um die Weltstadt
    kennenzulernen, in den Straßen umher, dann nahm
    ich eine Stellung in einem kaufmännischen Geschäft
    an und wurde meines Fleißes halber belobt, während
    man mir das ausbedungene Gehalt schuldig blieb.
    Meine Kollegen lachten darüber und sagten: ›Monsi-
    eur, vous avez travaillé pour le roi de Prusse.‹ Bald
    danach trat ich, um's besser zu haben, in ein spani-
    sches Kommissionshaus ein. Als aber infolge der
    ausbrechenden Februarrevolution (1848) alle Ge-
    schäfte zu stocken begannen, gab ich auch diese
    Stellung wieder auf und zog es vor, eine Reise nach
    dem südlichen Frankreich, nach Spanien und Algier
    zu machen. Bei dem Wiedereintreffen in Paris fand
    ich Briefe vor, die mich in die Heimat zurückberiefen,
    und vom Sommer 1848 an war ich wieder in Ruppin.
    Es folgten diesem ersten großen Ausfluge noch ver-
    schiedene Reisen, aber alle waren von kürzerer Dau-
    er. So war ich beispielsweise Anfang der fünfziger
    Jahre verschiedentlich in Wien und Venedig und
    1855 ein halbes Jahr lang in England, bis ich mich
    das Jahr drauf mit Helene Campe, Tochter des Buch-
    händlers Julius Campe zu Hamburg (Verleger Hei-
    nes), verlobte. Mein Papa, als er mich zur Verlo-
    bungsfeier nach Hamburg begleitete, schmeichelte
    sich damit, in meinem Schwiegervater einen wohlha-
    benden Mann gewonnen zu haben, von dessen Ver-
    mögen mir sofort ein erheblicher Bruchteil zufallen

    795
    würde. Beide alte Herrn unterhielten sich dann auch
    über diesen Punkt und suchten sich auszuhorchen.
    ›Was geben Sie Ihrem Sohne mit?‹ fragte Campe.
    ›50 000 Taler‹, antwortete mein Papa und erwartete
    eine Gegenerklärung von ungefähr derselben Höhe.
    Campe aber antwortete nur: ›Wohl Ihnen.‹
    Und dabei blieb es. 4000 Taler abgerechnet, die mir
    mein Schwiegervater zur Bestreitung der Aussteuer,
    unmittelbar nach der Trauung, in die Hand drückte.
    Glücklicherweise zog ich mit meiner Heirat, auch
    ohne besondere Legitimierung von seiten meines
    Schwiegervaters, ein glückliches Los. Meine Frau
    hatte, unter häuslichen Tugenden, auch den Vorzug
    einsichtsvoller Klugheit und die Fähigkeit, sich in die Verhältnisse der neuen Familie zu schicken. Aus unserer Ehe wurden uns vier Kinder geboren.
    1857 übernahm ich das alte Geschäft in der Stadt,
    das ich von diesem Zeitpunkt an selbständig leitete.
    Vier Monate des Jahres befand ich mich in der Regel
    auf Reisen, um die nötigen Einkäufe zu machen, war
    ich aber wieder daheim, so langweilte mich der ›Ver-
    kauf im einzelnen‹, und das sogenannte ›Ladenge-
    schäft‹ sagte mir gradesowenig zu wie vordem. Auch
    das kleine Ruppiner Leben war durchaus nicht nach
    meinem Sinn, lauter Dinge, die sich erst zum Bes-
    sern kehrten, als mich der Wandel der Zeiten in grö-
    ßere kaufmännische Verhältnisse führte: Kapitals-
    Assoziationen fanden statt, und eine der großen

    796
    Gründerepoche der siebziger Jahre voraufgehende
    Aktienschwindelzeit brach gerade damals an. In sich
    verwerflich genug. Aber so verwerflich diese Zeit und
    ihre Manipulationen sein mochten, ja, mit so großen
    Verlusten sie für mich verknüpft waren – das ganze
    kaufmännische Leben erschien mir doch plötzlich in
    einem neuen Licht, und wenn mich früher das Klein-
    liche gelangweilt und auch angewidert hatte, so war
    jetzt etwas da, was mich interessierte, was Gedan-
    ken und Spekulationen in mir anregte. Mit den grö-
    ßeren Summen, die mir trotz und inmitten meiner
    Verluste doch immer reichlich wieder zu Händen ka-
    men, ermöglichten sich Unternehmungen der man-
    nigfachsten Art, Ankäufe kamen zustande, und große
    und kleine Liegenschaften, teils in Nähe, teils in
    mehrmeiliger Entfernung von Ruppin, wurden erwor-
    ben, was schließlich dahin führte, daß wir, mein Va-
    ter und ich, eine halbe Quadratmeile Torf- und Wie-
    senterrain im Wustrauschen und im Rhin-Luch besa-
    ßen, ja, uns bald danach sogar in der Lage sahn, ein
    mit einigen fruchtbaren Ackerstreifen durchsetztes
    Stück Sandland von nicht unbeträchtlichem Umfang
    anzukaufen. Dies waren die nach Rheinsberg hin
    gelegenen ›Kahlenberge‹, die, nach ihrer Umgestal-
    tung in Acker-, Forst- und Weideland, den Namen
    Gentzrode1) und ein oder zwei Jahrzehnte später so-
    gar die Rittergutsqualifikation empfingen.«
    Soweit die

Weitere Kostenlose Bücher