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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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gewähren zu lassen.
    Er wurde nun in eine Baracke einlogiert, erwies sich
    hier mit allem zufrieden und imponierte zunächst
    wenigstens durch Anspruchslosigkeit. Aber schon
    nach einigen Tagen überraschte die Kunstfertigkeit,
    mit der er zu Werke ging. Er hatte die Methode des
    »Senkens«, die die Ruppiner noch nicht kannten und
    die, wenn ich richtig verstanden habe, dem »Mit dem
    Kasten vorgehn« der Mineure oder der Anwendung
    des »Wolfs« oder Eisenwagens entsprach, mit des-
    sen Hilfe beispielsweise der Tunnel in London gebaut
    wurde. Vortreiben, ausgraben und wieder vortreiben.
    Die vorgetriebene Eisenwandung (so wenigstens
    beim Tunnelbau) bildet den jedesmaligen Schutz für
    den Grabenden, während das hinter ihm liegende
    Stück ausgemauert wurde.
    Gentzrode war in jenen Tagen, fast mehr noch als
    später, eine Sehenswürdigkeit, und es machte wirk-
    lich einen spukhaften Eindruck, den kleinen Mann,
    bei Grubenlicht, wie einen Erdgeist in der Tiefe han-
    tieren zu sehen. Einer rief hinunter: »Wenn dich der
    Teufel geholt hat, so decke den Brunnen zu.« Dieses
    letztere wurde aber nicht nötig, weil das erstere
    nicht geschah; Franke erreichte vielmehr in vier Wo-
    chen angestrengter Arbeit den Wasserspiegel. Er lag

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    sechsundfünfzig Fuß tief. Und mit neuem Mute setzte
    der »Maulwurf« nunmehr seine Arbeit fort.

    Lassen wir ihn zunächst in seiner Tiefe, daraus wir
    ihn erst in einem neuen kritischen Momente wieder
    werden emporsteigen sehen. Denn seltsam, ebendie-
    sem kleinen Manne war es auch vorbehalten, die
    zweite, größere Not, die Gentzrode zu bestehen hatte, zu beseitigen oder wenigstens, allen andern vor-
    auf, an ihrer Beseitigung mitzuwirken. Er hatte das
    Wasser gefunden. Das zweite, was er tat, war: er hielt den Lauf des Feuers auf.
    Die Geschichte davon zwingt uns, auf eine Zeit vor
    dem erst in Sicht stehenden Abschluß der Brunnen-
    arbeiten zurückzugehn.
    Ein großer Teil des Gentzroder Gutsareals, nament-
    lich aber die der königlichen Forst zu gelegenen Re-
    viere, waren mit Heidekraut überdeckt. Erlaubnis war nachgesucht worden, dies Heidekraut abbrennen zu
    dürfen, die Regierung hatte die nötige Zustimmung
    gegeben, und das in Frage kommende Terrain war in
    zwei Hälften, in eine Hälfte links und in eine andre
    rechts der Wittstocker Straße, geteilt worden. Mit der
    einen Hälfte hatte man begonnen, und bereits Ende
    August war unter Innehaltung aller üblichen Vor-
    sichtsmaßregeln der Heidekrautbrand gefahrlos und ohne jeden Zwischenfall ausgeführt worden. Dies
    war zur Linken. Vier Wochen später sollte mit der
    Rechtshälfte vorgegangen werden.

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    Diese vier Wochen waren jetzt um, und wie her-
    kömmlich in Blättern angezeigt wird: »Am heutigen
    Tage finden Schießübungen statt« oder »Auf dem
    Glacis werden Sprengungen vorgenommen«, so
    stand auch im »Ruppiner Anzeiger«: »Am
    27. September wird auf der Strecke rechts vom
    Wittstocker Wege das Gentzroder Heidekraut nieder-
    gebrannt.« Eine Warnung und eine Festankündigung
    zu gleicher Zeit, denn eine große Zahl von Personen
    fand sich ein, um dem Schauspiele beizuwohnen.
    Bei Beschreibung der nun folgenden Szene laß ich
    den Hauptbeteiligten (Alexander Gentz, auf den ich
    weiterhin zurückkomme) selber sprechen:
    »Es war neun Uhr früh am genannten Tage (27.), als
    ich, in Begleitung einiger Freunde, von Ruppin her in
    Gentzrode eintraf. Ein leiser Wind blies bei unbe-
    wölktem Himmel über die Kahlenberge hin. Alles ge-
    währte einen heitern Anblick; jeder war an seinem
    Platze, die Zuschauer erwartungsvoll. Wir nahmen
    also die bereitgehaltenen Fackeln zur Hand, und oh-
    ne uns lange bei der Frage aufzuhalten, wo's wohl
    am geratensten sei, anzufangen, gingen wir umge-
    kehrt davon aus: ›Die nächste Stelle, die beste.‹ So
    denn die Fackeln hinein, und im Nu stand eine Hei-
    destrecke von 300 Schritt in Brand. Noch fünf Minu-
    ten, und das Feuer fing bereits an, uns Bedenken zu
    machen, denn der Wind war heftiger geworden. Jetzt
    erst kam mir der Gedanke, mich auch zu vergewis-
    sern, ob seitens meines Inspektors der vorschrifts-
    mäßige Sicherheitsstreifen gezogen sei. Wir waren alle wie vom Teufel des Leichtsinns besessen gewe-785
    sen. Die gesetzliche Vorschrift, die vier Wochen vor-
    her aufs genaueste befolgt worden war, forderte mit
    Recht einen zwanzig Ruten breiten, tief umgepflüg-
    ten Streifen zwischen dem abzubrennenden Heide-
    land und dem weiten Forstbestande

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