Wanderungen durch die Mark Brandenburg
und infolge davon »finster,
melancholisch, unheimlich«. Vergleichen wir damit
die Portraits, so zeigen uns dieselben einen eher
hübschen als häßlichen, eher fröhlichen als finsteren,
eher anheimelnden als unheimlichen jungen Mann.
Wenn wir, trotz der daraus entstehenden Zweifel, auf
diese Bilder hingewiesen haben, so geschah es, um
an einem glänzenden Beispiele zu zeigen, wie viel
oder wenig es mit derartigen Echtheitsversicherun-
gen1) auf sich zu haben pflegt.
Der Strom der Tradition, solang er ununterbrochen
fließt, kann unter Umständen ebenso wertvoll, ja
wertvoller sein als das verbürgteste Aktenstück. Aber
1332
nichts ist seltener als solche Kontinuität der Überlie-
ferung. Und nur einen Tag unterbrochen, bemächtigten sich Willkür und Einbildungskraft des Gegenstan-
des, und das Chaos der Meinungen beginnt.
1. König Friedrich Wilhelm IV. soll das Charlot-
tenburger Katte-Bild, als er es erwarb, für
echt, später aber für unecht gehalten haben.
Geheimer Hofrat Bußler in Berlin, dem alle
diese Dinge unterstehen, hält es für unecht.
Schon um der Uniform willen, die er etwas
später setzt.
Der König und die Kattes
Der König hatte für den Sohn nur die Strenge des
Gesetzes gehabt; anders für den Vater. Das Füllhorn
seiner Gnade war über ihm. Er wußte wohl, was er
dem Herzen und Namen desselben an Schmerz und
Kränkung angetan hatte, und alle seine Bemühungen
– Bemühungen, die sich zeitweilig in die Form von
Zartheiten kleideten – gingen zehn Jahre lang un-
ausgesetzt dahin, das Geschehene vergessen zu ma-
chen oder wenigstens nach Kräften auszugleichen.
Freilich nur mit halbem Erfolg. Der alte Katte nahm
alle diese Gnadenbezeugungen hin und dankte dafür
und küßte seines gnädigen Königs Hand; aber die
Freude des Daseins war aus seinem Leben gewichen,
und eine Reihe von Briefen, die durchzusehen mir
gestattet war, gibt in rührender Weise Zeugnis da-
von.
1333
Aus der Reihe dieser Briefe will ich in nachstehendem
zwei mitteilen, die, noch unter dem ersten Eindruck geschrieben, seitens des Generallieutenants an seinen Bruder, den Kammerpräsidenten von Katte zu
Magdeburg, gerichtet wurden. Der erste dieser Briefe
an die Gemahlin des Kammerpräsidenten lautet:
»Hochwohlgeborne Frau, sehr werteste Frau Schwes-
ter! Die betrübten Umstände, darin ich nach Gottes
heiligem, unbegreiflichem Willen gesetzet worden
bin, sind wohl mit keiner Feder zu beschreiben, und
wenn ich nicht auf Gott sähe, so müßte ich verge-
hen.
Meine liebe Frau Schwester, considerieren Sie mein
Elend. Ist es möglich, es auszustehen! Anfänglich
wußte ich nicht, wo ich war. Keine Träne ist aus mei-
nen Augen gekommen... Bei meiner Frau war Dok-
tor, Priester und Feldscher. Bedenken Sie das Elend
in meinem Hause. Wäre nicht die Herzogin und Prin-
zessin gekommen, meine Frau wäre uns unter den
Händen geblieben. Gott vergelte es ihnen.
Ich möchte vor Trauer vergehen, wenn ich an mei-
nen Sohn gedenke. Mein Sohn hat es vergeben; ich
muß es auch tun. Man hat dem Könige die Sache
größer gemacht; ihr Ende ist noch nicht da. Mein Sohn stehet vor dem gerechten Richter, und tröstet
mich sein schönes Ende. Aber morgens und abends
quälet mich sein Tod. Des Königs gnädige Briefe
können ihn mir nicht wiedergeben .
1334
Mein Sohn hat dem Major von Schack (der mit kom-
mandiert gewesen) in seine Schreibtafel seinen Letz-
ten Willen diktieret. Unter anderem soll der Kriegsrat
Katt seine güldene Tabatière und einen Schimmel
mit dem roten Sattel haben... Ich will soviel als mög-
lich in allem seinen Letzten Willen erfüllen. Es ist
seine letzte Bitte gewesen: ich wolle doch ja seine
Schulden bezahlen, damit niemand über ihn seufze .
Da dies nun aus einer noblen Seele kommt, werde
ich nach Möglichkeit alles tun.
Meine liebe Frau Schwester, haben Sie doch Mitleid
mit mir. Ich möchte vergehen, wenn ich an meinen
Sohn gedenke. Gott hat mir gar zu schweres Kreuz
auferlegt. Mein Gott, wie ist mir zumute. Der arme
Wurm hat kaum vier Tage Zeit gehabt, sich zu prä-
parieren; aber der barmherzige Gott hat Wunder an
ihm erwiesen. Der sei gepreiset! Aber welche harte
Wege führt mich mein Gott. Engels-Frau Schwester,
grüßen Sie meinen Bruder und schicken Sie mir cito
die Namen aller derer, so man es notifizieren muß.
Ich kenne unsere Freundschaft nicht... Ich bin, mei-
ne Engels-Frau Schwester, anitzo in Tränen Ihr
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