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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Lebens durch e-
    bendieselbe sprechen lassen, wenn er nicht, trotz
    alledem, sein Leben bis auf sechsundachtzig Jahre
    gebracht hätte. Am 29. Juni 1854 starb er nach län-
    gerem Krankenlager.«
    Etwa eine Woche später war das Begräbnis, und mit
    einer Gentzschen Schilderung desselben möcht ich
    diese Graf-Zieten-Skizze schließen.
    »An Beteiligung war kein Mangel, ja, es waren mehr
    Personen zugegen, als eigentlich Anspruch darauf
    hatten. Zunächst fehlte kein Edelmann und Ritter-
    gutsbesitzer aus dem ganzen Ruppiner Kreise; das
    war selbstverständlich. Aber auch das Bürgertum,
    das ›Volk‹, machte sich auf den Weg, und die nach
    Wustrau führende große Straße war schon in aller
    Frühe von schwarzgekleideten Trauergästen belebt.
    Wer keinen Wagen hatte, ging zu Fuß, und so sah ich

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    Ruppiner Damen aus den oberen Ständen, die nur
    zur Befriedigung ihrer Neugier die kleine Fußreise
    (fünfviertel Meilen) machten. Endlich erschien auch
    die Ruppiner Schützengilde mit Epauletts und Tres-
    sen und goldgesticktem Kragen. Jeder sah aus wie
    ein Major. Überhaupt war, wenn ich von den ange-
    schimmelten Kasimirhosen einiger Landstandsmit-
    glieder absehe, kein Mangel an glänzenden Unifor-
    men, besonders an Husarenuniformen, unter denen
    eine von altertümlichem Schnitt (wahrscheinlich aus
    der Zeit unmittelbar vor 1806) am meisten Bewun-
    derung fand. Es war ein alter weißköpfiger von Bre-
    dow, der sie trug.
    Alles versammelte sich zunächst vor dem Schloß und
    hatte, bei der besonders starken Hitze, die herrschte,
    durchaus kein Verlangen, in das Schloß hinein und in
    die Nähe des Toten zu kommen. Aber endlich war es
    nicht länger hinauszuschieben, und da standen wir
    nun – auch die ›Honoratioren‹ hatten Zutritt – am
    Sarge, zu dessen Häupten die von Tassaerts Meis-
    terhand herrührende Portraitbüste seines Vaters, des
    alten, berühmten Zieten, aufragte. Daneben stand
    der Prediger und hob seinen Sermon an, und wer
    nicht wußte, daß es der Sohn sei, der hätte glauben
    müssen, es sei der Vater. Der Sohn aber, wenn er
    hätte sprechen können, hätte mit seiner scharfen
    Stimme gerufen: ›Du lügst‹, denn wie schwach es
    mit des alten Grafen Tugenden auch stehn mochte,
    von einer Sünde war er frei, von der der Heuchelei.
    Ganz ein Kind des vorigen Jahrhunderts, in dessen
    Aufklärungsjahrzehnte seine Jugend fiel, war er voll
    Haß gegen die Kirche und voll Spott gegen ihre Die-

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    ner. Das letzte der ganzen Szene war ein Akt des
    Heroismus: die Wustrauer Bauern nämlich, ohne sich
    mit der vom Mittelalter überkommenen Zitrone be-
    wehrt zu haben, traten heran, luden den Sarg auf
    ihre Schultern und trugen ihn bis zu der Begräbnis-
    stätte, die der Alte sich sorglich vorher bereitet hat-
    te.
    Gesang und Gebet. Dann aber war alles beflissen –
    denn jeder sehnte sich nach Imbiß und Stärkung –,
    vom Kirchhofe wieder nach dem Schlosse zurückzu-
    kehren, in dessen mit den Portraits der ehemaligen
    Offiziere des Zietenschen Husarenregiments ge-
    schmücktem großen Saal man mittlerweile Tische
    gestellt und die Tafel gedeckt hatte, gedeckt mit ei-
    nem Gefühl für Repräsentation, ja mit einer Opulenz,
    die diese Räume seit länger als einem halben Jahr-
    hundert nicht mehr gesehen hatten. Dieser Opulenz
    entsprach denn auch der Bravourangriff auf die Fla-
    schenbatterie, der einige der Jüngeren, bei der emi-
    nenten und fortgesetzten Energie des Angriffs, zu
    erliegen drohten.
    Und jetzt war es denn auch, daß von unten her der
    Ruf in den Saal drang: ›Wir haben auch Hunger‹, ein immer lauter werdender Schrei, der von den vielen
    Hunderten ausging, die nicht eigentlich zu den Gela-
    denen zählten, inzwischen aber auf dem Rasenplatz
    vor dem Schloß und besonders auf der Rampe des-
    selben Aufstellung genommen hatten. Es wurden
    aufrichtig gemeinte Versuche gemacht das von au-
    ßen her um Brot schreiende Volk zu befriedigen, aber
    die besten Anstrengungen erlahmten an der Menge

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    derer, die forderten, und so kam es denn, daß, eh es
    möglich war, es zu hindern (auch fehlte wohl, weil
    man kein Ärgernis geben wollte, der Wille dazu), die
    draußen versammelte Menge von der Rampe her in
    das Schloß einbrach und durch einen feinen Instinkt,
    vielleicht auch durch die Lokalkenntnis eines einzel-
    nen geleitet, ihren Weg in den über Erwarten leidlich
    ausgestatteten Weinkeller nahm. Nun war dieser
    Keller sicherlich nicht die Stätte nennenswerter

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