Wanderungen durch die Mark Brandenburg
ge-
treuer Diener H. H. Katt. Königsberg,
23. November 1730. Nachschrift: Lassen Sie sich doch von Herrn von Platen den Abschiedsbrief zeigen, den das arme Wurm unterwegs im Wirtshause
auf Zettelpapier geschrieben hat.«
Der Brief, von dem der alte Generallieutenant hier
spricht, ist der, den Katte am 3. November auf sei-
ner Fahrt nach Küstrin im ersten Nachtquartier nie-
derschrieb und den ich an betreffender Stelle mitge-
1335
teilt habe. Dem hier Vorstehenden nach scheint es
fast, daß der Vater am 23. November das Abschieds-
schreiben noch nicht in Händen hatte, wohl aber
durch andere briefliche Mitteilungen aus Berlin von
seiner Existenz unterrichtet war.
Der zweite Brief – wie der erste mit Trauerrand – ist vier Wochen später an den Kammerpräsidenten
selbst gerichtet.
»Hochwohlgeborener Herr, wertester Herr Bruder!
Ich bin Euch unendlich obligieret für Euer herzlich
bezeugtes Mitleiden. Ja, mein lieber Bruder, Trost ist
mir bei diesen betrübten Umständen höchst nötig;
und obwohl der barmherzige Gott mir viel Gnade
getan und bei meinem schweren Kreuz so viel Tröst-
liches gegeben hat, so will doch die natürliche Liebe
sich noch nicht brechen, kann sich auch so bald nicht geben!
Ich weiß nicht, wie Gott mir alles solchergestalt zu-
führet, daß es mir zum Trost und Soulagement die-
nen muß.
1. Mein lieber Bruder, ist es nicht tröstlich, dieses
schöne und exempelwürdige Ende?
2. Ist es nicht tröstlich, daß die Exekution in Küstrin hat geschehen müssen, um allen Leuten begreiflich
zu machen, warum er ein Sacrifice?!
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3. Ebenso, daß das Kriegsgericht ihm nicht das Leben abgesprochen, sondern des Königs Machtspruch.
4. Daß mein Sohn so généralement von aller Welt
beklaget und bedauert wird. (Es ist étonnant was
man hier für ihn tut. Die Menschen sprechen nur von
ihm. Sein Portrait haben hier zwei Leute, eines da-
von der Maler, wo er zeichnen lernte. Dies Bildnis
wird oft abgeholet, um kopiert zu werden. Der Maler
hat noch einige Studienblätter, auf denen der Name
meines Sohnes steht. Sie kaufen alles weg und zah-
len, was er haben will. In den größten Häusern wird
er bedauert, als ob ihnen ein Verwandter gestorben
wäre.)
Der Kronprinz soll so wehmütig Abschied von ihm
genommen haben.
Endlich schreibt mir der König so viel gnädige Briefe
und bittet mich recht, mich zufriedenzugeben . Aber, mein lieber Bruder, hart ist es für einen Vater, sein
Kind auf solche Art zu verlieren. Der König hat mir
eine Information aus den Akten schicken lassen. An-
fänglich habe ich sie nicht lesen wollen, aber nun
möchte ich um nichts in der Welt, daß ich diese In-
formation nicht hätte. Mein Herz möchte manchen Morgen vor Tränen vergehen, wenn ich an meinen
lieben Sohn gedenke. Manche Zeit geht es, aber
dann kommt wieder ein Stoß, so daß ich mich nicht
fassen kann. Und doch, mein lieber Bruder, lasset
uns den barmherzigen Gott und seine Zornrute in
Demut küssen... Gott wird uns nicht verlassen. Was
wir nicht erleben, wird er unsere Kinder genießen
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lassen. Mein Sohn hat mich einige Stunden vor sei-
nem Ableben gebeten, unseren Albrecht nach Halle
zu schicken und im Pädagogio in Gottesfurcht erzie-
hen zu lassen. Er hätte Freylinghausens ›Theologia‹
viermal durchgehöret; die täte ihm an seinem Ende
wohl. Ich möchte mich nicht so sehr betrüben über
seinen Abschied. Er versicherte mir, daß er gewiß
selig werde, und hat dem Prediger zum Zeugnis sei-
nes Glaubens die Hand gegeben. Nun, mein lieber
Bruder, lebet wohl... Ich bin Euer getreuer Diener
H. H. Katt. Königsberg, den 19. Dezember 1730.
Nachschrift: Schreibet mir doch, ob Ihr meines Sohnes Brief an den König, an den Feldmarschall (von
Wartensleben) und an mich habet. Auch die königli-
che Reprimande an das Kriegsgericht und seine ei-
gene Sentenz.«
Das Recht und das Schwert
Die Hinrichtung Kattes, abgesehen von ihrer ge-
schichtlichen Bedeutung, ist auch in ihrer Eigenschaft
als Rechtsfall immer als eine cause célèbre betrachtet worden. War es Gesetz oder Willkür? War es Ge-
rechtigkeit oder Grausamkeit? So steht die Frage.
Unsere Zeit, einerseits in Verweichlichung, anderer-
seits in Oberflächlichkeit, die nicht tief genug in den Fall eindringt, hat in dem Geschehenen einen Fleck
auf dem blanken Schilde der Hohenzollern erkennen
wollen. Ich meinerseits erkenne darin einen
Schmuck , einen Edelstein. Daß es ein
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