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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Châ-
    teau-Weine, das lange Lagern indes, zu dem die
    wirtschaftlichen Normen des Alten die reichste Gele-
    genheit geboten hatten, hatte zur Aufbesserung we-
    nigstens das möglichste getan und immerhin etwas
    Trinkbares hergestellt. Was nicht an Ort und Stelle
    ausgetrunken wurde, nahm man in Park und Garten
    mit hinauf, und als die letzte Flasche leer war, be-
    gann ein Singen und allgemeines Verlangen nach
    den Dorfmusikanten, die glücklicherweise nicht ka-
    men und den Begräbnistag des letzten Wustrauer
    Zieten davor bewahrten, in einem bal champêtre
    sein Ende zu finden. Endlich erschienen aus der
    Stadt herbeigerufene Polizeisergeanten und räumten
    den Park, denselben Park, den der Alte (die beste
    Tat seines Lebens) mit soviel Liebenswürdigkeit
    durch zwei Menschenalter hin zur Verfügung des
    Ruppiner Volks gestellt hatte. Mit Kraftliedern und
    Zechgelagen war ihm heute der ›Dank des Volkes‹
    dafür abgestattet worden.«

    827
    So der Teil des A. Gentzschen Manuskripts, der sich
    mit den Personen und Zuständen einer um mehr als
    dreißig Jahre zurückliegenden Epoche beschäftigt.
    Alle, die genannt wurden, sind längst vom Schau-
    platz abgetreten, vielfach auch schon wieder ihre
    Kinder. Trotzdem wird es nicht ausbleiben, daß sich
    einzelne durch gegen den Vater oder Großvater ge-
    richtete Spöttereien unangenehm berührt fühlen.
    Auch das über den alten Grafen Zieten Gesagte wird
    einer Beanstandung in einzelnen Gesellschaftskreisen
    nicht entgehn. Allen aber möcht ich aus einer langen
    literarischen Erfahrung zurufen dürfen: Wer solche
    Quellen aus Familienrücksichten absperren will, der
    steht nicht bloß der historischen Forschung (zu deren
    vorzüglichsten Objekten auch das Studium des Klein-
    lebens gehört), sondern vor allem auch sich selbst und den Seinen im Lichte. Das protestantische Volk
    verlangt keine Heiligen, eher das Gegenteil; es ver-
    langt Menschen1), und alle seine Lieblingsfiguren:
    Friedrich Wilhelm I., der große König, Seydlitz, Blü-
    cher, Yorck, Wrangel, Prinz Friedrich Karl, Bismarck,
    sind nach einer bestimmten Seite hin, und oft nach
    mehr als einer Seite hin, sehr angreifbar gewesen.
    Der Hinweis auf ihre schwachen Punkte hat aber
    noch keinem von ihnen geschadet. Gestalten wie
    Moltke bilden ganz und gar die Ausnahme, weshalb
    auch die Moltke-Begrüßung vorwiegend eine Moltke-
    Bewunderung ist und mehr aus dem Kopf als aus
    dem Herzen stammt.

    828
    1. Wir lieben nur das Individuelle «, schreibt der in allem recht behaltende Goethe. »Daher«
    (so fährt er fort) »unsere große Freude an
    Bekenntnissen, Memoiren, Briefen und Anek-
    doten abgeschiedener, selbst unbedeutender
    Menschen.« Und er hätte hinzusetzen können,
    auch solcher »of a questionable shape«.

    4. Vom Bau des Gentzroder Her-
    renhauses 1877 (?) bis zum
    Mai 1880. Der Krach. Der Prozeß.
    Alexander Gentz' Übersiedelung
    nach Stralsund. Sein Tod. Versuch
    einer Charakteristik seiner selbst
    und seines Prozesses
    Als Alexander Gentz an seiner »Geschichte der Er-
    werbung« von Gentzrode schrieb, stand er, um es zu
    wiederholen, auf der Höhe seines Glücks. Er hatte
    den vollen Glauben an sich und seinen Stern, und
    der Gedanke lag ihm fern, daß eine Wendung der
    Dinge je kommen, ihn niederwerfen und demütigen
    könne. Gegen Warnerstimmen, an denen es nicht
    fehlte, war er taub, wie jeder in gleicher Lage – der
    Glückswagen, der ihn trug, mußte sein Ziel erreichen
    oder in Stücke gehn. Ein Aufhalten gab es nicht.
    Und so kam die Katastrophe.

    829
    Über die dieser Katastrophe voraufgehende Zeit liegt
    nur ein kurzer Bericht vor, dem ich folgendes ent-
    nehme.
    »... Gentzrode wuchs; Wiesen waren neuerdings er-
    worben worden, und die Bäume gediehen noch über
    Erwarten hinaus, so daß in den Gründerjahren viele
    Tausende davon verkauft werden konnten. Ausfälle,
    die trotzdem eintraten, konnten durch die reichen
    Torfsticherträge leicht gedeckt werden. A. Gentz ver-
    folgte rastlos den Plan einer allgemeinen Arrondie-
    rung seines Besitzes, sowohl seiner Äcker in Gentz-
    rode wie seiner Torfgräbereien im Luch. Die Leute
    nannten ihn den ›alten Blücher‹, in Anerkennung der
    Energie, mit der er alles durchführte, was er sich
    vorgesetzt hatte. Die meisten Kämpfe, deren es vie-
    le, sowohl mit den Konkurrenten wie mit der Regie-
    rung, gab, kostete das Luch, an dessen wachsenden
    Erträgen alles hing. Und diese Kämpfe wurden im
    ganzen genommen siegreich geführt.

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