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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ist reiflich
    und behutsam erwogen; auch hab ich getan, was zu
    allen Dingen den Segen bringt, habe Gott den Herrn
    um seinen allmächtigen Beistand angefleht; wenn
    wir aber doch nicht gewinnen, so hole euch verfluch-te Kerle alle der Teufel, denn dann tragt ihr allein die Schuld .‹«
    Nach Vorausschickung dieser allgemeinen Bemer-
    kungen, die den Mann und den Geist, der in seiner
    Truppe lebendig war, sehr anschaulich schildern,
    wenden wir uns den Ereignissen selber zu, die ihm
    Gelegenheit gaben, solche Ansprachen zu halten.

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    Die polnischen Besitzungen Preußens (das sogenann-
    te Südpreußen) waren damals viel ausgedehnter als
    jetzt und nur schwach mit Truppen besetzt. Die Auf-
    gabe, die den Führern nach Ausbruch der Feindselig-
    keiten zufiel, war deshalb die, eine unendlich langge-
    zogene Grenze mit einer Armee zu decken, die kaum
    10 000 Mann zählen mochte. Unser Günther erhielt
    den linken Flügel und hatte eine zwanzig Meilen lan-
    ge Linie, die sich am Narew und seinen Nebenflüssen
    entlang von Ostrolenka bis Grajewo erstreckte, mit
    zehn Eskadrons und einem Bataillon zu verteidigen.
    Es schien fast unmöglich, das Land lag offen da, und
    der an Zahl weit überlegene Feind hatte es sichtbar-
    lich in seiner Macht, überall durchzubrechen. Hier
    war es nun, wo das Prinzip sich glänzend bewährte,
    nach welchem Günther, während der voraufgegan-
    genen Jahre, die seinem Befehl unterstellten Reiter-
    regimenter im Dienste geübt und in mehr als dem
    gewöhnlichen Sinne für den Krieg vorbereitet hatte.
    Der Kern dieses seines Prinzips hatte darin bestan-
    den, die einzelnen Eskadrons, die von Stadt zu Stadt
    in den Grenzdistrikten Süd- und Ostpreußens in Gar-
    nison lagen, in einer beständigen Kriegführung mit-
    und untereinander zu erhalten. Es war immer Krieg .
    Wie eine Art Reisegeneral war er abwechselnd hier
    und da, stellte sich an die Spitze bald dieser, bald
    jener Schwadron und fiel, sei's Tag, sei's Nacht, über
    die Truppen eines andern Garnisonplatzes her. Da-
    durch hatte er, in vieljähriger Übung, ein Corps von
    seltener Schlagfertigkeit ausgebildet, eine Truppe
    genau der Art, wie sie jetzt erfordert wurde, wo es
    darauf ankam, eine Handvoll Leute heute vielleicht
    über weite Strecken hin auszustreuen und morgen

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    schon auf ein gegebenes Zeichen wieder zu konzent-
    rieren. Es war die Kunst, mittelst eines lebendigen
    und aus vielen Teilen zusammengesetzten Glieder-
    stabs eine dünne, zwanzig Meilen lange Grenzlinie zu
    ziehn und ebendiesen lang ausgezogenen Stab im Nu
    wieder zu einem kompakten und widerstandsfähigen
    Bündel zusammenzuklappen . In dieser Kunst erwies sich Günther als Meister. Späher und eingebrachte
    Gefangene erhielten ihn über alle Pläne des Feindes
    in bester Kenntnis, und wo immer dieser den Durch-
    bruch versuchen mochte (um dann im Rücken das
    Land zu insurgieren) – überall fand er entweder den
    Riegel fest vorgeschoben, oder aber Günther ergriff
    die Offensive, warf sich den Anrückenden entgegen
    und schlug sie. War dies unmöglich, so imponierte er
    ihnen doch genugsam, um sie schließlich zum Rück-
    zug zu bewegen. Die Gefechte bei Kolno und Demni-
    ki (am 9. und 18. Juli) werden nicht nur für die Le-
    bensgeschichte Günthers bedeutsam und ehrenvoll,
    sondern namentlich auch für die Geschichte des
    »Kleinen Kriegs« ein paar Musterbeispiele bleiben.
    Die Geschicklichkeit, mit der General Günther ope-
    rierte, konnte nicht ermangeln, an höchster Stelle
    die Aufmerksamkeit auf einen so ausgezeichneten
    und zu gleicher Zeit so vom Erfolge gekrönten Offi-
    zier hinzulenken, und wiewohl erst der dritte General
    beim Corps, übertrug ihm der König nichtsdestowe-
    niger das Oberkommando über alle am rechten
    Weichselufer (so schreibt Boyen; es muß aber unbedenklich das linke heißen) stehenden Truppen, deren Bestimmung es war, mit den Russen unter Suworow
    gemeinschaftlich gegen Warschau vorzudringen und

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    durch Einnahme der Hauptstadt den Herd des Auf-
    standes zu ersticken. So sah sich denn Günther, der
    bis dahin über den Parteigängerkrieg nicht hinausge-
    kommen war, plötzlich an die Spitze einer »Armee«
    gestellt und der Bestimmung gegenüber, in Selb-
    ständigkeit und fast im großen Stile zu operieren.
    Freudig und mutvoll erfaßte er die ihm gewordene
    Aufgabe und sah im Geiste bereits eine zweite ruhm-
    reiche Schlacht bei Warschau geschlagen, unter dessen Mauern die Brandenburger schon einmal

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