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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Kurfürst
    gezwungen, zu einem bevorstehenden »Zuge gegen
    die Ungläubigen«, dessen Hauptzweck die Einnahme
    Ofens war, ein Hülfscorps von 8000 Mann zu stellen.
    Der Kurfürst sah sich »gezwungen«, diese Auxiliar-
    macht zu stellen; aber wir würden irren, wenn wir
    aus dieser Bezeichnung ableiten wollten, daß der
    Kurfürst nur einem Zwange nachgegeben und für die
    Besiegung des Christenfeindes kein Herz gehabt ha-
    be. Die Sache war einfach die, daß er seinem er-
    schöpften, durch immer neue Kriege gegangenen
    Lande vor allem den Frieden gönnte. Der protestan-
    tische Norden stand ohnehin anders zur Türkenfrage
    wie der katholische Süden, ja, ein bedrohtes Oster-
    reich erschien manchem lutherischen Herzen als
    gleichbedeutend mit Sicherung und Kräftigung des
    Protestantismus; aber weit über dieses Abwägen
    einzelner hinaus ging doch, als Grundstimmung ,
    durch die ganze Christenheit ein Doppelgefühl von
    Furcht und Haß gegen die Ungläubigen. Das siegrei-
    che Vordringen der Türken bis an die Tore
    Wiens (1683) war noch frisch im Gedächtnis, und
    eine dunkle, im Volke fortlebende Erinnerung an die
    Tatarenhorden, die einst bis an die Oder hin alles
    verwüstet hatten, mochte auch in den kurfürstlichen
    Landen die Vorstellung einer Gefahr und den guten
    Willen, ihr vorzubeugen, wachgerufen haben.2)

    1357
    1. Schöning war nicht mit bei Fehrbellin. Er be-
    fand sich unter den Fuß truppen, die, unser
    dem Oberbefehl General Görtzkes, den Rei-
    terregimentern nachrückten.

    2. Als Ofen endlich gefallen war, weckte die
    Nachricht davon in ganz Europa ein Gefühl
    freudigen Dankes. Aus Rom wurde berichtet:
    »der Papst habe mit lauter Stimme und unter
    den Dankestränen der Kardinäle das Gebet
    verrichteter. Überall wurden Feste gefeiert, in
    Genua, Madrid, Brüssel etc. drei Tage lang,
    und der Kurfürst schrieb, daß er die vergnüg-
    te, für die gesamte Christenheit so importante
    Nachricht während des Gottesdienstes in
    Potsdam empfangen und dem Allerhöchsten
    für die Besiegung eines so blutdürstigen Fein-
    des öffentlich gedankt habe«. Man empfand
    die Abwendung einer Gefahr, die das Chris-
    tentum überhaupt bedroht hatte.

    Wenn dieses Gefühl schon im protestantischen Nor-
    den lebendig war, so stieg es in den katholischen
    Ländern Südeuropas bis zu einem Enthusiasmus,
    ähnlich dem, wie ihn die Kreuzzüge gesehen hatten.
    Von allen Seiten strömten Freiwillige auf den Kampf-
    platz, besonders aus Spanien. In Wien fanden sich
    diese Volontairs zusammen, darunter allein sechzig
    Katalonier, und wurden dem Starhembergischen Re-
    gimente als eine eigene Truppe beigegeben. Astorga,
    ein Spanier, führte dieses Freiwilligencorps, das spä-

    1358
    ter vor Ofen mit höchster Auszeichnung focht und
    beinahe vollständig aufgerieben wurde. Gleich zu
    Anfang, bei einem der ersten Ausfälle der Türken,
    fielen der Herzog de Vecha, ein Grande von Spanien,
    und Karl Freiherr von Derfflinger, jüngster Sohn des
    Feldmarschalls, der, von einer Reise in Italien eben
    zurückkehrend, in die Astorgasche Volontaircom-
    pagnie eingetreten war.1)
    Wir sind aber, in der Absicht, den Geist zu schildern,
    der damals das christliche Europa durchwehte, Schö-
    ning weit vorausgeeilt, den wir zunächst noch in
    Krossen, an der märkisch-schlesischen Grenze, fin-
    den, wohin von Ost und West, von Königsberg und
    Kleve her, die Truppen beordert waren, die nach
    dem Willen des Kurfürsten das brandenburgische
    Hülfscorps bilden sollten. Der Kurfürst selbst nahm
    am 17. April die Musterung ab. Ein Augenzeuge be-
    schreibt die Truppen wie folgt: »Die Service war ü-
    beraus kostbar, und trachtete darinnen einer den
    andern zu übertreffen, indem etliche sie gar von
    Augsburg und anderen Orten hatten herbeischaffen
    lassen. Die Infanterie war blau, die Artillerie braun,
    die Kavallerie, sowohl Reiter als Dragoner, in lederne
    Kollette gekleidet. Zwei Soldaten bekamen ein Zelt
    und einen Strohsack (welch ein Train!), damit sie,
    wenn sie an einem Ort anlangten, nicht nach Holz
    oder Stroh laufen dürften. Die Unteroffiziere und
    Pikeniere hatten Pistolen im Gürtel und die Derfflin-
    gerschen Bataillone Kessel an der Seite; die Reiter
    und Dragoner führten dabei noch Dolche.« So waren
    die 8000 Brandenburger, die durch Schlesien und
    den Jablunka-Paß vor die Türkenfestung Ofen zogen,

    1359
    Hans Adam von Schöning als Oberstkommandieren-
    der, General von Barfus und General von der Marwitz
    als

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