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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Da, mit einem
    Male, war es, trotz dieser Siege, mit den ›wachsen-
    den Erträgen aus dem Luch‹ aus und dadurch mit
    Gentzrode, ja mit dem Wohlstand der Familie vorbei.
    Wie kam das? Der Torf war über Nacht außer Mode
    gekommen. Alles brannte Steinkohlen oder Briquet-
    tes, und selbst die Ziegeleien, die bis dahin, ein sehr wichtiger Punkt, die Konsumenten der sonst halb
    wertlosen Torfabgänge gewesen waren, bauten ihre
    Brennöfen um, um mit Hülfe dieser Neubauten die
    Vorteil versprechende Mode mitmachen und Stein-
    kohlen statt Torf verwenden zu können. Dies allein
    hätte genügt, dem Gentzschen Geschäft, dessen so-
    lide Grundlage der Torf war, einen tödlichen Schlag

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    zu versetzen; zur Beschleunigung des Niederganges
    aber stellten sich noch andere Schädigungen ein, die
    freilich mit den veränderten Konjunkturen in einem
    mehr oder weniger nahen Zusammenhange standen,
    zum Teil direkt daraus resultierten. Ein Hauptwerk
    Alexander Gentz' im Luch war die mit enormen Kos-
    ten errichtete große Schiffahrtstraße nach Berlin, der
    sogenannte Fehrbelliner Kanal samt dem Schwarzen
    Graben. Alle fremden Kähne, soviel war ihm seitens
    der Regierung als Ausgleich für das Geleistete zuge-
    billigt worden, hatten, wenn sie die Wasserstraße
    benutzten, unter dem Namen eines Schleusengeldes
    einen Zoll an ihn zu zahlen, dessen Beträge zunächst
    zur Verzinsung respektive Amortisierung des Anlage-
    kapitals dienten. Es waren dies sehr beträchtliche
    Summen, die sich infolge der plötzlich veränderten
    ›Konjunkturen‹ ebenfalls rasch herabminderten, so
    daß a tempo zweierlei hinschwand oder doch ins
    Schwinden kam:
    die Torf gelder für den selbstproduzierten Torf und die Schleusen gelder für die Torfverschiffung der Mit-produzenten.
    Aber auch dieser Doppelübelstand erschöpfte noch
    nicht das Maß der Verlegenheiten. Eine dritte Schä-
    digung kam noch hinzu: Der Sommer und Herbst 77
    waren sehr regnerisch gewesen, so daß der im Luch
    überall umherstehende, teils naß gewordene, teils
    von Anfang an nicht recht ausgetrocknete Torf (der,
    wie sich denken läßt eine sehr bedeutende Summe
    repräsentierte) nicht verschifft, mithin auch das we-

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    nige, was von Nachfrage da war, nicht einmal befrie-
    digt werden konnte. Die Folge davon war, daß es
    schon im Winter 77 auf 78 mit Gentz' Finanzlage
    kritisch genug stand, bis sich ein Weg fand, dem
    Unheil noch einmal zu steuern. Dies war durch Ver-
    pfändung der gesamten Torfgräbereien mit Rück-
    kaufsrecht. In der Tat nahm alles noch einmal einen
    gewissen Aufschwung, zum mindesten war auf Jahr
    und Tag hin ein Stillstand geschaffen. Aber schon am
    25. Mai 80 hieß es abermals an der Berliner Börse:
    ›Gentz ist bankrutt.‹ Und diesmal war kein Einhalt zu
    tun. Ein Konkursverwalter ward ernannt, der, um
    ›Verdunkelungen‹ vorzubeugen (es handelte sich um
    Nachweis etwaiger Schuld aus den Geschäftsbü-
    chern), Gentz' Verhaftung beantragte. Verschiedene
    Verhöre vor dem Konkursrichter fanden statt, einem
    vom Verteidiger gestellten Antrage auf Freilassung
    wurde nicht Folge gegeben, und erst das Landgericht
    hob in einer Sitzung die weitere Untersuchungshaft
    auf. Diese Haft hatte zwölf Wochen und fünf Tage
    gedauert.
    Inzwischen schritt man zur Formulierung der Ankla-
    ge, die schließlich auf Betrug in fünfunddreißig Fällen und außerdem auf einfachen Bankrutt lautete. Seit
    Beginn der Untersuchungshaft waren bis zur Fertig-
    stellung der Anklage beziehungsweise bis zur Einlei-
    tung des Prozesses fast drei Jahre vergangen.
    Vom 13. bis 15. Februar 83 fanden die Verhandlun-
    gen statt. Einige fünfzig Zeugen waren geladen. Der
    Tatbestand des Betruges war darin erkannt worden,
    daß Gentz in der Zeit vom 1. Januar bis 4. Juni 80,
    als angeblich schon eine Unterbilanz vorhanden war,

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    noch zahlreiche Depositen angenommen habe. Nach
    Ausweis seiner Bücher stellte sich jedoch heraus, daß
    er am 1. Januar genannten Jahres noch eine Überbi-
    lanz von 790 000 Mark gehabt. Damit fiel die Be-
    trugsanklage zu Boden, während seine schließliche
    Verurteilung zu vier Monaten Gefängnis auf einfa-
    chen Bankrutt hin erfolgte, von welchem Strafmaß
    die lange Untersuchungshaft in Abrechnung kam. Ein
    Begnadigungsgesuch unterblieb, und die Strafe wur-
    de angetreten. Als er wieder frei war, war er ein ge-
    brochener Mann, gebrochen an Leib und Seele.
    Trotzdem widerstand es ihm, in seiner Vaterstadt
    das Feld ohne weiteres zu

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