Wanderungen durch die Mark Brandenburg
ausgesprochenen
Absicht, die »Herren aus dem Süden« mit einer nor-
dischen Jagdszenerie, den verbleibenden deutsch-
preußischen Rest der Gesellschaft aber mit einer
nach der landwirtschaftlichen Seite hin ganz eigentümlichen Neuschöpfung (in manchem noch eigen-
tümlicher als der Fürst Pücklerschen in Muskau) be-
kanntzumachen.
Von dieser Neuschöpfung hab ich in nachstehendem
zu berichten.
Gentzrode liegt auf dem Plateau beziehungsweise am
Abhang einer Sanddüne, die seit unvordenklichen
Zeiten den Namen der »Kahlenberge«, ja, an einer
Stelle sogar des »Kranken Heinrich« führt, ein Ter-
rain ganz nach Art der 1848 historisch gewordenen
Berliner »Rehberge«: Sand und wieder Sand, von
nichts unterbrochen als von einem gelegentlichen
Büschel Strandhafer und jenen nesterartigen Lö-
chern, die die vordem hier zahlreichen Krähen aufzu-
kratzen pflegten. So waren die Rehberge, und so
waren auch die Ruppiner Kahlenberge, welche letzte-
ren, außerdem noch, in mittelalterlicher Zeit einen
aus Feldstein aufgemauerten Luginsland trugen, die
»Kuhburg«, von der aus ein Wächter nach allen Sei-
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ten hin Umschau hielt und Meldung machte, wenn
die »Quitzowschen« oder ihresgleichen, wie dies
mehrfach geschah, im Anzuge waren. Anfang dieses
Jahrhunderts existierten noch die Fundamente dieser
»Kuhburg«, und als neuerdings an der alten Turm-
stelle nachgegraben wurde, fand sich der Burg-
schlüssel einige Fuß tief im Sande. Das war 1855, in
welchem Jahre Johann Christian Gentz, über den ich
Seite 134 berichtet, diese Sanddüne (die »Kahlen-
berge«) gekauft hatte, von vornherein mit der Ab-
sicht, eine Oase daraus zu machen. Als er beim Gra-
ben den eben erwähnten Burgschlüssel fand, lächelte
er und sah darin eine Gewähr, daß diese Stelle nun
seine sein solle.
Die Kahlenberge, wie hervorgehoben, waren nur ein
Sandplateau; nichtsdestoweniger machte der Ankauf
dieses halb wertlosen Terrains (der Morgen wurde
anfangs nur mit sechs Taler bezahlt) große Schwie-
rigkeiten. Diese Schwierigkeiten entstanden daraus,
daß es Stadt land war, an dem viele Ruppiner Bürger strichweis ihren Anteil hatten, so daß beispielsweise
mit 118 Partnern verhandelt und ebensoviel Tausch-
verträge zustande gebracht werden mußten. Schließ-
lich waren einige tausend Morgen erworben, aber
ehe das Gesamtareal beisammen war, gingen die
zuerst erstandenen und bereits urbar gemachten
Teile schon wieder durch allerlei Prüfungen und Ge-
fahren.
Diese Gefahren waren Wassers- und Feuersnot .
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Was zunächst die Wassersnot angeht, so muß vorauf bemerkt werden, daß es keine Not durch , sondern eine Not um Wasser war.
Gleich in den ersten Jahren wurd es eine Lebensfrage
für Gentzrode, ob es möglich sein werde, das erfor-
derliche Wasser zu beschaffen. Man hatte bis dahin
nur einen Regentümpel, nur eine primitive Zisterne.
Damit war nichts zu leisten, und immer unerläßlicher
erwies sich die Herstellung eines Brunnens . Ein Ratszimmermeister wurde konsultiert und unterfing sich
endlich, die Sache wagen zu wollen. Ein halbes Hun-
dert Arbeiter ward angestellt, um ein trichterförmi-
ges Loch zu wühlen, das eine Tiefe von vierzig und
oben eine Weite von fünfzig Fuß hatte. Jedoch um-
sonst: kein Wasser kam, und der Ratszimmermeister
erklärte schließlich, »daß sein Rat und seine Weisheit
zu Ende seien«. Stafetten gingen nun nach Berlin,
um von dort her »höhere Meister« herbeizuholen.
Aber wie zu Zeiten einer Epidemie keine Ärzte zu
haben sind, so waren in jenem beispiellos trocknen
Sommer (1857) keine Brunnenmacher zu haben.
Von allen Seiten her waren dieselben Notschreie ge-
kommen, und in der Hauptstadt selbst stand es
kaum besser. So blieb denn Gentzrode auf seine eig-
nen oder doch auf benachbarte Kräfte angewiesen.
Und sie fanden sich auch.
Ungerufen stellte sich ein kleiner, unansehnlicher
Mann ein, namens Franke, der aus Groß-Menz ge-
bürtig und seines Zeichens ein Maurergeselle war. Er
erbot sich, den Brunnen fertigzubauen. Wie begreif-
lich, fand er zunächst wenig Glauben und Vertrauen.
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»Er sieht aus wie ein Maulwurf«, sagte der alte
Gentz; »aber was soll uns das; Erde genug ist auf-
geworfen.« Franke ließ sich jedoch weder durch
scherzhafte noch durch ernstgemeinte Bemerkungen
aus der Fassung bringen und zeigte jedem Bedenken
gegenüber eine solche Sicherheit und Ruhe, daß
endlich beschlossen ward, ihn
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