Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Da, mit einem
Male, war es, trotz dieser Siege, mit den ›wachsen-
den Erträgen aus dem Luch‹ aus und dadurch mit
Gentzrode, ja mit dem Wohlstand der Familie vorbei.
Wie kam das? Der Torf war über Nacht außer Mode
gekommen. Alles brannte Steinkohlen oder Briquet-
tes, und selbst die Ziegeleien, die bis dahin, ein sehr wichtiger Punkt, die Konsumenten der sonst halb
wertlosen Torfabgänge gewesen waren, bauten ihre
Brennöfen um, um mit Hülfe dieser Neubauten die
Vorteil versprechende Mode mitmachen und Stein-
kohlen statt Torf verwenden zu können. Dies allein
hätte genügt, dem Gentzschen Geschäft, dessen so-
lide Grundlage der Torf war, einen tödlichen Schlag
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zu versetzen; zur Beschleunigung des Niederganges
aber stellten sich noch andere Schädigungen ein, die
freilich mit den veränderten Konjunkturen in einem
mehr oder weniger nahen Zusammenhange standen,
zum Teil direkt daraus resultierten. Ein Hauptwerk
Alexander Gentz' im Luch war die mit enormen Kos-
ten errichtete große Schiffahrtstraße nach Berlin, der
sogenannte Fehrbelliner Kanal samt dem Schwarzen
Graben. Alle fremden Kähne, soviel war ihm seitens
der Regierung als Ausgleich für das Geleistete zuge-
billigt worden, hatten, wenn sie die Wasserstraße
benutzten, unter dem Namen eines Schleusengeldes
einen Zoll an ihn zu zahlen, dessen Beträge zunächst
zur Verzinsung respektive Amortisierung des Anlage-
kapitals dienten. Es waren dies sehr beträchtliche
Summen, die sich infolge der plötzlich veränderten
›Konjunkturen‹ ebenfalls rasch herabminderten, so
daß a tempo zweierlei hinschwand oder doch ins
Schwinden kam:
die Torf gelder für den selbstproduzierten Torf und die Schleusen gelder für die Torfverschiffung der Mit-produzenten.
Aber auch dieser Doppelübelstand erschöpfte noch
nicht das Maß der Verlegenheiten. Eine dritte Schä-
digung kam noch hinzu: Der Sommer und Herbst 77
waren sehr regnerisch gewesen, so daß der im Luch
überall umherstehende, teils naß gewordene, teils
von Anfang an nicht recht ausgetrocknete Torf (der,
wie sich denken läßt eine sehr bedeutende Summe
repräsentierte) nicht verschifft, mithin auch das we-
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nige, was von Nachfrage da war, nicht einmal befrie-
digt werden konnte. Die Folge davon war, daß es
schon im Winter 77 auf 78 mit Gentz' Finanzlage
kritisch genug stand, bis sich ein Weg fand, dem
Unheil noch einmal zu steuern. Dies war durch Ver-
pfändung der gesamten Torfgräbereien mit Rück-
kaufsrecht. In der Tat nahm alles noch einmal einen
gewissen Aufschwung, zum mindesten war auf Jahr
und Tag hin ein Stillstand geschaffen. Aber schon am
25. Mai 80 hieß es abermals an der Berliner Börse:
›Gentz ist bankrutt.‹ Und diesmal war kein Einhalt zu
tun. Ein Konkursverwalter ward ernannt, der, um
›Verdunkelungen‹ vorzubeugen (es handelte sich um
Nachweis etwaiger Schuld aus den Geschäftsbü-
chern), Gentz' Verhaftung beantragte. Verschiedene
Verhöre vor dem Konkursrichter fanden statt, einem
vom Verteidiger gestellten Antrage auf Freilassung
wurde nicht Folge gegeben, und erst das Landgericht
hob in einer Sitzung die weitere Untersuchungshaft
auf. Diese Haft hatte zwölf Wochen und fünf Tage
gedauert.
Inzwischen schritt man zur Formulierung der Ankla-
ge, die schließlich auf Betrug in fünfunddreißig Fällen und außerdem auf einfachen Bankrutt lautete. Seit
Beginn der Untersuchungshaft waren bis zur Fertig-
stellung der Anklage beziehungsweise bis zur Einlei-
tung des Prozesses fast drei Jahre vergangen.
Vom 13. bis 15. Februar 83 fanden die Verhandlun-
gen statt. Einige fünfzig Zeugen waren geladen. Der
Tatbestand des Betruges war darin erkannt worden,
daß Gentz in der Zeit vom 1. Januar bis 4. Juni 80,
als angeblich schon eine Unterbilanz vorhanden war,
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noch zahlreiche Depositen angenommen habe. Nach
Ausweis seiner Bücher stellte sich jedoch heraus, daß
er am 1. Januar genannten Jahres noch eine Überbi-
lanz von 790 000 Mark gehabt. Damit fiel die Be-
trugsanklage zu Boden, während seine schließliche
Verurteilung zu vier Monaten Gefängnis auf einfa-
chen Bankrutt hin erfolgte, von welchem Strafmaß
die lange Untersuchungshaft in Abrechnung kam. Ein
Begnadigungsgesuch unterblieb, und die Strafe wur-
de angetreten. Als er wieder frei war, war er ein ge-
brochener Mann, gebrochen an Leib und Seele.
Trotzdem widerstand es ihm, in seiner Vaterstadt
das Feld ohne weiteres zu
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