Wanderungen durch die Mark Brandenburg
keine
Stunde vorher, wo sie essen oder schlafen will.«
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Im weitern Verlauf der Schilderung, die Thaer von ihr
entwirft, heißt es an anderer Stelle:
»Heute von morgens sechs Uhr an, bis jetzt, abends
zehn Uhr, hat sie uns nicht fünf Minuten Ruhe gelas-
sen. Wir haben gewiß vier Spann Pferde müde gefah-
ren. So etwas von Aktivität ist mir noch nie vorge-
kommen. Sie hat über ein Dutzend Verwalter,
Schreiber und Meier, und dennoch kennt sie jeden
kleinen Gartenfleck, jeden Baum, jedes Pferd, jede
Kuh und bemerkt jeden kleinen Fehler, der in der
Bestellung vorgefallen ist, jede Lücke in einer Hecke,
jeden falsch gestellten Pflug. Sie hat nicht nur meh-
rere große Branntweinbrennereien und Brauereien,
sondern betreibt auch ein starkes Mühlengewerbe,
weshalb sie sich förmlich in das Müllergewerk hat
einschreiben lassen, so daß sie das Meisterrecht hat
und Lehrburschen ein- und losschreiben kann.«
Diese Schilderungen, sowohl die Thaerschen wie die
von Marwitz herrührenden, deuten bereits den Punkt
an, worin Frau von Friedland ganz besonders hervor-
ragte; ich meine ihr Organisations- und Erziehungs-
talent, ihre Gabe, Leute aus dem Bauernstande zu
treuen und tüchtigen Verwaltern, Förstern und Jä-
gern heranzubilden. Sie zeigte dabei ebensoviel
Menschenkenntnis, wie sie zugleich ihrerseits Gele-
genheit fand, sich von der Bildungsfähigkeit der hier
lebenden deutsch-wendischen Mischrace zu überzeu-
gen.
Die meisten und besten Grundstücke der Herrschaft
Kunersdorf-Friedland gehörten jenem Teile des O-
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derbruchs an, der erst durch die von Friedrich dem
Großen ausgeführte Oder-Melioration dem Wasser
und Sumpf abgerungen wurde. Diese Grundstücke
waren nicht sofort fruchtbar, mehrere Dezennien
vergingen, ehe, bei dem damaligen mangelhaften
Zustande des Ackerbaus in unserer Provinz, auf die-
sem eroberten Grund und Boden auch nur mäßige
Ernten erzielt werden konnten. Hier treten uns nun
die ganz besonderen Verdienste der Frau von Fried-
land entgegen.
Aber auch verwandten Gebieten wandte sie ihre
Aufmerksamkeit und ihren Eifer zu. Ihre Baumschu-
len, ihre Pflanzungen erregten Erstaunen, so wie
denn zum Beispiel im Frühjahr 1803 ein Vorrat von
fünfundzwanzig Wispeln Kienäpfel zur Aussaat sich vorfand. Auch auf Verschönerungen war sie feinen
Sinnes bedacht, und die reizenden Partien zwischen
Buckow und Pritzhagen, die »Springe«, die »Silber-
kehle« und andere Glanzpunkte der Märkischen
Schweiz, sind, ihrer ersten Anlage nach, ihr Werk.
Durch Umsicht, Sorgsamkeit und Anspannung aller
ihr zur Verfügung stehenden Mittel den Reichtum des
Bruchbodens gefördert und seine Naturkräfte leben-
dig gemacht zu haben wird immer ein besonderes
und nicht leicht zu überschätzendes Verdienst dieser
ausgezeichneten Frau verbleiben. Was sie tat, wurde
Beispiel, weckte Nacheiferung und wurde, wie ihr
zum Nutzen, so dem ganzen Landestelle zum Segen.
Sie starb, noch nicht neunundvierzig Jahr alt, am
23. Februar 1803 infolge einer heftigen Erkältung,
die sie sich, zu rascher Hülfe herbeieilend, bei einem
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in der Nähe von Kunersdorf ausgebrochenen Feuer
zugezogen hatte. Ihr Gedächtnis lebt segensreich in
jenen Oderbruchsgegenden fort, die ihrem Vorbild,
ihrem Rat und ihrer Hülfe so viel verdanken.
Graf und Gräfin Itzenplitz
1803–1848
General Lestwitz hatte eine einzige Tochter, die Frau
von Friedland, gehabt, an die Kunersdorf-Friedland
und die dazu gehörigen Güter übergegangen waren.
Frau von Friedland hatte wiederum eine einzige
Tochter: Henriette Charlotte, die nun das reiche Erbe
antrat.
Diese einzige Tochter, Henriette Charlotte von Bor-
cke, geboren zu Potsdam am 18. Juli 1772, vermähl-
te sich am 23. September 1792 mit dem eben da-
mals zum Kriegs- und Domainenrat ernannten Peter
Alexander von Itzenplitz, geboren am
24. August 1768 zu Groß Behnitz im Havelland, eine
Vermählung, infolge deren das Lestwitz-Erbe an die
Familie Itzenplitz überging. Gleich nach der Hochzeit
trat das junge Paar eine besonders auch auf land-
wirtschaftliche Zwecke gerichtete Reise nach Holland
und England an. Während dieses Aufenthaltes in
England schrieb von Itzenplitz, auf ausdrücklichen
Wunsch des damaligen Ministers von Struensee, ver-
schiedene Berichte über landwirtschaftliche und
kommerzielle Fragen, worin er seine Beobachtungen
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und seine Ansichten über das, was sich seinem Auge
dargeboten
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