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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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und infolge davon »finster,
    melancholisch, unheimlich«. Vergleichen wir damit
    die Portraits, so zeigen uns dieselben einen eher
    hübschen als häßlichen, eher fröhlichen als finsteren,
    eher anheimelnden als unheimlichen jungen Mann.
    Wenn wir, trotz der daraus entstehenden Zweifel, auf
    diese Bilder hingewiesen haben, so geschah es, um
    an einem glänzenden Beispiele zu zeigen, wie viel
    oder wenig es mit derartigen Echtheitsversicherun-
    gen1) auf sich zu haben pflegt.
    Der Strom der Tradition, solang er ununterbrochen
    fließt, kann unter Umständen ebenso wertvoll, ja
    wertvoller sein als das verbürgteste Aktenstück. Aber

    1332
    nichts ist seltener als solche Kontinuität der Überlie-
    ferung. Und nur einen Tag unterbrochen, bemächtigten sich Willkür und Einbildungskraft des Gegenstan-
    des, und das Chaos der Meinungen beginnt.

    1. König Friedrich Wilhelm IV. soll das Charlot-
    tenburger Katte-Bild, als er es erwarb, für
    echt, später aber für unecht gehalten haben.
    Geheimer Hofrat Bußler in Berlin, dem alle
    diese Dinge unterstehen, hält es für unecht.
    Schon um der Uniform willen, die er etwas
    später setzt.
    Der König und die Kattes
    Der König hatte für den Sohn nur die Strenge des
    Gesetzes gehabt; anders für den Vater. Das Füllhorn
    seiner Gnade war über ihm. Er wußte wohl, was er
    dem Herzen und Namen desselben an Schmerz und
    Kränkung angetan hatte, und alle seine Bemühungen
    – Bemühungen, die sich zeitweilig in die Form von
    Zartheiten kleideten – gingen zehn Jahre lang un-
    ausgesetzt dahin, das Geschehene vergessen zu ma-
    chen oder wenigstens nach Kräften auszugleichen.
    Freilich nur mit halbem Erfolg. Der alte Katte nahm
    alle diese Gnadenbezeugungen hin und dankte dafür
    und küßte seines gnädigen Königs Hand; aber die
    Freude des Daseins war aus seinem Leben gewichen,
    und eine Reihe von Briefen, die durchzusehen mir
    gestattet war, gibt in rührender Weise Zeugnis da-
    von.

    1333
    Aus der Reihe dieser Briefe will ich in nachstehendem
    zwei mitteilen, die, noch unter dem ersten Eindruck geschrieben, seitens des Generallieutenants an seinen Bruder, den Kammerpräsidenten von Katte zu
    Magdeburg, gerichtet wurden. Der erste dieser Briefe
    an die Gemahlin des Kammerpräsidenten lautet:
    »Hochwohlgeborne Frau, sehr werteste Frau Schwes-
    ter! Die betrübten Umstände, darin ich nach Gottes
    heiligem, unbegreiflichem Willen gesetzet worden
    bin, sind wohl mit keiner Feder zu beschreiben, und
    wenn ich nicht auf Gott sähe, so müßte ich verge-
    hen.
    Meine liebe Frau Schwester, considerieren Sie mein
    Elend. Ist es möglich, es auszustehen! Anfänglich
    wußte ich nicht, wo ich war. Keine Träne ist aus mei-
    nen Augen gekommen... Bei meiner Frau war Dok-
    tor, Priester und Feldscher. Bedenken Sie das Elend
    in meinem Hause. Wäre nicht die Herzogin und Prin-
    zessin gekommen, meine Frau wäre uns unter den
    Händen geblieben. Gott vergelte es ihnen.
    Ich möchte vor Trauer vergehen, wenn ich an mei-
    nen Sohn gedenke. Mein Sohn hat es vergeben; ich
    muß es auch tun. Man hat dem Könige die Sache
    größer gemacht; ihr Ende ist noch nicht da. Mein Sohn stehet vor dem gerechten Richter, und tröstet
    mich sein schönes Ende. Aber morgens und abends
    quälet mich sein Tod. Des Königs gnädige Briefe
    können ihn mir nicht wiedergeben .

    1334
    Mein Sohn hat dem Major von Schack (der mit kom-
    mandiert gewesen) in seine Schreibtafel seinen Letz-
    ten Willen diktieret. Unter anderem soll der Kriegsrat
    Katt seine güldene Tabatière und einen Schimmel
    mit dem roten Sattel haben... Ich will soviel als mög-
    lich in allem seinen Letzten Willen erfüllen. Es ist
    seine letzte Bitte gewesen: ich wolle doch ja seine
    Schulden bezahlen, damit niemand über ihn seufze .
    Da dies nun aus einer noblen Seele kommt, werde
    ich nach Möglichkeit alles tun.
    Meine liebe Frau Schwester, haben Sie doch Mitleid
    mit mir. Ich möchte vergehen, wenn ich an meinen
    Sohn gedenke. Gott hat mir gar zu schweres Kreuz
    auferlegt. Mein Gott, wie ist mir zumute. Der arme
    Wurm hat kaum vier Tage Zeit gehabt, sich zu prä-
    parieren; aber der barmherzige Gott hat Wunder an
    ihm erwiesen. Der sei gepreiset! Aber welche harte
    Wege führt mich mein Gott. Engels-Frau Schwester,
    grüßen Sie meinen Bruder und schicken Sie mir cito
    die Namen aller derer, so man es notifizieren muß.
    Ich kenne unsere Freundschaft nicht... Ich bin, mei-
    ne Engels-Frau Schwester, anitzo in Tränen Ihr

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