Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Amster-
dam und Hamburg, nach einer fünfjährigen Abwe-
senheit, in die märkische Heimat zurück. »Er betrat
sie wieder, nachdem er« – wie sein Biograph sich
ausdrückt – »alles gesehen hatte, was es damals
Großes und Ausgezeichnetes in Europa gab: den üp-
pigen Hof des prachtliebendsten Königs, die Kunst-
schätze Italiens, den Glanz der Fastnachtsspiele in
Venedig, das ritterliche Treiben auf Malta, den Hof
1348
der Dorias, die Grandezza Spaniens und die junge
Freiheit der Niederlande.«
Ich habe bei der vorstehenden Aufzählung absichtlich
länger verweilt, um daran einige Betrachtungen über
die Erziehung junger Edelleute von damals und von
heute zu knüpfen. Wir sind nur allzusehr geneigt,
unsere jetzige Methode als etwas vergleichsweise
Vorgeschrittenes und Zweckentsprechendes anzuse-
hen, und doch möchte sich die Frage aufwerfen las-
sen: Wie viele Familien haben wir zur Zeit im Bran-
denburgischen, die geneigt sind, einen derartigen
»Kursus«, eine fünfjährige Tour durch Europa, ledig-
lich an die weltmännische Ausbildung ihrer Söhne zu setzen? Damals war ein derartiges »Die-Hohe-Schule-Beziehen« so allgemein, daß unser Hans A-
dam seinen Pariser Aufenthalt mit einem Aufenthalt
in Orléans vertauschen mußte, »weil ihm die Anwe-
senheit so vieler Deutschen in Paris an völliger Erler-
nung der französischen Sprache hinderlich war«.
Seit hundert Jahren ist bei uns »die Armee« die Hohe
Schule für die Söhne unserer alten Familien gewor-
den, und so unleugbar der große politische und nati-
onale Fortschritt ist, der in dieser Wandlung der Din-
ge liegt, so fraglich erscheint es doch, ob dem ge-
genwärtig Gültigen auch nach der Seite der welt-
männischen Bildung hin der Vorzug gebührt. Jene
edelmännische Erziehung, die Hans Adam von Schö-
ning erhielt, erweiterte den Blick, während unsere
jetzige nur allzusehr geeignet ist, den Blick zu be-
schränken. Wie vorzüglich auch das sein mag, was
daheim gehegt und gepflegt wird, die Isolierung hin-1349
dert die Wahrnehmung, ob draußen in der Welt nicht
vielleicht doch noch ein Vorzüglicheres entstanden
ist. Wir haben diesen Fehler einmal in unserer Ge-
schichte schwer gebüßt. Die Armee müßte nur die
eine Hälfte unserer adeligen Erziehung sein und die
andere Hälfte, nach Vorbild dessen, was früher Sitte
war, folgen. Der Eintritt aus des Vaters Edelhof in die Armee und der Rücktritt aus der Armee in den Edelhof – das genügt nicht mehr. Es ist dies einer der
Punkte, wo das Bürgertum den Adel, wenigstens den
unsrigen, vielfach überholt hat.
Aber wenden wir uns wieder unserm Schöning zu.
Bald nach seiner Rückkehr starb sein Vater (1665),
und kaum vierundzwanzig Jahr alt, wurde Hans A-
dam Besitzer von Tamsel. Ziemlich um dieselbe Zeit
trat er in kurfürstlichen Dienst, vermählte sich 1670
mit einem Fräulein von Pöllnitz, avancierte rasch,
wurde Rittmeister, Oberst, Gouverneur von Spandau
und war mit kaum sechsunddreißig Jahren General-
major. Dieser seiner Ernennung, die 1677 erfolgte,
waren aber bereits kriegerische Ereignisse: eine
Campagne am Oberrhein gegen Turenne (wo ihm bei
Erstürmung eines festen Platzes die drei äußern Fin-
ger der rechten Hand zerschmettert wurden), die
Verjagung der Schweden aus der Mark1) und die Er-
oberung Stettins, vorausgegangen.
Hans Adam von Schöning war nun Generalmajor. Die
beiden ersten Akte des Krieges mit Schweden hatten
ausgespielt. Die Marken waren befreit, Stettin er-
obert. Das folgende Jahr brachte gleiches Waffen-
glück. Rügen wurde besetzt, und das feste Stral-
1350
sund, das seit den Tagen Wallensteins für unein-
nehmbar gegolten, fiel, nach weniger als einer Wo-
che, in die Hände des Kurfürsten. An allen diesen
Waffentaten nahm Hans Adam rühmlichen Anteil; wir
folgen ihm aber bei keiner derselben und begleiten
ihn vielmehr auf dem weniger durch seine Resultate
als durch die glänzende Art der Ausführung berühmt
gewordenen »Winterfeldzuge in Preußen«.
Dieser Winterfeldzug, wie er den Schlußakt des
Schwedenkrieges bildet, gab auch Schöning zum
ersten Male Gelegenheit, sich in hervorragender Wei-
se geltend zu machen. Die Veranlassung zu dieser
»Januarcampagne zwischen Pregel und Düna« ist
bekannt. Der schwedische General Horn war im No-
vember mit 16 000 Mann in Ostpreußen eingefallen,
hatte die festen Plätze weggenommen und bedrohte
Königsberg. Die Nachricht davon
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