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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Nur kein System!...

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    »Geld und Nüchternheit übernahmen hier von An-
    fang an die Gestaltung und Regelung des Ganzen,
    aber doch derartig eigentümlich, daß sich, innerhalb
    der nüchternsten Erwägungen, ein beständiger, ans
    Sublime streifender Hang zu Kalkül und Spekulation
    zu erkennen gab. Wie Rechner und Schachspieler
    phantastisch werden können, wie's eine Trunkenheit
    des Verstandes gibt, ähnlich operierte man auch
    hier.« Jeder herkömmliche Satz wurde angezweifelt,
    eben weil er herkömmlich war, die Kritik wurde zum
    schöpferischen Element.
    Und die Devise jedes neuen Tags,
    Sie lautete: ich will es und ich wag's .
    Im Einklange damit war es, daß, allem Spott der
    Besserwisser zum Trotz, von Anfang an der eine Gedanke verfolgt wurde: den Ackerbetrieb, mit Rück-
    sicht auf den sterilen Boden, nach Möglichkeit zu
    beschränken und statt seiner, neben Maulbeerbaum-
    pflanzungen und Seidenzucht, den Brennereibetrieb
    und, als auch dieser, wie schon vorher die Seiden-
    zucht, versagte oder wenigstens nicht voll genügte,
    große Waldkulturen in Angriff zu nehmen. Dies ergab
    relativ glänzende Resultate, da man, von Anfang an,
    auf nur sehr mäßige Zinserträge gerechnet hatte.
    Verhältnismäßig rasch war aus der Anlage so viel
    geworden, daß die ehemaligen »Kahlenberge« als
    eine märkische Musterwirtschaft angesehen wurden.
    Ackerfelder zogen sich in breiten Flächen über das
    Plateau hin, desgleichen frische Wiesen am Fuße
    desselben, überall aber, den Abhang hinab und dann

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    eingemustert in die Schläge, wuchsen Schonungen
    auf und bedeckten eine ziemlich bedeutende Fläche
    mit jungen Eichen, Birken und Buchen. Aus dem Mit-
    telpunkt dieser Neuschöpfung aber erhob sich, quad-
    ratisch, ein Komplex von Wirtschaftsgebäuden, hoch
    von Schornsteinen überragt, deren Rauchfahnen weit
    ins Land hinein die Wandlung verkündeten, die sich
    an dieser Stelle vollzogen hatte. Dem entsprachen
    auch die mittlerweile herangezogenen Arbeitskräfte.
    Drei Inspektoren waren da, samt vielen Knechten
    und Mägden, alles in allem 116 Menschen, an einer
    Stelle, wo, seit dem Hinsterben des letzten Turm-
    wächters auf der »Kuhburg«, kein menschlich Wesen
    mehr gelebt hatte. Der schönste Moment aber war
    der, als das erste Kind, ein Junge, auf dieser Stelle
    geboren wurde, was den alten Gentz das stolze Wort
    sprechen ließ: »Er ist der erste hier, er soll Adam heißen.«
    Alles war in gutem Stand und Gedeihen, als Johann
    Christian Gentz, zwölf Jahre nach der Begründung,
    starb.
    2. Vom Tode des alten Johann
    Christian Gentz (1867) bis zum
    Bau des Gentzroder Herrenhau-
    ses 1877
    Am 4. Oktober 1867 war der alte Gentz gestorben
    und vorläufig, bis zur endlichen Ausführung eines für
    Gentzrode geplanten Mausoleums, auf dem alten

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    Ruppiner Kirchhof am Wall beigesetzt worden. Sein
    jüngster Sohn Alexander trat nach erfolgter Vermö-
    gensauseinandersetzung mit seinem älteren Bruder
    Wilhelm, dem Maler, das Gesamterbe an, das aus
    folgenden Hauptstücken bestand:
    aus dem Stadthaus samt Laden- und Bankgeschäft,
    aus dem sogenannten »Tempelgarten« samt Tempel
    vorm Tempeltor,
    aus dem Torfgeschäft im Luch, und viertens und
    letztens
    aus Gentzrode,
    welchem letzteren der neue Besitzer von Anfang an
    seine volle Hingabe widmete. Bevor ich indessen
    erzähle, wie diese speziell Gentzrode zugute kom-
    mende Hingabe sich äußerte, geb ich, als Einleitung,
    eine biographische Skizze des neuen Besitzers bis zu
    dem Zeitpunkt der Gutsübernahme. Bei der Skizze
    selbst aber folge ich Alexander Gentz' eigenen Auf-
    zeichnungen.

    Alexander Gentz
    »Ich wurde«, so schreibt er, »am 14. April 1825 ge-
    boren, und zwar als der jüngste von vier Brüdern,
    die, von frühester Kindheit an, sämtlich lebhaften

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    Geistes und von gleicher Neigung beseelt waren, sich
    in freier Natur herumzutummeln, um Pflanzen, Käfer,
    Vogeleier und Schmetterlinge zu sammeln. Ein Ele-
    mentarlehrer, der Weißbauer hieß und trotz eines
    mehr als bescheidenen Gehalts von nur 120 Talern
    sich eine wundervolle Pflanzen- und Insektensamm-
    lung angelegt hatte, wußte durch Exkursionen, auf
    denen wir ihn begleiten durften, unsren Eifer für na-
    turwissenschaftliche Dinge zu steigern. Es ging meis-
    tens auf Alt Ruppin zu bis an den Molchow-See. Die
    weite Sandfläche – von kleinen Hügeln unterbrochen,
    mit denen der Wind spielte – war so tot und öde, daß
    nicht einmal Fichtengestrüpp oder

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