Wanderungen durch die Mark Brandenburg
fort. Gleichzeitig
kehrte sie nach Schloß Kunersdorf, in das elterliche
Haus, zurück und lebte daselbst ausschließlich der
Erziehung ihrer Tochter und der Ausbildung ihres
eigenen Geistes. Nach dem Tode des Generals, ihres
Vaters, übernahm sie sofort die Verwaltung der bei-
den Güter, und da es ihrem scharfen Auge nicht ent-
ging, daß die Bewirtschaftung, um zu größeren Erfol-
gen zu gelangen, vor allem eines größeren Betriebs-
kapitals als bisher bedürfe, so verkaufte sie ihren
Schmuck und ihre Juwelen, um sich in den Besitz
eines solchen Kapitals zu bringen.
Dieser erste Schritt, mit dem sie die Verwaltung ihrer
Güter begann, zeigt am besten, welcher raschen und
energischen Entschlüsse sie fähig war. Es war eine
seltene und ganz eminente Frau; ein Charakter
durch und durch. General von der Marwitz auf Frie-
dersdorf, der ihr Gutsnachbar war, hat uns in seinen
Memoiren eine Schilderung dieser ausgezeichneten
Frau hinterlassen. Er schreibt: »Das meiste in der
Landwirtschaft – ungefähr alles, was ich nicht schon
aus der Kindheit wußte und nachher aus der Erfah-
rung erwarb – habe ich von einer sehr merkwürdigen
1096
Frau in unserer Nachbarschaft gelernt, von einer
Frau von Friedland. Als ich sie kennenlernte (1802),
war sie ungefähr zwölf Jahre im Besitz der Güter und
führte alles mit beispielloser Ausdauer und Umsicht.
Es waren sechs große Wirtschaften, die sie selbst
leitete; Unterbeamte hatte sie keine andern als Bau-
ern, die sie selbst dazu gebildet hatte. Nicht nur war
der Ackerbau im blühendsten Zustande, sondern sie
hatte ihre Wälder aus sumpfigen Niederungen auf
bisher öde Berge versetzt, diese Niederungen aber in
Wiesen verwandelt, und so in allen Stücken. Ein sol-
ches Phänomen war natürlicherweise weit und breit
verschrien. Man sagte, sie ritte auf den Feldern um-
her (das war wahr) und hätte beständig die Peitsche
in der Hand, womit sie die Bauern zur Arbeit treibe –
das war erlogen. Ich fand im Gegenteil eine wahre
Mutter ihrer Untergebenen in ihr. Wo sie sich sehen
ließ, und das war den ganzen Tag bald hier, bald
dort, redete sie freundlich mit ihnen, und den Leuten
leuchtete die Freude aus den Augen. Aber gehorchen
mußte alles. Sie war aber nicht bloß eine Landwirtin,
sondern eine höchst geistreiche und in allen Dingen
unterrichtete Frau. Ich schulde ihr sehr viel; sie hat-
te mir, als ich Friedersdorf übernahm, die nötigen
Wirtschaftsbeamten verschafft und die Rechnungs-
bücher einrichten lassen.«
Soweit Marwitz über Frau von Friedland. Sehr ähn-
lich, aber noch lebhafter, wärmer, begeisterter äu-
ßert sich Thaer über dieselbe, der sie im Som-
mer 1801, nachdem er schon 1799 ihre erste Be-
kanntschaft gemacht hatte, bei seinem zweiten Be-
such in der Mark näher kennenlernte. Er schreibt:
1097
»Auf der Grenze ihrer Herrschaft kam uns Frau von
Friedland, eine der merkwürdigsten Frauen, die je
existiert haben, in vollem Trabe entgegen, sprang
vom Pferde und setzte sich zu uns in den Wagen.
Nun ging es in vollem Galopp über Dämme und Grä-
ben weg. Wir fuhren vier volle Stunden von einem
Ort zum andern. Fünf bis sechs Verwalter, Schreiber
usw. waren immer neben und hinter dem Wagen und
mußten bald eine Herde Kühe, bald eine Herde Scha-
fe oder Schweine herbeiholen. Da indessen einige
der Gesellschaft nicht länger verhehlen konnten, daß
ihnen nach einem Imbiß verlange, sagte Frau von
Friedland: ›Wir sind sehr bald zu Hause; wollen Sie
aber im Freien essen, kann ich Ihnen sogleich etwas
schaffen.‹ Als wir letzteres versicherten, ging es so-
fort in einen prächtigen Wald hinein, einen steilen
Berg hinauf, wo wir erst ein Feuer und bald darauf
eine gedeckte Tafel erblickten, auf einem Platze, wo
wir im Vordergrunde dichte Waldung, zur Seite einen
großen See und in der Ferne eine weite Aussicht in
das herrliche Oderbruch hatten. Eine Menge von
Schüsseln, die schönsten Weine und ein Dessert von
Ananas, Weintrauben usw. ward aufgetragen. Aber
sie ließ uns zum Essen und Trinken nicht eben viel
Zeit. Es ging bald wieder fort, von einer Feldflur zur
andern, und so waren wir gewiß funfzehn Meilen die
Kreuz und Quer gefahren, ehe wir auf ihrem ge-
wöhnlichen Wohnsitze, auf Schloß Kunersdorf, an-
kamen. Sie hat außerdem noch sieben bis acht völlig
eingerichtete Wohnungen, wo sie, wie es ihr einfällt,
Mittag oder nachts bleibt. Ihre Leute wissen es
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