Wanderungen durch die Mark Brandenburg
gewähren zu lassen.
Er wurde nun in eine Baracke einlogiert, erwies sich
hier mit allem zufrieden und imponierte zunächst
wenigstens durch Anspruchslosigkeit. Aber schon
nach einigen Tagen überraschte die Kunstfertigkeit,
mit der er zu Werke ging. Er hatte die Methode des
»Senkens«, die die Ruppiner noch nicht kannten und
die, wenn ich richtig verstanden habe, dem »Mit dem
Kasten vorgehn« der Mineure oder der Anwendung
des »Wolfs« oder Eisenwagens entsprach, mit des-
sen Hilfe beispielsweise der Tunnel in London gebaut
wurde. Vortreiben, ausgraben und wieder vortreiben.
Die vorgetriebene Eisenwandung (so wenigstens
beim Tunnelbau) bildet den jedesmaligen Schutz für
den Grabenden, während das hinter ihm liegende
Stück ausgemauert wurde.
Gentzrode war in jenen Tagen, fast mehr noch als
später, eine Sehenswürdigkeit, und es machte wirk-
lich einen spukhaften Eindruck, den kleinen Mann,
bei Grubenlicht, wie einen Erdgeist in der Tiefe han-
tieren zu sehen. Einer rief hinunter: »Wenn dich der
Teufel geholt hat, so decke den Brunnen zu.« Dieses
letztere wurde aber nicht nötig, weil das erstere
nicht geschah; Franke erreichte vielmehr in vier Wo-
chen angestrengter Arbeit den Wasserspiegel. Er lag
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sechsundfünfzig Fuß tief. Und mit neuem Mute setzte
der »Maulwurf« nunmehr seine Arbeit fort.
Lassen wir ihn zunächst in seiner Tiefe, daraus wir
ihn erst in einem neuen kritischen Momente wieder
werden emporsteigen sehen. Denn seltsam, ebendie-
sem kleinen Manne war es auch vorbehalten, die
zweite, größere Not, die Gentzrode zu bestehen hatte, zu beseitigen oder wenigstens, allen andern vor-
auf, an ihrer Beseitigung mitzuwirken. Er hatte das
Wasser gefunden. Das zweite, was er tat, war: er hielt den Lauf des Feuers auf.
Die Geschichte davon zwingt uns, auf eine Zeit vor
dem erst in Sicht stehenden Abschluß der Brunnen-
arbeiten zurückzugehn.
Ein großer Teil des Gentzroder Gutsareals, nament-
lich aber die der königlichen Forst zu gelegenen Re-
viere, waren mit Heidekraut überdeckt. Erlaubnis war nachgesucht worden, dies Heidekraut abbrennen zu
dürfen, die Regierung hatte die nötige Zustimmung
gegeben, und das in Frage kommende Terrain war in
zwei Hälften, in eine Hälfte links und in eine andre
rechts der Wittstocker Straße, geteilt worden. Mit der
einen Hälfte hatte man begonnen, und bereits Ende
August war unter Innehaltung aller üblichen Vor-
sichtsmaßregeln der Heidekrautbrand gefahrlos und ohne jeden Zwischenfall ausgeführt worden. Dies
war zur Linken. Vier Wochen später sollte mit der
Rechtshälfte vorgegangen werden.
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Diese vier Wochen waren jetzt um, und wie her-
kömmlich in Blättern angezeigt wird: »Am heutigen
Tage finden Schießübungen statt« oder »Auf dem
Glacis werden Sprengungen vorgenommen«, so
stand auch im »Ruppiner Anzeiger«: »Am
27. September wird auf der Strecke rechts vom
Wittstocker Wege das Gentzroder Heidekraut nieder-
gebrannt.« Eine Warnung und eine Festankündigung
zu gleicher Zeit, denn eine große Zahl von Personen
fand sich ein, um dem Schauspiele beizuwohnen.
Bei Beschreibung der nun folgenden Szene laß ich
den Hauptbeteiligten (Alexander Gentz, auf den ich
weiterhin zurückkomme) selber sprechen:
»Es war neun Uhr früh am genannten Tage (27.), als
ich, in Begleitung einiger Freunde, von Ruppin her in
Gentzrode eintraf. Ein leiser Wind blies bei unbe-
wölktem Himmel über die Kahlenberge hin. Alles ge-
währte einen heitern Anblick; jeder war an seinem
Platze, die Zuschauer erwartungsvoll. Wir nahmen
also die bereitgehaltenen Fackeln zur Hand, und oh-
ne uns lange bei der Frage aufzuhalten, wo's wohl
am geratensten sei, anzufangen, gingen wir umge-
kehrt davon aus: ›Die nächste Stelle, die beste.‹ So
denn die Fackeln hinein, und im Nu stand eine Hei-
destrecke von 300 Schritt in Brand. Noch fünf Minu-
ten, und das Feuer fing bereits an, uns Bedenken zu
machen, denn der Wind war heftiger geworden. Jetzt
erst kam mir der Gedanke, mich auch zu vergewis-
sern, ob seitens meines Inspektors der vorschrifts-
mäßige Sicherheitsstreifen gezogen sei. Wir waren alle wie vom Teufel des Leichtsinns besessen gewe-785
sen. Die gesetzliche Vorschrift, die vier Wochen vor-
her aufs genaueste befolgt worden war, forderte mit
Recht einen zwanzig Ruten breiten, tief umgepflüg-
ten Streifen zwischen dem abzubrennenden Heide-
land und dem weiten Forstbestande
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