Wanderungen durch die Mark Brandenburg
wahrscheinlich im Jah-
re 1757, trat unser Günther seine theologischen Stu-
dien an der gerade damals so berühmten Hochschule
an. Aber diese Studien währten nicht lange. War es,
daß die wachsende Not des Vaterlandes den festen
Willen heranreifte, Gut und Blut dafür einzusetzen,
oder war es andrerseits die Überzeugung, daß viel-
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leicht morgen schon ein Zwang da eintreten würde, wo heute noch die Möglichkeit eines freien Entschlusses war, gleichviel, der Eintritt in die preußi-
sche Armee erfolgte.
Ernst Moritz Arndt in seinen »Wanderungen und
Wandelungen mit dem Freiherrn vom Stein« erzählt
den Hergang nach Mitteilungen, die er dem Gehei-
men Kriegsrat Scheffner zu verdanken scheint, im
wesentlichen wie folgt:
»Bald nach Ausbruch des Siebenjährigen Krieges
standen vier untereinander befreundete Jünglinge in
den Listen der Hochschule Halle eingeschrieben. Sie
hießen Scheffner, Neumann, L'Estocq und Günther.
Alle vier haben sich später auf verwandtem Felde
ausgezeichnet. Eines Abends beim Kommers führte
das Gespräch darauf hin, daß sie binnen kürzester
Frist für die Armee gepreßt und eingekleidet werden
würden. Nach einigem Hin- und Hererwägen reifte
der Entschluß in ihnen, lieber gleich als Freiwillige in ein Husarenregiment einzutreten. Scheffner, nachdem er ehrenvoll gedient, lebte noch 1813 als
Kriegs- und Domainenrat in Königsberg; Neumann
wurde durch seine tapfere Verteidigung Cosels,
L'Estocq durch seinen entscheidenden Angriff in der
Schlacht bei Preußisch-Eylau berühmt; Günther aber
glänzte während des polnischen Feldzuges von 1794
als organisatorisches Talent und verdient in gewis-
sem Sinne, ein Vor-Scharnhorst genannt zu wer-
den.«
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Boyen stellt den Hergang minder poetisch dar. Da-
nach war es kein »berühmtes Husarenregiment«, in
das unser Günther eintrat, sondern das » Kommissa-
riat «. Er gab aber freilich diese prosaisch unkriegerische Stellung bald auf, focht zunächst in dem Freiba-
taillon von Angelelly, dann im sogenannten Trüm-
bachschen Corps und kam erst nach dem Schluß des
Krieges als Stabsrittmeister zum Kürassierregiment
Vasold. Während des Krieges war er mehrfach ver-
wundet worden. Die Beförderungen gingen jetzt
langsam, und zwanzig Jahre verflossen, bevor er
vom Stabsrittmeister bis zum Oberstlieutenant avan-
cierte. Als solcher erhielt er 1783 das Kommando
über die Schwarzen Husaren. Zwei Jahre später wurd
er Oberst, und 1788 ernannte ihn König Friedrich
Wilhelm II. zum Chef des Bosniaken-Regiments.
Diese fünfundzwanzig Friedensjahre – der Bayerische
Erbfolgekrieg war kaum als ein Krieg zu rechnen –
hatten unserm Günther wenig Gelegenheit gegeben,
nach außen hin zu zeigen, von welchem Metall er sei.
Nur in einem allerengsten Kreise wußte man schon
damals, was man an ihm besaß. In kleinen Garnison-
städten vergingen ihm die Jahre. 1789 ward er Ge-
neralmajor. An dem Champagnefeldzug und der
Rheincampagne nahmen die Truppen, bei denen
Günther stand, nicht teil, und auch die letzten zehn
Jahre seines Lebens würden mutmaßlich ohne krie-
gerische Lorbeern für ihn geblieben sein, wenn nicht
Kosciuszkos Auftreten und der unprovozierte Angriff
Madalinskis auf eine kleine südpreußische Landstadt
(am 15. März 1794) das Signal zu einem kurzen,
aber erbitterten Kampfe an den Ufern der Weichsel
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und Narew gegeben hätte. Die nun folgenden Som-
mermonate waren es, die Günther in den Stand setz-
ten, sich als einen Parteigänger und Avantgardenfüh-
rer von ungewöhnlicher Begabung zu zeigen, als ei-
nen raschen und kühnen Reitergeneral, wie er seit
den Tagen Zietens nicht dagewesen war. Droysen, in
seinem »Leben Yorcks« (Yorck war Offizier in Gün-
thers Corps), schildert unsern General wie folgt: »An
der Spitze seiner Bosniaken, in den hastigen Plötz-
lichkeiten des Parteigängerkrieges, war er in seinem
Element, er selbst immer voran. Seine Schlauheit
und körperliche Gewandtheit gaben ihm die Lust der
Gefahr; er verstand es, sie bei seinen Leuten bis zur
Tollkühnheit zu steigern, aber indem er es rück-
sichtslos mit jedem Gegner aufzunehmen schien, lag
seiner Kühnheit die besonnenste Berechnung
zugrunde. So verstand er es, den Leuten die Zuver-
sicht des Erfolges zu geben. Eine kurze Anrede –
dann ging es mit niederwerfendem Ungestüm auf
den Feind. Kam es besonders hart, so hielt er wohl
eine Ansprache wie die folgende: ›Alles
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