Wanderungen durch die Mark Brandenburg
komplot-
tieren, au contraire es Seiner Königlichen Majestät
hätte angeben sollen, so wissen Seine Majestät
nicht, was vor kahle Raisons das Kriegsrecht ge-
nommen und ihm das Leben nicht abgesprochen
hat.«
Es ist nur eines , was uns in diesem Schreckens-
schauspiel – denn ein solches bleibt es – widerstrebt
und widersteht: der König wechselt hier die Rolle mit
dem Richter. Er läßt das Recht über die Gnade ge-
hen . Und das soll nicht sein.
Wenn aber etwas damit versöhnen kann, so ist es
das , daß er dies im eigenen Herzen empfunden hat.
Hören wir noch einmal ihn selbst: »Wenn das Kriegs-
recht dem Katten die Sentenz publizieret, so soll ihm
gesagt werden, daß es Seiner Königlichen Majestät
leid täte ; es wäre aber besser, daß er stürbe, als daß die Justiz aus der Welt käme.« Ein großartiges Wort,
das ich nie gelesen habe (und ich habe es oft gele-
sen), ohne davon im Innersten erschüttert zu wer-
den. Wer will nach dem noch von Biegung des Rechtes sprechen!
Es war ein grades Recht, freilich auch ein scharfes.
Und das Schwert , das zuletzt diese Schärfe besiegelte – es existiert noch. Die Familie Katte selbst besitzt es , und auf dem alten Katten-Gute Vieritz, eine Meile von Wust, wird es bis diese Stunde aufbewahrt.
1342
Dreimal wurd es gebraucht, und drei Namen sind
eingekritzelt. Der dritte und letzte aber heißt: Hans
Hermann von Katte.
1. Wie die Armee über den Fall dachte, darüber
geben die » Kriegsgerichtsprotokolle «, über
die ich weiter oben ausführlich gesprochen,
den besten Aufschluß. Das »Kriegsgericht« als
Ganzes entschied in seiner Schlußsitzung am
28. Oktober allerdings für lebenslängliche
Festungsstrafe. Liest man aber die einzelnen
Protokolle, will sagen die Separatvota der fünf
Ranggruppen durch, so ergibt sich, daß eine
Majorität von neun Stimmen (die Majore, die
Oberstlieutenants und die Obersten) für Tod
und eine Minorität von sieben Stimmen (die
Capitaine und die Generalmajore, dazu der
Vorsitzende selbst) für lebenslängliche Fes-
tung stimmten. Der König, als er das Urteil
schärfte, stieß also nur das Schlußurteil um,
das unter dem hohen moralischen Ansehen
der mildesten und vornehmsten: Achaz von
der Schulenburg, General Graf Schwerin und
General Graf Dönhoff, sich gebildet hatte, und
griff auf die vorher dagewesene Majorität der
Einzelstimmen zurück.
2. Diese Komplotte waren nichts weniger als
harmloser Natur und nahmen auf die Lage
des Königs und des Landes nicht die geringste
Rücksicht. England (um nur einen Fall he-
1343
rauszugreifen) sollte helfen, und der englische
Legationssekretär Guy Dickens ward ins Ver-
trauen gezogen. Er übernahm es auch, sei-
nem Hofe Vorstellungen zu machen, brachte
jedoch einen Refus zurück, »weil ein Sichein-
mischen das Feuer an allen Ecken in Europa
anzünden und die Brouillerien mit England
nur noch stärker machen würde«. Man er-
kennt in dieser englischen Antwort sehr gut
den starken und ernsten politischen Hinter-
grund, den der ganze Hergang hatte.
Tamsel
Hoch ragt aus schattigen Gehegen
Ein schimmerndes Schloß hervor.
Chamisso
I
Tamsel ist ein reiches, schön gelegenes Dorf, etwa
eine Wegstunde nordöstlich von Küstrin. Waldhügel,
deren gewundene Linien mutmaßlich das alte Bett
der Warthe bezeichnen, schließen es von Norden her
ein, während nach Süden hin die Landschaft offen
liegt und die Flußarme in allerlei Windungen sich
durch das Bruchland ziehen.
1344
Die Küstriner hängen mit einer Art Begeisterung an
Tamsel, und bei bloßer Namensnennung überfliegt
ein Lächeln ihre Züge, nicht unähnlich jener stillen
Heiterkeit, mit der echte Berliner, soweit es deren
noch gibt, den Namen »Charlottenburg« auszuspre-
chen pflegen. Hier wie dort mischt sich kein Stolz
über Historisches in dieses Lächeln; es ist vielmehr
nur der Ausdruck eines plötzlich wiederbelebten
Wohlgefallens, einer freundlichen Rückerinnerung an
Park und Schloß, an Wasserpartien und Feuerwerke,
an allerlei bunte Landschaftsbilder überhaupt, die bei
dem freundlichen Klange noch einmal an dem inne-
ren Auge vorüberziehen.
Und doch ist Tamsel ein historischer Name, wie
Charlottenburg ein solcher ist. Er hat selbst eine
Vorgeschichte. Wir verweilen aber nicht bei dieser
und versuchen nicht festzustellen, wann die Templer
in seinen Besitz kamen und wann sie diesen ihren
Besitz an den Johanniterorden
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