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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Belagerungen von 1758
    und 1806.

    Das Bombardement vom 15. August 1758
    Die langsam heranziehenden russischen Kolonnen
    unter General Fermor waren am 14. August in un-
    mittelbarer Nähe von Küstrin eingetroffen. In diesem
    kommandierte Oberst Schack von Wuthenow, ein
    braver Mann, aber von geringer militärischer Bega-
    bung. Er hatte nur vier Bataillone zu seiner Verfü-
    gung. So schwach diese lebendige Verteidigung war,
    so stark war die tote: zahlreiche Geschütze standen
    gut placiert auf den Wällen, und aller Tadel, der
    nachträglich, und nicht unverdient, den Obersten
    und Kommandanten getroffen hat, läuft darauf hin-
    aus, daß er es versäumt habe, von dieser starken
    artilleristischen Ausrüstung einen richtigen und na-
    mentlich rechtzeitigen Gebrauch zu machen.
    Am 15. früh etablierten die Russen – und zwar un-
    behelligt durch irgendein diesseitiges Feuer, das, im

    1272

    rechten Moment, den Anmarsch mit Leichtigkeit hät-
    te hindern können – ihre Batterien zur Seite der Kur-
    zen-Damm-Vorstadt und begannen die Stadt aus
    allerhand kleinerem Geschütz, insonderheit aber aus
    zwei Schuwalowschen Haubitzen und vier »Einhör-
    nern«, zu bombardieren. Aus den »Einhörnern« wur-
    den sechsundneunzig Pfund schwere Kugeln gewor-
    fen. Gleich eine der ersten Granaten, die der Feind
    warf, zündete; um neun Uhr standen mehrere Stra-
    ßen in Flammen, und am Nachmittag war alles bis
    auf die Garnisonkirche und das mit
    bezeichnete
    Torhäuschen in einen Aschenhaufen verwandelt. Be-
    sonders nachteilig für die Neumark wurde der Um-
    stand, daß die Gefangenen, die sich in der Festung
    befanden, nicht nur umherliefen und plünderten,
    sondern auch alle Anordnungen zum Dämpfen des
    Feuers zu hintertreiben wußten. So ging ein großer
    Teil neumärkischen Landesvermögens, das man vor
    den heranrückenden Russen hierher geflüchtet hatte,
    verloren. Gegen die Festung wurde kein Schuß abgefeuert; nur auf Zerstörung der Stadt hatte man es abgesehen und fuhr mit dem Werfen von Brandrake-ten noch fort, als schon längst nichts mehr zu zerstö-
    ren war.
    Der 16. verging ruhig. Am 17. erschien ein Parla-
    mentär, um den Obersten von Schack zur Übergabe
    der Festung aufzufordern, widrigenfalls die ganze
    Garnison über die Klinge springen müsse.
    Von Schack, der von dem Heranziehen des Königs
    Kunde hatte, überhaupt mehr unfähig als mutlos
    war, wies das Ansinnen zurück.

    1273
    Am 21. erschien der König und begab sich von der
    linken Oderseite her, von der er anrückte, nach
    Küstrin hinein, einesteils um die russischen Stellun-
    gen zu rekognoszieren, anderenteils um die Festung
    selbst in Augenschein zu nehmen. Diese war noch im
    besten Zustande, aber der Anblick der eingeäscher-
    ten Stadt erfüllte ihn mit Wehmut. Als sich von
    Schack wegen seiner bei der Verteidigung begange-
    nen Fehler entschuldigen wollte, sagte der König:
    »Schweig Er; ich bin selbst schuld. Warum habe ich
    Ihn zum Kommandanten gemacht.«
    Tags darauf führte der König seine Regimenter über
    die Oder und stand am 24. zwischen Darmitzel und
    der Neudammschen Mühle dem Feinde gegenüber.
    »Mit solchem Kroop muß ich mich schlagen«, waren
    seine berühmt gewordenen Worte, als man ihm die
    ersten gefangenen Kosaken vorführte.
    Der 25. war der »Tag von Zorndorf«, und die russi-
    sche Flut, die wochenlang die Neumark über-
    schwemmt hatte, staute nun wieder zurück. Aber
    Küstrin lag in Trümmern, und das Land war eine
    Wüste. Der Marquis Montalembert schrieb nach Pa-
    ris: »Alles ist eingeäschert, tot, geflohen; man findet keine Menschen, kein Pferd, kein Herdenvieh mehr«,
    und dem neumärkischen Landrat von Wobeser, der
    um Vergütigung des erlittenen Brandschadens einge-
    kommen war, antwortete der König selbst in jenem
    grimmen Humor, zu dem er nur zu sehr berechtigt
    war: »Am Jüngsten Tage kriegt jeder alles wieder.«

    1274
    Bald nach dem Kriege wurde mit dem Wiederaufbau
    der Stadt begonnen. Er vollzog sich von 1768
    bis 1770, so daß das gegenwärtige Küstrin, mit allei-
    niger Ausnahme des Schlosses, das während des
    Bombardements nur partiell zerstört wurde, als eine
    verhältnismäßig neue Stadt angesehen werden kann.

    Küstrin am 1. November 1806
    Jena war geschlagen; flüchtig und in Auflösung beg-
    riffen, ging die preußische Armee über die Elbe, und
    nur einzelne Trümmer derselben erreichten noch die
    Oder. In die Flucht hineingerissen ward auch der Hof.
    Am 19. trafen König und

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