Wanderungen durch die Mark Brandenburg
machen gedenkt, einer langen Reihe der
mannigfachsten und anziehendsten Bilder begegnen
wird.
Eine solche Fahrt auf der Höhe hin werden wir mehr-
fach zu machen haben, und manche dieser Fahrten
(zum Beispiel der Weg von Falkenberg bis Freienwal-
de) wird uns Gelegenheit zu dem Versuch eines
Landschaftsbildes geben; heute jedoch ist es das
Bruch selbst, das in der Tiefe gelegene Bauernland,
das uns beschäftigen soll, und wir werden erst bei
den alten Zuständen dieses Sumpflandes, dann bei
seiner Eindeichung und Entwässerung, endlich bei
seiner Kolonisierung zu verweilen haben.
Alle noch vorhandenen Nachrichten stimmen darin
überein, daß das Oderbruch vor seiner Urbarma-
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chung eine wüste und wilde Fläche war, die, sehr
wahrscheinlich unsrem Spreewalde verwandt, von
einer unzähligen Menge größerer und kleinerer Oder-
Arme durchschnitten wurde. Viele dieser Arme brei-
teten sich aus und gestalteten sich zu Seen, deren
manche, wie der Liepesche bei Liepe, der Kietzer und
der Kloster-See bei Friedland, noch jetzt, wenn auch
in sehr veränderter Gestalt, vorhanden sind. Das
Ganze hatte, dementsprechend, mehr einen Bruch-
als einen Waldcharakter , obwohl ein großer Teil des Sumpfes mit Eichen bestanden war. Alle Jahre stand
das Bruch zweimal unter Wasser, nämlich im Früh-
jahr um die Fastenzeit, nach der Schneeschmelze an
Ort und Stelle , und um Johanni, wenn der Schnee in den Sudeten schmolz und Gewitterregen das Wasser verstärkten. Dann glich die ganze Niederung einem
gewaltigen Landsee, aus welchem nur die höher ge-
legenen Teile hervorragten; ja selbst diese wurden
bei hohem Wasser überschwemmt.
Wasser und Sumpf in diesen Bruchgegenden beher-
bergten natürlich eine eigne Tierwelt, deren Reich-
tum, über den die Tradition berichtet, allen Glauben
übersteigen würde, wenn nicht urkundliche Belege
diese Traditionen unterstützten. In den Gewässern
fand man: Zander, Fluß- und Kaulbarse, Aale, Hech-
te, Karpfen, Bleie, Aland, Zährten, Barben, Schleie,
Neunaugen, Welse und Quappen. Letztere waren so
zahlreich (zum Beispiel bei Quappendorf), daß man
die fettesten in schmale Streifen zerschnitt, trockne-
te und statt des Kiens zum Leuchten verbrauchte.
Die Gewässer wimmelten im strengsten Sinne des
Worts von Fischen, und ohne viele Mühe, mit bloßen
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Handnetzen, wurden zuweilen in Quilitz an einem
Tage über 500 Tonnen gefangen. In den Jah-
ren 1693, 1701 und 1715 gab es bei Wriezen der
Hechte, die sich als Raubfische diesen Reichtum zunutze machten, so viele, daß man sie mit Keschern
fing und selbst mit Händen greifen konnte. Die Folge
davon war, daß in Wriezen und Freienwalde eine eig-
ne Zunft der Hechtreißer existierte. An den Marktta-
gen fanden sich aus den Bruchdörfern Hunderte von
Kähnen in Wriezen ein und verkauften ihren Vorrat
an Fischen und Krebsen an die dort versammelten
Händler. Ein bedeutender Handel wurde getrieben,
und der Fischertrag des Oderbruchs ging bis Böh-
men, Bayern, Hamburg, ja die geräucherten Aale bis
nach Italien . Kein Wunder deshalb, daß in diesen Gegenden unter allem Haus- und Küchengerät der
Fischkessel obenan stand und so sehr als wichtigstes Stück der Ausstattung betrachtet wurde, daß er,
nach gesetzlicher Anordnung, beim Todesfalle der
Frau, wenn andres Erbe zur Verteilung kam, dem
überlebenden Gatten verblieb.
In großer Fülle lieferte die Bruchgegend Krebse , die zuzeiten in solchem Überfluß vorhanden waren, daß
man zu Colerus' Zeiten, ausgangs des sechzehnten
Jahrhunderts, sechs Schock schöne, große Krebse
für sechs Pfennige meißnerischer Währung kaufte.
Zu Küstrin wurde von 100 Schock durchgehender
Krebse ein Schock als Zoll abgegeben, bei welcher
Gelegenheit der vorerwähnte Colerus versichert, daß
dieser Zoll in einem Jahre 325 000 Schock Krebse eingetragen habe. Danach wären denn bloß in dieser
einen Stadt in einem Jahre 32½ Millionen Schock
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Krebse versteuert worden. Im Jahre 1719 war das
Wasser der Oder, bei der großen Dürre, ungewöhn-
lich klein geworden; Fische und Krebse suchten die
größten Tiefen auf, und diese wimmelten davon. Da
das Wasser aber von der Hitze zu warm wurde, kro-
chen die Krebse aufs Land ins Gras oder wo sie sonst
Kühlung erwarteten, selbst auf die Bäume, um sich
unter das Laub zu bergen, von welchen sie dann wie
Obst herabgeschüttelt wurden. Auch die gemeine
Flußschildkröte war im Bruch so häufig,
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