Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Heidekraut drauf
    wuchsen, und an dieser Wüste vorbei (wenn nicht
    querdurch, was auch vorkam) wanderten wir bis an
    die ›Räuberkute‹, die wir schon um ihres Namens
    willen liebten und der nur leider die Räuber fehlten.
    Mitten im Sande begegneten wir dann plötzlich ei-
    nem Sumpfloch mit wilden Enten drauf, nach denen
    wir vom Ufer her mit Steinen warfen, bis sie weiter-
    flogen oder niedertauchten. Hinter der ›Räuberkute‹
    lief dann, die sogenannte Schwedenschanze durch-
    schneidend, ein alter Weg auf die Neue Mühle zu.
    Dies war der Ausflug, den wir am häufigsten mach-
    ten, am liebsten aber war uns der Weg am Klapp-
    graben hin und dann über diesen fort bis zu den mit
    Eichen und Buchen bestandenen ›drei Wällen‹, die
    wohl auf 1000 Schritt die Grenze zwischen der Stor-
    becker und Kränzliner Feldmark ziehen und den Ein-
    gang zu einem prachtvollen Eichenkamp, der der
    ›Blecherne Hahn‹ hieß, bildeten, eine landschaftlich
    reizende Partie mit Baumgruppen, wie sie sich, was
    unsere Grafschaft angeht, kaum noch auf dem schö-

    792
    nen Ruppiner Wall und im Forstrevier ›Pfefferteich‹
    vorfinden. Ja, nach dem ›Blechernen Hahn‹ hin, wo
    sich eine Meierei mit Milchwirtschaft befand, das war
    ein beliebter Ausflug, und nur eines gab es, was
    noch darüber hinausging, das war ein in der Nähe
    der Kahlenberge gelegenes Elsbruch, mit einem
    dunklen Wassertümpel in der Mitte, der den Namen
    der ›Gänsepfuhl‹ führte. Das war harmlos genug, es
    war aber die unheimlichste Stelle in der ganzen Ge-
    gend, an die sich allerlei Spukgeschichten knüpften,
    Geschichten, deren Grusel noch wuchs, als es eines
    Morgens hieß, Uhrmacher Hettig und Ratsdiener Kal-
    le, die hier zu fischdieben und sich zu diesem Zwe-
    cke eines am Ufer liegenden alten Fischerkahnes zu
    bedienen pflegten, seien in der Nacht vorher auf dem
    Gänsepfuhl ertrunken. Ja, der Grusel wuchs, das
    muß ich wiederholen, aber ich kann nicht sagen, daß
    sich im übrigen ein mir zur Ehre gereichendes
    menschliches Mitgefühl mit eingeschlichen hätte,
    namentlich was den Ratsdiener Kalle betraf. Dieser
    nämlich war unser aller Feind, weil er uns, wenn wir
    uns auf eine städtische Wiese verirrten, um Schmet-
    terlinge zu fangen, immer abzufassen suchte, bei
    welcher Arbeit ich auch wirklich mal ergriffen und
    von ihm gepfändet worden war. Ich war jetzt naiv
    oder selbstsüchtig genug, in dem Tod, den er erlit-
    ten, eine gerechte Strafe für die mir widerfahrene
    Strenge zu sehn, und sympathisierte durchaus mit
    dem hämischen Fischer, der den am Ufer liegenden
    Kahn vorher durchlöchert und dadurch den Tod bei-
    der Inkulpaten herbeigeführt hatte. Daß Kalle neun
    Kinder hinterließ, änderte wenig in meinen Augen.
    Nichts Egoistischeres als ein halberwachsener Junge.

    793
    Sonderbarerweise kam der Elsbruch und mit ihm der
    gefürchtete Gänsepfuhl dreißig Jahre später in mei-
    nen Besitz, und als ich an die Urbarmachung des
    Bruches ging und den mit Kraut ganz durchwachse-
    nen Gänsepfuhl ausbaggern ließ, kam auch das Boot
    wieder ans Licht, darin Hettig und Kalle ihren Tod
    gefunden hatten, und ich sah nun deutlich die Lö-
    cher, die der Kahnbesitzer, um seine fischdiebenden
    Feinde zu vernichten, hineingebohrt hatte.
    Zehn Jahr alt, kam ich auf das Ruppiner Gymnasium
    und verließ es von Sekunda aus, um noch die Mag-
    deburger Handelsschule zu besuchen, denn es stand
    fest, daß ich für den Kaufmannsstand erzogen wer-
    den sollte. Jahr und Tag war ich in Magdeburg und
    kam dann in ein Stettiner Modewarengeschäft, um
    daselbst die Handlung zu erlernen. Es erging aber
    meinen Eltern mit mir nicht besser als mit meinem
    älteren Bruder Wilhelm: auch mir wollte das Kauf-
    männische, wenigstens in der Gestalt, in der es mir
    damals entgegentrat, nicht behagen, und alle meine Neigung richtete sich, wie bei meinem Bruder, auf
    die Kunst. Ich überwand mich aber und hielt aus. Als
    ich zwanzig Jahr war, wollt ich aus den engen Ver-
    hältnissen heraus und in die Welt hinein. Meine
    Sehnsucht war Paris, was meine Eltern veranlaßte,
    meinen Oheim, den in Neustrelitz wohnenden Rentier
    Voigt (einen Bruder meiner Mutter), nach Ruppin
    kommen zu lassen, um mich von meiner Reisesehn-
    sucht abzubringen. ›Der Junge geht ins Verderben‹,
    sagte Onkel Voigt, ›bringt ihn nach Wittstock. Was
    soll er in Paris? In Wittstock kann er was lernen.‹ Es
    half aber alles nichts, ich blieb bei meinem Willen,

    794
    und meine Mutter

Weitere Kostenlose Bücher