Wanderungen durch die Mark Brandenburg
meines Bruders willen, ihm einen
Augenblick Gehör zu schenken. Und so hatten wir
denn wieder ein längeres Gespräch.
›Ich bin in Verzweiflung‹, sagte er, ›über Eurer Kö-
niglichen Hoheit Ungnade. Man hat Ihnen falsche
Nachrichten über mich gebracht. Man beschuldigt
mich, den Kronprinzen in seinen Fluchtplänen zu be-
stärken. Umgekehrt, ich hab es ihm abgeschlagen,
ihm zu folgen. Und ich stehe Ew. Königlichen Hoheit
mit meinem Kopf dafür , daß er diesen Schritt nicht ohne mich unternehmen wird.‹
›Ich sehe Ihren Kopf schon zwischen Ihren Schultern
wackeln‹, replizierte ich. ›Und wenn Sie nicht bald
Ihr Benehmen ändern, so werd ich ihn leicht vor Ih-
ren Füßen sehen.‹ Er wollte antworten, aber ich fuhr
1329
fort: ›Ich leugne Ihnen nicht, daß wir, die Königin
und ich, sehr unzufrieden mit Ihnen sind, weil Sie die
Pläne meines Bruders ausschwatzen; vor allem aber
ziemt es sich nicht für Sie, mein Portrait zu besitzen
und damit zu prunken. Die Königin hat es Ihnen ab-
fordern lassen, und Sie hätten die Pflicht gehabt, ihr
zu gehorchen und es uns wieder zuzustellen.‹
Er wußte sich jedoch geschickt herauszureden und
versicherte nur immer wieder, daß er das Portrait
lediglich als eine Probe seiner Arbeit gezeigt habe, es auch härter als den Tod empfinden würde, wenn er
sich davon trennen müsse.
›Sie spielen ein großes Spiel‹, schloß ich, ›und ich
fürchte sehr, daß ich in allem, was ich Ihnen gesagt
habe, nur ein allzu guter Prophet gewesen bin.‹
›Wenn ich den Kopf verliere‹, antwortete er, ›so ge-
schieht es um einer schönen Sache willen. Aber der
Prinz wird mich nicht im Stiche lassen.‹
Nach dieser Unterredung« – so schließt die Prinzes-
sin – »trennten wir uns. Es war das letzte Mal, daß
ich ihn sah, und ich glaubte damals nicht, daß sich
meine Voraussagungen so bald erfüllen würden.«
Dies Zwiegespräch fand am 11. August statt. Am 16.
ward er verhaftet. Was danach folgte, ist in den vor-
aufgegangenen Abschnitten dieses Kapitels erzählt
worden.
1330
Es erübrigt nur noch die Frage: Welche Dinge sind
vorhanden, die den Namen Kattes in der einen oder
anderen Weise bis diesen Tag festhalten: Baulichkei-
ten, Hausgerät, Bilder.
Briefe (wenn nicht das Staatsarchiv einiges davon
bei den Akten hat) scheinen originaliter nicht mehr
zu existieren; das »Wachtlokal« in der Kaserne des
Regiments Gensdarmes ist, wie die Kaserne selbst,
längst vom Schauplatz verschwunden, und das
Küstriner Torhäuschen, in dem er die Nacht vor sei-
nem Tode zubrachte, wurde neuerdings bei Weg-
räumung des Tores mit niedergerissen. Auf Schloß
Retzin dagegen befindet sich noch eine silberne, das
Kattesche Wappen tragende Zuckerdose, die der
Gefangene mit in sein Gefängnis genommen haben
soll, und drei Bilder sind noch vorhanden – an übri-
gens sehr verschiedenen Stellen –, die den Anspruch
erheben, Bildnisse Hans Hermann von Kattes zu
sein.
Das erste Katte-Portrait ist königliches Eigentum und befindet sich zu Schloß Charlottenburg in dem, soviel
ich weiß, bis diesen Augenblick unberührt erhaltenen
Arbeitscabinette König Friedrich Wilhelms des Vier-
ten. Es hing, als ich es vor einer Reihe von Jahren
zum ersten Male sah, über der Eingangstür.
Das zweite Katte-Portrait ist im Besitz von Gustav zu Putlitz auf Schloß Retzin in der Prignitz. Er schreibt
darüber folgendes: »Kattes Halbschwester war mei-
ne Urgroßmutter, und aus der Nachlassenschaft ei-
ner Tochter derselben (meiner Großtante) kam die-
1331
ses Bildnis in unser Haus. Ich entsinne mich deutlich
noch des Tages, als es mit vielem anderen uralten
Hausgerät ausgepackt wurde. Es machte einen gro-
ßen Eindruck auf mich, trotzdem ich noch ein Kind
war, denn ich kannte die Geschichte Kattes, die mir
von der alten Tante als eine Familientradition oft
erzählt worden war. Das einsame, abgeschlossene
und meist ereignislose Leben jener Zeit erhielt die
Familiengeschichten durch Generationen hin lebendig
und gab ihnen besondere Wichtigkeit.«
Das dritte Katte-Portrait befindet sich inmitten anderer Familienportraits aus jener Zeit in dem großen
Empfangssaale des Herrenhauses zu Wust.
Sind diese Bildnisse zuverlässig? Keines stimmt mit
der charakteristischen Personalbeschreibung, die
sowohl Pöllnitz wie die Markgräfin von von Katte ge-
geben haben. »Häßlich, blatternarbig, mit breiten,
buschigen Augenbrauen«
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