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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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nächste im Kommando.
    Am. 24. Juni trafen die Brandenburger vor Ofen ein,
    das bereits seit mehreren Wochen von einer Reichs-
    armee von über 90 000 Mann unter Führung des
    Herzogs von Lothringen belagert und durch
    14 000 Janitscharen und Spahis unter Oberbefehl
    von Abd ur Rahmân Pascha verteidigt wurde.
    1200 Brandenburger unter General von der Marwitz
    rückten sofort in die Linie ein, avancierten unter dem
    lauten Beifall der ganzen alliierten Armee bis auf
    fünfzig Schritt an die Stadtmauer und stellten rechts
    und links ihre Verbindung mit den Kaiserlichen her.
    Die Festung war nun völlig zerniert. Aber noch über
    zwei Monate vergingen bis zum letzten siegreichen
    Sturm, und während dieser Monate wurden, wie die
    Belagernden überhaupt, so auch namentlich die
    Brandenburger von immer wachsenden Verlusten
    betroffen. Der Minenkrieg kostete Opfer über Opfer,
    und die zahlreichen Ausfälle konnten nur mit großem
    Verlust an Menschenleben zurückgeschlagen werden.
    Von drei Grafen Dohna, die mit vor Ofen waren, fie-
    len zwei, während der dritte, Graf Christoph, dessen
    Memoiren für die Geschichte jener Zeit und jener
    Belagerung so wichtig sind, verwundet wurde. In
    Wahrheit traf das Sprüchwort zu, das damals in Kurs
    kam: »Je näher dem Ofen, je größer die Hitze.« Ta-
    ten größter persönlicher Tapferkeit geschahen von
    beiden Seiten. Lieutenant von Wobeser, nachdem
    sein älterer Bruder, ein Capitain im Bataillon Prinz
    Philipp, von einem Spahi niedergesäbelt war, ging

    1360
    vor, um seinen Bruder zu rächen oder sein Schicksal
    zu teilen, und auf einen türkischen Anführer förmlich
    Jagd machend, zerschmetterte er ihm, im endlichen
    Zweikampf, mit einem Morgensterne den Kopf.
    Der 17. August war der Tag, der über das Schicksal
    der Festung entschied. An diesem Tag erschien vor
    Ofen das große türkische Heer, 70 000 Mann stark,
    unter Führung des Großveziers, das die Aufgabe hat-
    te, die hart bedrängte Festung zu entsetzen. Es kam
    zur Schlacht angesichts der Belagerten, und das tür-
    kische Heer wurde geschlagen. Von diesem Augen-
    blick an war die Einnahme der Festung nur noch eine
    Frage der Zeit. Am 2. September schritten die Chris-
    ten zum Sturm. 8000 Mann, zur Hälfte Kaiserliche,
    zur Hälfte Brandenburger, jene vom Herzog von
    Croy, diese vom General von Barfus geführt, bildeten
    die Sturmkolonne und drangen unwiderstehlich vor.
    Nachdem die Palisaden erklettert waren, drang man
    in die Straßen der Stadt ein. Nur Türken und Juden
    hausten darin, und alles wurde niedergemacht, leider
    auch Weiber und Kinder. Die Türken steckten weiße
    Fahnen aus, zum Zeichen, daß sie bereit seien, sich
    zu ergeben, aber die Stürmenden rissen die Fahnen
    nieder und ließen alles über die Klinge springen. Ver-
    gebens mühte sich der Herzog von Lothringen, dem
    Gemetzel ein Ende zu machen; 9000 wurden er-
    schlagen; ein Rest von Janitscharen, der sich in das
    feste Schloß gerettet hatte, kapitulierte am andern
    Tage. Unter diesen, da sein Tod nicht gemeldet wird,
    befand sich mutmaßlich auch Abd ur Rahmân selbst,
    ein geborener Schweizer mit Namen Coigny. Schon
    während der Belagerung war er von einem in die

    1361
    Stadt geschickten Parlamentäroffizier namens Wat-
    tenwyl als Landsmann erkannt worden.
    Auch die brandenburgischen Oberoffiziere waren
    bemüht gewesen, dem Blutvergießen Einhalt zu tun,
    und hatten durch ihr Dazwischentreten gerettet, wo
    noch zu retten war. Aber nur in einzelnen Fällen war
    es ihnen geglückt. General von Barfus rief zwei Tür-
    ken Pardon zu, welche wie Verzweifelte sich wehrten,
    und brachte sie dem Kurfürsten als die Tapfersten
    nach Berlin. Schöning dagegen hatte das Glück, zwei
    schöne Türkinnen, noch Kinder, den Händen der alles
    niedermachenden Soldaten zu entreißen. Was aus
    dem älteren Mädchen geworden, entzieht sich unse-
    rer Kenntnis; die jüngere aber wurde, unter Beibe-
    haltung ihres türkischen Namens, Fatime getauft und
    von Schöning, der sie mit nach Tamsel nahm, sorg-
    fältig erzogen.
    Fatime kam später nach Warschau, wo sie, ebenso-
    sehr durch ihre blendende Schönheit wie durch das
    romantische Interesse ihres Geschicks, aller Augen
    auf sich zog und ein Glanzpunkt der Gesellschaft
    wurde. Unter ihren Bewerbern war auch König Au-
    gust, dem sie lange widerstand, bis sie endlich dem
    Grafen Rutowski das Leben gab. Fatime vermählte
    sich später in die Spiegelsche Familie; ihr Sohn Ru-
    towski aber stieg bis zum

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