Wanderungen durch die Mark Brandenburg
sich in sei-
nen Plänen gehemmt, in seinen Interessen geschä-
digt zu sehen, trübte sein Urteil und riß ihn zu jäh-zornigen Entscheidungen fort.
All dieser seiner Fehler unerachtet war der Markgraf
ein bedeutender Fürst und ein Mann voll mutiger
Überzeugung, wovon er, vor eine letzte Entscheidung gestellt, ein vollgültiges und ihm zu ewigem Ruhme
gereichendes Zeugnis ablegte. Das war 1548 in
Augsburg, als auf dem Reichstage daselbst die für
Katholiken und Protestanten bestimmte Vereini-
gungsformel: das »Augsburger Interim«, zur Vorlage
kam. Keinem gefiel die Vorlage. Aber der Kaiser be-
stand auf ihrer Annahme, und die besiegten protes-
tantischen Fürsten schwiegen und – unterschrieben.
Nicht so Markgraf Hans. Er las das Schriftstück; dann
erhob er sich und erklärte vor Kaiser und Reich,
»daß er dies verführerische Gemisch von Wahrheit
und Trug nicht annehmen wolle. Lieber Beil als Fe-1265
der, lieber Blut als Tinte«, und damit schob er das
Schriftstück zurück. Der Kaiser sah ihn zornig an und
gebot ihm, den Reichstag zu verlassen – eine Ver-
bannung, der er gern gehorchte. Und heimgekehrt in
seine Stadt Küstrin, schrieb er über die Tür seines
Arbeitszimmers:
Hast du Feind' und fehlt dir Glück,
Hab guten Mut, weich nicht zurück.
In steter Hoffnung leb und trag,
Was dir auf Erden begegnen mag.
Um dieser seiner Standhaftigkeit willen ward er da-
mals als ein Hort und Retter jener Glaubensbefreiung
angesehen, der er in der Tat sein Leben gewidmet
hatte, und dem Urteil eines seiner Biographen wird
auch heute noch zuzustimmen sein: »daß sein
Einfluß auf das Schicksal des Protestantismus in
Deutschland ein sehr bedeutender gewesen sei, viel bedeutender, als selbst unsere märkischen Spezial-geschichten hervorzuheben pflegen«.
In dem neumärkischen Lande aber, das er ein Men-
schenalter lang regiert, lebt sein Andenken fort bis
diesen Tag, freilich nicht in seiner Eigenschaft als
Führer und Beschützer der protestantischen Sache!
Was er nach dieser Seite hin getan, konnte nicht Wurzel fassen in den Gemütern eines Stammes, von
dem in Lob und Tadel gesagt worden ist, »daß er
keine Heiligen hervorgebracht, aber auch keine Ket-
zer verbrannt habe «. Er lebt fort in dem , was diesem tüchtigen, aber durchaus nüchternen Mischvolk zu
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beiden Seiten der Oder allezeit das Wichtigste war,
in Fragen der Ordnung und der Vorsorge, des Häusli-
chen und des Wirtschaftlichen. Und das spiegelt sich
in den Sagen, die bis heute von ihm umgehen. »In
den Kasematten von Küstrin«, so heißt es, »steht
sein Bett, das hängt in Ketten, und ein altes Mütter-
chen ist ausdrücklich gehalten, es jeden Tag aufs
sorglichste zu machen. Des Morgens aber ist eine
Grube darin und eine warme Stelle, als hätte wer
darin gelegen.« – »Und fremdes Volk«, so plaudert
die Sage weiter, »mag er in seiner Stadt nicht leiden,
am wenigsten einen Feind. Das hat manche französi-
sche Schildwacht erfahren müssen, und ging sie zu
nah am Rande des Wallgangs, der zwischen Bastion
König und Bastion Brandenburg läuft, so war er bald
neben ihr und sprach mit ihr und stieß sie hinunter.«
Und mit diesen Sagen gemeinschaftlich werden die
Geschichten erzählt von dem Quartschner Schäfer
und dem Nürnberger Büchsenschmied, und Markgraf
Hans ist noch jetzt der »Regente« des Landes, das er
streng, aber segensreich regiert.
Die Festung Küstrin und ihre Bela-
gerungen
Einer Reihe von Schöpfungen des Markgrafen Hans
habe ich in vorstehendem gedacht, über die bedeu-
tendste aber bin ich bis hierher hinweggegangen:
über die Befestigung Küstrins.
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Was ihn dazu bestimmte, den offenen Ort in eine
Festung zu verwandeln, darüber ist hin und her ge-
stritten worden. Nach den einen geschah es, weil ihn
der Schmalkaldische Krieg über den Wert stark be-
festigter Plätze belehrt habe, nach anderen, weil er
es für geboten ansah, »sich gegen das Papsttum zu
schützen«. Beide Angaben unterliegen aber gerech-
ten Zweifeln, ja sind mit Hülfe historischer Zahlen zu
widerlegen. Als Markgraf Hans, bereits um 1536, mit
den Befestigungen begann, stand der Schmalkaldi-
sche Krieg noch weit in Sicht, und von einer Furcht
»vor dem Papsttum« konnte für ihn , der damals selber noch im »Papsttume« stand, am allerwenigsten
die Rede sein. Und so dürfen wir denn die Gründe
zur Befestigung des Orts nicht in einer besonderen
politischen
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