Wanderungen durch die Mark Brandenburg
ein geräumiges Trep-
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penhaus, ein Vorflur, dahinter ein Gartensalon und
von dem Salon aus ein Blick in den Park. Das Ganze
breit, behaglich, gediegen. 1765 hatte der damalige
Oberst von Lestwitz Kunersdorf gekauft, aber
erst 1773, wie die Jahreszahl über dem Portal be-
sagt, wurde der Schloßbau beendet. Bis zu diesem
Jahre also haben wir unseren Lestwitz, kurze Besu-
che behufs Inspizierung des Baues abgerechnet,
schwerlich in Kunersdorf zu suchen; ohnehin hielt ihn
der Dienst bei dem Bataillon Garde, das er komman-
dierte, in Potsdam fest. Dieser Dienst gestattete
auch wohl von 1773 ab einen immer nur gelegentli-
chen Aufenthalt, und von einem wirklichen Beziehen
des Schlosses, von einem Heimischwerden darin
konnte wohl erst die Rede sein, als unser Lestwitz,
inzwischen zum Generalmajor avanciert, den Dienst
überhaupt quittiert hatte. Dies war 1779. Von da ab
bis zum Tode des Generals (1788) gehörten die
Sommermonate Kunersdorf, während der Winter in
der Hauptstadt zugebracht wurde. Die Stadtwohnung
war das wohlbekannte Nicolaische Haus in der Brü-
derstraße.
Vielleicht das wichtigste Ereignis, das in diesen neun
Jahren Schloß Kunersdorf und seine Bewohner traf,
war die große Oderüberschwemmung im Jahre 1785.
Es war dieselbe, der, in dem benachbarten Frankfurt,
der junge Herzog Leopold von Braunschweig zum
Opfer fiel. Weder vorher noch nachher hat das O-
derwasser in diesen Gegenden eine gleiche Höhe
erreicht. Ein Pfeil am Kunersdorfer Schlosse zeigt
noch, wie hoch damals das Wasser stand. Die Fluten
strömten in die Küche ein, und mit ihnen kamen al-
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lerlei Fische, groß und klein, und plätscherten unge-
fährdet und wie zum Spott in den eingemauerten
Kesseln umher, aus denen sie dann bei guter Zeit
ihren Rückzug antraten. Der Park stand unter Was-
ser, und in halber Höhe der Rampe, auf der sonst die
Equipagen vorfuhren, legten die Kähne an.
Das war ein Ereignis. Sonst vergingen die Tage in
jener stillen Weise, die das Leben alter Militärs, vielleicht nach einem Naturgesetze, so oft kennzeichnet.
Der Lärm und die Leidenschaften des Kriegshand-
werks machen sie doppelt begierig nach der Stille
des Friedens und des Alters. So war es auch hier.
Alte Kameraden kamen oft und waren gern gesehen;
im Wort lebte wieder auf (auch wohl ausge-
schmückt), was einst Tat gewesen war. Die großen
Tage wurden wieder lebendig. Ein Gang durch den
Park, ein Ritt ins Feld, die Freuden der Tafel, auch
Billardspiel füllten den Tag aus. Zur Jagd war man zu
alt; auch war sie nicht Mode unter dem großen Kö-
nig. Der Abend gehörte dem Tarock oder dem Ge-
plauder. Festtage waren die Besuchstage in der Um-
gegend, zumal bei »Prittwitzens« in dem nahe gele-
genen Quilitz. Mit allen Dehors, die dem gegenseiti-
gem Range gebührten, ging man dabei zu Werke;
sechs Pferde, nie weniger, wurden vor die Staatska-
rosse gelegt, der Staub auf dem ziemlich öden und
sandigen Wege wirbelte auf, und der Kutscher be-
schrieb mit möglichster Eleganz die Kurve, die das
langgespannte Gefährt auf die Rampe des Quilitzer
Schlosses führte. Aber solche Besuche fanden nicht
häufig statt. Prittwitz spielte hoch (noch 1790 nahm er dem Herzog von Mecklenburg 30 000 Taler in ei-1106
ner Nacht ab), und Lestwitz war ein guter Wirt und
frommer Christ.
So vergingen die Tage in Schloß Kunersdorf
bis 1788, vielleicht bis zu der Zeit, wo die Generalin
von Lestwitz ihrem Gatten folgte. Von da ab wurd es
lebendiger. Sinn und Geschmack der Frau von Fried-
land lagen nach anderer Seite hin, und statt der »al-
ten Kameraden«, die nichts hatten als ihre Erinne-
rungen und nichts liebten als ihre Spielpartie, wur-
den nun – gleichsam eine andere Hinterlassenschaft
aus der friderizianischen Zeit her – die Berliner Sa-
vants, die Akademiker und Philosophen, in Schloß
Kunersdorf heimisch. Zum Teil mochte das Nicolai-
sche Haus, in welchem Frau von Friedland ihre
Stadtwohnung beibehielt, eine äußerliche Veranlas-
sung dazu bieten; was aber den Ausschlag gab, das
lag tiefer. Die Epoche der geistreichen Zirkel, die
später in der Prinz-Louis-Ferdinand-Zeit ihren Höhe-
punkt erreichte, war eben angebrochen; Geburt war
nicht viel, oder sollte nicht viel sein; Talent war alles.
Dieser damals herrschenden Anschauung neigte man
sich auch in Schloß Kunersdorf zu; Buttmann und
Bode, Engel und Spalding, Biester und Nicolai waren
gern gesehene Gäste, und
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