Wanderungen durch die Mark Brandenburg
traf den Kurfürsten
im Dezember 1678. Sofort beschloß er, durch »einen
raschen Ritt« die Schweden ebenso aus Ostpreußen
hinauszuwerfen, wie er sie vier Jahre früher aus der
Mark hinausgeschlagen hatte. Wenn schon der »Ritt
auf Fehrbellin« um seiner Kühnheit willen bewundert
worden war, um wieviel mehr mußte dieses neue
Kriegsabenteuer in Erstaunen setzen, das bei bitterer
Kälte, in unwirtbare Gegenden hinein, unternommen
wurde. Am 30. Dezember brach der Kurfürst auf; am
10. Januar 1679 war er in Marienwerder und nahm
Musterung über das kleine Heer ab, das er so rasch
von der Oder aus bis an die Weichsel geführt hatte.
Die Schweden standen am Pregel, dicht vor Königs-
berg, das durch 3000 Brandenburger unter General
Görtzke verteidigt wurde. Vergleiche Seite 221 f.
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Die Aufgabe, die sich der Kurfürst gestellt hatte, war
ersichtlich die: mit einer Hälfte seiner Truppen die
Königsberger Besatzung unter Görtzke zu verstär-
ken, mit der andern Hälfte die Schweden zu umge-
hen. Dann sollte Görtzke von Königsberg aus angrei-
fen, während der Kurfürst selbst dem Feinde den
Rückzug abschneiden und ihn auf einen Schlag ver-
nichten wollte.
Was indessen auf dem berühmten Ritte »vom Rhein
bis an den Rhin« möglich gewesen war, nämlich das
Verschwiegenbleiben des Unternehmens, das erwies
sich als unmöglich auf dem Wege von der Oder bis
zur Weichsel: – es wurde nicht reiner Mund gehalten,
und die Schweden schlüpften aus dem Garn. Ihr
Rückzug ging auf Tilsit. Der Kurfürst, als er diese
Nachricht empfing, resolvierte sich schnell, und da
von Einschließung und Gefangennahme des Feindes
nicht länger die Rede sein konnte, so galt es, ihn
einzuholen . In Geschwindmärschen ging es bis
Braunsberg und Heiligenheil, dann – um Zeit zu spa-
ren – in Schlitten über das Frische Haff. Schon
am 16. war Königsberg erreicht, und nach eintägiger
Hast folgte man in drei Abteilungen den Schweden,
die mittlerweile Tilsit besetzt und daselbst haltge-
macht hatten. Die drei brandenburgischen Abteilun-
gen bestanden aus einer äußersten »Spitze« von
1000 Mann, aus einer eigentlichen Avantgarde
von 3000 und aus einem Gros von etwa 5000 Mann.
Treffenfeld führte die Spitze, Görtzke die Avantgar-
de, Derfflinger und der Kurfürst selbst das Gros. Wie
die Truppen zehn Tage früher das Frische Haff pas-
siert hatten, so jetzt das Kurische zwischen Labiau
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und Gilge; aber die Nähe des Feindes erlaubte keine
Schlittenfahrt mehr, und kampffertig, in Reih und
Glied ging es über das Eis. Die Schweden standen
inzwischen nach wie vor bei Tilsit und schienen ent-
schlossen, das preußische Gebiet nicht ohne
Schwertstreich räumen zu wollen. So kam es zwei-
mal zu einem blutigen Rencontre: am 20. bei Split-
ter, wo Treffenfeld, ähnlich wie bei Fehrbellin, der
Held des Tages war; dann tags darauf, am 21., bei
Heydekrug, wo Görtzke die feindliche Arrièregarde
angriff und halb vernichtete. Bis dahin waren alle
Ehren des Kampfes den beiden Avantgardeführern
zugefallen; erst der weitere Verlauf des Kampfes gab
auch Schöning Gelegenheit, sich auszuzeichnen.
Das Gefecht bei Heydekrug hatte über die Schweden
entschieden, und in schleunigem Rückzuge ging es
nördlich auf Riga zu. Die Frage für den Kurfürsten
war, ob er diesen Rückzug ruhig gestatten oder die
Fliehenden verfolgen und sich eines gefährlichen
Feindes womöglich für immer entledigen sollte. Er
entschied sich für das letztere. Die schwierige Aufga-
be der Verfolgung, des Nacheilens durch verschneite
Wüsteneien hin, fiel Schöning zu. Mit 1600 Reitern
brach er auf. Diese bescheidene Zahl würde der
schwedischen Armee gegenüber, die immer noch
nach Tausenden zählte, sicherlich in eine sehr be-
denkliche Lage gekommen sein, wenn nicht die ver-
folgenden Brandenburger in der litauischen Bevölke-
rung einen Bundesgenossen gefunden hätten. Kälte
und Bevölkerung schienen sich zu einer völligen Ver-
nichtung der Schweden verschworen zu haben. O-
berst Truchseß, den Schöning auf diesem Zuge mit
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einer Meldung an den zur Zeit noch in Königsberg
weilenden Kurfürsten zurückschickte, traf mit den
Worten im Hauptquartier ein: die Brandenburger
hätten keine Wegweiser nötig, um dem Feinde zu
folgen, weil der ganze Weg mit toten Schweden be-
deckt sei. »Viele kommen vor Kälte um, aber die
meisten fallen von den Händen der Landesbewohner;
die
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