Wanderungen durch die Mark Brandenburg
nun über
Kloster Zellin hinaus; der Fluß wird schmäler, aber
tiefer, und das Landschaftsbild verändert sich. Der
Barnim liegt hinter uns, und wir fahren in die Ucker-
mark hinein, wo sich uns Uferlandschaften erschlie-
ßen, sehr ähnlich denen, wie sie die Stettiner Umge-
gend dem Auge bietet. Andere Namen, in nichts
mehr an die triviale Komik von »Güstebiese« oder
»Lietzegöricke« erinnernd, tauchen auf – Namen voll
poetischem Klang und Schimmer: Hohensaaten, Ra-
duhn und Hohen-Kränig.
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Der Fluß, bis dahin im wesentlichen in einem Bette fließend, fängt an, ein Netz von Kanälen durch die
Landschaft zu ziehen; hierhin, dorthin windet sich
der Dampfer, aber eh es uns noch gelungen ist, uns
in dem malerischen Wirrsal zurechtzufinden, tauchen
plötzlich weiße Giebelwände, von Türmen und hohen
Linden überragt, aus dem Landschaftsbilde auf. Noch
eine Biegung, und das übliche Hoi-ho, das immer
laut wird, wenn das Schiff sich einer Landungsstelle
nähert, läßt sich aufs neue vernehmen. Eine alte
Holzbrücke, mit Hunderten von Menschen besetzt,
sperrt uns den Weg; ein Fangseil fliegt über unsere
Köpfe weg, dem Brückengeländer zu; der Dampfer
legt an. Ein Drängen, ein Grüßen, dazwischen das
Läuten der Glocke. Vom linken Ufer her aber wirft ein
weitläuftiger Bau, in Bäumen und Laubgängen halb
versteckt, sein Spiegelbild in den Fluß. Es ist das alte Markgrafenschloß. Wir sind in Schwedt.
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Das Oderbruch
1. Wie es in alten Zeiten war
Wasser, Wasser überall,
Die Tiefe selbst verfaulte,
Schlammtiere krabbeln zahllos rings
Auf schlammiger Moderflut.
Freiligrath,
nach Samuel Taylor Coleridge
Am Westufer der Oder, nach rechts hin vom Flusse
selber begrenzt, nach links hin von den Abhängen
des Barnim-Plateaus wie von einem gebogenen Arm
umfaßt, liegt das Oderbruch . Es ist eine sieben Meilen lange und etwa zwei Meilen breite Niederung,
die, ihrem Hauptbestandteile nach, in ein hohes und niederes Bruch, das Oberbruch und das Niederbruch, zerfällt. An diese beiden schließt sich noch, nach
Norden hin, also flußabwärts, das Mittelbruch . Diese Bezeichnung ist schlecht gewählt und wird die Ursache beständiger Verwechselungen. Als »Mittelbruch«
vermutet man es im Zentrum, zwischen dem Ober-
und Niederbruch gelegen, während es doch, umge-
kehrt, am äußersten Flügel des Bruches liegt. Seinen Namen, der besser einem andern Platz machte, hat
es wahrscheinlich daher, weil es inmitten zweier O-863
derarme sich ausbreitet. Neueren Arbeiten, nament-
lich einem vorzüglichen Aufsatze des Geheimen Rat
Wehrmann, »Die Eindeichung des Oderbruches«,
entnehme ich, daß man angefangen hat, diese
schlechte Bezeichnung »Mittelbruch« in amtlichen
Erlassen wenigstens ganz fallenzulassen. Man spricht
nur noch von einem Ober - und Niederbruch , und so ist es in der Ordnung.
Das Bruch ist ein Bauernland, eine Art Dithmar-
schen1); aber adlige Güter blicken rundum, wie von
hoher Warte, in das schöne, fruchtbare Bruchland
hinein. Eine ganze Anzahl dieser auf der Höhe gele-
genen altadligen Güter werden wir noch in ausführli-
cheren Schilderungen kennenlernen; nur ihre Namen
sowie die Namen der alten, zum Teil ausgestorbenen
Familien, die ihnen im Laufe der Jahrhunderte zu
Ruhm und Ansehn verhalfen, mögen schon hier eine
Stelle finden. Auch einem neuen Namen werden wir
begegnen: Albrecht Thaer. Es wird dem Leser, mit
bloßer Hülfe dieser Aufzählung, der Reichtum histori-
schen Lebens entgegentreten, der sich hier, unmit-
telbar am Rande des Bruchs, auf dem Raum weniger
Meilen zusammenfindet. Ich folge der Linie von Nord
nach Süd.
Hohenfinow: Sparr, Schlick2), Vernezobre.
Cöthen und Falkenberg: von Jena.
Freienwalde: Uchtenhagen.
Ranft: von Marschall.
Möglin: Albrecht Thaer.
Batzlow: Barfus.
Ihlow: Ihlow oder Illo.3)
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Ringenwalde. Bredow.
Kunersdorf und Friedland: Lestwitz und Itzenplitz.
Buckow: von Pfuel, von Flemming.
Quilitz: Prittwitz, Hardenberg.
Gusow: Derfflinger.
Friedersdorf: Görtzke, Marwitz.
Lietzen: Johanniter-Komturei.
Hohenjesar: Burgsdorf.
Reitwein: Finckenstein.
Von allen diesen Punkten, selbst von Buckow aus,
das am meisten zurückgelegen liegt, ermöglicht sich
ein Blick in die fruchtbare Tiefe; dabei wechselt der
Charakter der Landschaft so oft und so anmutig, daß
jeder, der am Rande des Plateaus, etwa von Freien-
walde bis Seelow, oder selbst bis Frankfurt hin, diese
Fahrt zu
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