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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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waren andere.
    Am 18. Februar, als man es mit gutem Grunde
    längst aufgegeben hatte, die Nansoutyschen wieder-
    zusehn, hielten plötzlich, unvermutet und unange-
    meldet, struppige Pferde vor jedem Ausgange des
    Dorfes, und auf den kleinen abgetriebenen Gäulen
    saßen seltsame Leute mit Pelzmützen und Piken, wie
    sie seit den Tagen von Zorndorf und Schlachten-
    Kunersdorf in diesen Gegenden nicht mehr gesehen
    worden waren. Es waren Kosaken.
    Damit hatte es folgenden Zusammenhang. General
    Tschernyschew, der Führer der russischen Avantgar-
    de, nachdem seine Vorhut unter Oberst von Tetten-
    born bereits am Tage zuvor bis Werneuchen und
    Altlandsberg vorgedrungen war, hatte am 18. in der

    1110
    Mittagsstunde die Oder passiert. »Ein Alliierter von
    Rußland her«, so schreibt Friedrich Adami, »hatte
    ihm und seinen 2000 Pferden die Brücke dazu ge-
    baut: die Oder trug noch ihre Eisdecke. Wenige
    Stunden später, um vier Uhr nachmittags, brach das
    Eis, auf dem drei russische Regimenter: Kosaken,
    Dragoner, Husaren, ihren Übergang bewerkstelligt
    hatten. Es hatte, so schien es, nur eben noch die
    Landsleute des harten, nordischen Winters hinüber-
    lassen wollen. Diese 2000 Reiter erschienen jetzt in
    den Dörfern zwischen Wriezen und Möglin. Tscherny-
    schew selbst übernachtete in Kunersdorf.«
    In Schloß Kunersdorf selbst erzählt man den Her-
    gang etwas abweichend. Danach erschien Tscherny-
    schew nicht spätnachmittags, sondern bereits früh
    am Morgen, übernachtete auch nicht im Schloß, son-
    dern brach nach kurzer Rast und nachdem alle
    2000 Reiter im Dorfe gefuttert hatten, in der Rich-
    tung von Strausberg und Herzfelde auf. Dafür, daß
    alle 2000 Reiter Kunersdorf passierten, scheint aller-
    dings der Umstand zu sprechen, daß, nach einer
    noch fortlebenden Erinnerung, an jenem einem Vormittage siebzehn Wispel Hafer verfuttert wurden.
    Das Jahr 1813 brachte noch einen andern Gast nach
    Schloß Kunersdorf, und mit seinem Besuche schlie-
    ßen wir wie mit einem Idyll. Dieser Gast war Cha-
    misso.
    Chamisso, bekanntlich infolge der Französischen Re-
    volution aus Frankreich emigriert1), hatte als preußi-
    scher Offizier die unglückliche Campagne von 1806

    1111
    und speziell die Kapitulation von Hameln mit durch-
    gemacht. Seitdem lebte er ausschließlich den Wis-
    senschaften, besonders dem Studium der Botanik.
    Im Frühjahr 1813 waren seine Mittel erschöpft, und
    Professor Lichtenstein, dem Itzenplitzschen Hause
    befreundet, empfahl den jungen Botaniker nach Ku-
    nersdorf hin, wo er, nach bald erfolgtem Eintreffen,
    die Anlegung einer großen Pflanzensammlung unter-
    nahm, eines Herbariums, das einerseits die Flora des
    Oderbruchs, andererseits alle Garten- und Treib-
    hauspflanzen des Schlosses selbst enthalten sollte.
    Chamisso verweilte einen Sommer lang in dieser
    ländlichen Zurückgezogenheit und unterzog sich sei-
    ner Aufgabe mit gewissenhaftem Fleiß. Das von ihm
    herrührende Herbarium existiert noch. Die Muße-
    stunden gehörten aber der Dichtkunst, und im Ku-
    nersdorfer Bibliothekzimmer war es, wo unser Cha-
    misso, am offenen Fenster und den Blick auf den
    schönen Park gerichtet, den »Peter Schlemihl«, seine
    bedeutendste und originellste Arbeit, niederschrieb.

    1. Zwei ältere Brüder Adelberts von Chamisso:
    Hippolyte und Karl, waren Leibpagen im
    Dienste Ludwigs XVI., und Karl war unausge-
    setzt um die Person des unglücklichen Monar-
    chen in dessen bedrängtesten Lagen, na-
    mentlich am 10. August 1792. Bei einem Auf-
    lauf zerschlagen und verwundet, wurde Karl
    von Chamisso nur mit Mühe gerettet. Der Kö-
    nig verkannte das Verdienst nicht, das sich
    der Page um ihn erworben hatte, und fand

    1112
    Gelegenheit, ihm einen Degen zuzustecken,
    den er, der König, in glücklicheren Jahren ge-
    tragen hatte. Zu gleicher Zeit schrieb er auf
    einem nur etwa talergroßen Zettelchen: »Ich
    empfehle Herrn von Chamisso, einen meiner
    treuen Diener, meinen Brüdern. Er hat meh-
    rere Male sein Leben für mich auf das Spiel
    gesetzt. Ludwig.« Dies Zettelchen und der
    Degen befinden sich bis diesen Tag in Händen
    der Familie. Der älteste Sohn Adelbert von
    Chamissos besitzt beides.

    Einige Stellen aus Briefen, die er damals an Varnha-
    gen und Hitzig richtete, mögen hier auszugsweise
    einen Platz finden.

    Er schreibt an Varnhagen, Kunersdorf, den 27. Mai
    1813:
    »Lieber Varnhagen, tun und lassen war für mich
    gleich schmerzhaft; durch den Machtspruch von

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