Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Veranlassung, sondern einzig und allein in
dem allgemeinen Zuge der Zeit suchen, der alleror-
ten dahin ging, an die Stelle mittelalterlicher, durch-
aus unausreichend gewordener Stadtbefestigungen
wirkliche Festungen treten zu lassen.
Einen Augenblick scheint der Markgraf geschwankt
zu haben, welche seiner Städte zu bevorzugen sei (so kam beispielsweise Königsberg in der Neumark
ernstlich in Betracht); aber die Vorteile, die Küstrin
bot, konnten auf die Dauer nicht übersehen werden.
Gewährte schon der rechtwinklige Zusammenfluß
von Oder und Warthe nach zwei Seiten hin einen
natürlichen Schutz, so wuchs dieser durch die Be-
schaffenheit des beiden Flüssen vorgelegenen Ter-
rains. Dieses Terrain war nach Süden und Südosten
hin ein anderthalb Meilen breiter, mit Schilf und Ge-
sträuch bewachsener, weder zur Winter- noch Som-
1268
merzeit passierbarer Morast, während alles andere
Vorland aus Wiesengrund bestand, der bei hohem
Wasserstande völlig überschwemmt wurde. Nur zwei
Dämme, der Lange und der Kurze Damm, führten
von Westen und Nordosten her durch diese Küstriner
Sumpf- und Wasserwildnis, in der nunmehr – etwa
nach dem Vorbilde von Mantua – eine » Sumpffes-
tung « anzulegen der italienische Baumeister Giro-mella berufen wurde. Dieser, sehr wahrscheinlich
durch die Sparsamkeit seines Bauherrn dazu be-
stimmt, beschränkte sich zunächst auf Herstellung
von Erd- und Torfwällen, die, fortifikatorisch geglie-
dert, die Stadt nach vier Seiten hin einzuschließen
hatten; als sich aber herausstellte, daß die großen
Frühjahrswasser der Oder und Warthe diese Wälle
wieder fortspülten, schritt man dazu, dieselben mit
Mauersteinen zu bekleiden.
1269
Schon 1543 waren die Befestigungen so weit gedie-
hen, daß sie mit Geschützen armiert werden konn-
ten, aber erst 1557 erfolgte jene vorerwähnte Be-
kleidung. Bis dahin waren, nach Angabe der Chronis-
ten, etwa 160 000 Gulden verausgabt worden.
Die Festung hatte damals (und in ihrem Kernstück
auch jetzt noch) die Form eines länglichen , unregelmäßigen Vierecks. Dieses Oblong war mit vier Eck-
bastionen versehen, zwischen denen sich, und zwar
an den zwei Langseiten des Oblongs, zwei weitere Mittelbastionen erhoben. Im ganzen also sechs. Diese sechs Bastionen hatten anfänglich andere Namen
als heute. Gegenwärtig heißen sie:
Eckbastionen.
Bastion König
Bastion Königin
Bastion Kronprinzessin
Bastion Philipp
Mittelbastionen.
Bastion Kronprinz
Bastion Brandenburg
Auf Bastion »Kronprinz« erhob sich und erhebt sich
noch der sogenannte »Hohe Kavalier«, ein besonders
fester Punkt, der eine vierfache Verteidigung gestat-
tet. Auf Bastion »Brandenburg« oder in seiner unmit-
telbaren Nähe vollendete sich die Katte-Tragödie.
1270
An den Schmalseiten des länglichen Vierecks befan-
den sich die zwei Festungstore: das Lange-Damm-
und das Kurze-Damm-Tor (jetzt Berliner und Zorn-
dorfer Tor), die den auf den vorgenannten beiden
Dämmen sich bewegenden Verkehr der Landschaft
mit der Stadt einzig und allein vermittelten. Auf dem
Langen-Damm-Tore stand ein Torhäuschen, in des-
sen einziger Stube Katte seine letzte Nacht vor der
Hinrichtung zubrachte. Auf vorstehender Zeichnung
ist das Häuschen mit einem
bezeichnet.
Innerhalb der Festungswerke lag die Stadt mit
Marktplatz, Kirche, Schloß, letzteres hart an den Wall
gelehnt, und zwar zwischen Bastion König und Basti-
on Brandenburg. Auf den Wällen selbst befand sich
alles, was eine Festung an Magazinen, an Gieß- und
Zeughäusern, an Pulver- und Getreidemühlen erfor-
derte. Unter seiner Armatur waren auch einzelne aus
der Küstriner Gießerei hervorgegangene berühmte
Geschütze, die nach damaliger Sitte besondere Na-
men hatten. Das eine derselben hieß »Der wilde
Mann«, ein anderes »Das Rebhuhn«. Dem »wilden
Mann« war folgende Inschrift gegeben:
Der Papst , das ist der »wilde Mann«,
Er hat all' Unglück richtet an,
Das Gott und Mensch nicht leiden kann.
Und bei dem »Rebhuhn« heißt es:
Das Rebhuhn mit seinem Schnabel pickt,
1271
Daß mancher drob zu Tod erschrickt.
So war Festung Küstrin. Sie galt für »unüberwind-
lich«. Daß sie sich nicht jederzeit als solche bewähr-
te, lag an anderem als an dem Mangel oder der Un-
zureichendheit ihrer Befestigungen.
Dies führt uns, mit Übergehung seiner nicht bedeu-
tenden Erlebnisse während des Dreißigjährigen Krie-
ges, auf seine zwei
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