Wanderungen durch die Mark Brandenburg
angesehen war, allerlei durchzu-
setzen wußte, was einem Manne von gleichgiltigerem
Namen mutmaßlich nicht geglückt wäre. Mit eben-
diesem Ansehen bei Hofe hing es auch zusammen,
daß er, schon 1840 gegraft, 1851, unter ganz be-
sonders auszeichnenden Förmlichkeiten, zur Enthül-
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lungsfeier des Friedrich-Denkmals nach Berlin gela-
den wurde. Hochbeglückt durch diese Gunstbezeu-
gungen kam er nach Wustrau zurück. Aber dieselben
letzten Lebensjahre, die soviel Auszeichnendes für
ihn brachten, brachten ihm auch Kränkungen aller
Art, Ärgernisse, die um so ärgerlicher waren, als sie
von Personen seiner nächsten Umgebung ausgingen.
An der Spitze dieser plötzlich auf dem Plan erschie-
nenen Feinde stand sein ehemaliger Secretair
C. A. Frost, der, solang er noch in gräflichen Diens-
ten war, nie mehr als 120 Taler Gehalt bezogen und
jedes beim Grafen eingereichte Gesuch um Gehalts-
verbesserung abschlägig beantwortet gesehen hatte.
Hinsichtlich der Charaktere war eine gewisse Ver-
wandtschaft zwischen Herr und Diener, und was dem
letzteren bei Beginn seiner Laufbahn an Verschla-
genheit gefehlt haben mochte, das wußt er bald ein-
zubringen. Von Natur klüger als sein Herr und mit
einem entschiedenen Talent für bureaukratische
Schreibereien ausgerüstet, wußt er sich bald derartig
zur Seele der landrätlichen Verwaltung zu machen,
daß er nicht ganz unrecht hatte, die seinem Herrn
reichlich zufallenden Anerkennungen sich gutzu-
schreiben. Aber noch war die Zeit nicht da, dies Kon-
to zu begleichen. Diese Zeit kam erst, als die Ver-
hältnisse ihn zwangen, sich nach aufbessernden Mit-
teln zur Durchbringung seiner immer zahlreicher
werdenden Familie umzusehen. Die Gelegenheit zu
dieser Aufbesserung war bald gefunden, und zwar
sonderbarerweise (wenn auch nur mittelbar ) durch den alten Landrat selbst. Dieser, dem finanziellen
Zuge der damaligen, in die vierziger Jahre fallenden
ersten Gründerperiode folgend, fing an, große Stre-
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cken seines ›Wustrauer Luchs‹ an Torf-
Ausbeutungsgesellschaften zu verkaufen, und in eine
dieser Gesellschaften trat Frost selber ein, mit Ge-
nehmigung seines Herrn, der auf die Weise hoffen
mochte, den ewigen Gesuchen um Gehaltsverbesse-
rung ein für allemal enthoben zu werden. Ja, der
sonst so Geizige ging weiter und schoß seinem Sec-
retair aus freien Stücken 1000 Taler vor, um dem-
selben Gelegenheit zu geben, mit Hülfe dieser Ein-
zahlung als ›Aktionär‹ in die Torf-
Exploitierungsgesellschaft eintreten zu können. Zie-
ten gratulierte sich zu einem Meistercoup. Aber es
kam anders, als er erwartet hatte, total anders. Sec-
retair Frost, der sich, bei seiner genauen Kenntnis
aller einschläglichen Verhältnisse, sehr bald den
Torfaktionären unentbehrlich zu machen wußte, stieg
ebenso rasch an Ansehen, Macht und Vermögen und
benutzte nunmehr seine finanziell glänzend gewor-
dene Stellung, um, im Interesse der ›Gesellschaft‹,
der er jetzt zugehörte, Forderungen zu stellen. Als der alte Landrat auf diese Forderungen nicht eingehen wollte, dagegen von den ihm vorgestreckten
›1000 Talern‹ sprach, warf ihm der über Nacht
mächtig Gewordene die ganze Summe vor die Füße
und suchte den Widerstand, den der Alte nach wie
vor seinen Plänen entgegensetzte, dadurch zu bre-
chen, daß er mit einem Briefe drohte, den er an den
König Friedrich Wilhelm IV. schreiben wolle. Schließ-
lich schrieb er diesen Brief auch wirklich und entwarf
darin ein Charakterbild des Alten, der zeit seines
Lebens nichts als eine Mischung von Engherzigkeit,
Habsucht und Unfähigkeit gewesen sei, stets nur
verstanden habe, andre für sich arbeiten zu lassen
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und sich mit fremden Federn zu schmücken. Was in
den letzten Jahrzehnten im Kreise geschehen sei, sei
durch die landrätlichen Secretaire geschehen, spe-
ziell durch ihn und sein Aushalten im Dienst, was
nichts Leichtes gewesen sei, denn seine Vorgänger
hätten sich, bei der Unerträglichkeit des ihnen aufer-
legten Lebens, das Leben genommen. So Frosts Ein-
gabe. Sehr geschadet kann sie dem von ihm Ver-
klagten aber nicht haben, denn es brachen grade
jetzt die vorerwähnten Zeiten an, die dem Alten Aus-
zeichnungen über Auszeichnungen brachten. Indes-
sen, sowenig unempfindlich der Alte gegen solche
königlichen Gnaden war, ging die heimische Fehde
doch nicht spurlos an ihm vorüber, und es würde
sich von einer Verkürzung seines
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