Wanderungen durch die Mark Brandenburg
ist reiflich
und behutsam erwogen; auch hab ich getan, was zu
allen Dingen den Segen bringt, habe Gott den Herrn
um seinen allmächtigen Beistand angefleht; wenn
wir aber doch nicht gewinnen, so hole euch verfluch-te Kerle alle der Teufel, denn dann tragt ihr allein die Schuld .‹«
Nach Vorausschickung dieser allgemeinen Bemer-
kungen, die den Mann und den Geist, der in seiner
Truppe lebendig war, sehr anschaulich schildern,
wenden wir uns den Ereignissen selber zu, die ihm
Gelegenheit gaben, solche Ansprachen zu halten.
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Die polnischen Besitzungen Preußens (das sogenann-
te Südpreußen) waren damals viel ausgedehnter als
jetzt und nur schwach mit Truppen besetzt. Die Auf-
gabe, die den Führern nach Ausbruch der Feindselig-
keiten zufiel, war deshalb die, eine unendlich langge-
zogene Grenze mit einer Armee zu decken, die kaum
10 000 Mann zählen mochte. Unser Günther erhielt
den linken Flügel und hatte eine zwanzig Meilen lan-
ge Linie, die sich am Narew und seinen Nebenflüssen
entlang von Ostrolenka bis Grajewo erstreckte, mit
zehn Eskadrons und einem Bataillon zu verteidigen.
Es schien fast unmöglich, das Land lag offen da, und
der an Zahl weit überlegene Feind hatte es sichtbar-
lich in seiner Macht, überall durchzubrechen. Hier
war es nun, wo das Prinzip sich glänzend bewährte,
nach welchem Günther, während der voraufgegan-
genen Jahre, die seinem Befehl unterstellten Reiter-
regimenter im Dienste geübt und in mehr als dem
gewöhnlichen Sinne für den Krieg vorbereitet hatte.
Der Kern dieses seines Prinzips hatte darin bestan-
den, die einzelnen Eskadrons, die von Stadt zu Stadt
in den Grenzdistrikten Süd- und Ostpreußens in Gar-
nison lagen, in einer beständigen Kriegführung mit-
und untereinander zu erhalten. Es war immer Krieg .
Wie eine Art Reisegeneral war er abwechselnd hier
und da, stellte sich an die Spitze bald dieser, bald
jener Schwadron und fiel, sei's Tag, sei's Nacht, über
die Truppen eines andern Garnisonplatzes her. Da-
durch hatte er, in vieljähriger Übung, ein Corps von
seltener Schlagfertigkeit ausgebildet, eine Truppe
genau der Art, wie sie jetzt erfordert wurde, wo es
darauf ankam, eine Handvoll Leute heute vielleicht
über weite Strecken hin auszustreuen und morgen
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schon auf ein gegebenes Zeichen wieder zu konzent-
rieren. Es war die Kunst, mittelst eines lebendigen
und aus vielen Teilen zusammengesetzten Glieder-
stabs eine dünne, zwanzig Meilen lange Grenzlinie zu
ziehn und ebendiesen lang ausgezogenen Stab im Nu
wieder zu einem kompakten und widerstandsfähigen
Bündel zusammenzuklappen . In dieser Kunst erwies sich Günther als Meister. Späher und eingebrachte
Gefangene erhielten ihn über alle Pläne des Feindes
in bester Kenntnis, und wo immer dieser den Durch-
bruch versuchen mochte (um dann im Rücken das
Land zu insurgieren) – überall fand er entweder den
Riegel fest vorgeschoben, oder aber Günther ergriff
die Offensive, warf sich den Anrückenden entgegen
und schlug sie. War dies unmöglich, so imponierte er
ihnen doch genugsam, um sie schließlich zum Rück-
zug zu bewegen. Die Gefechte bei Kolno und Demni-
ki (am 9. und 18. Juli) werden nicht nur für die Le-
bensgeschichte Günthers bedeutsam und ehrenvoll,
sondern namentlich auch für die Geschichte des
»Kleinen Kriegs« ein paar Musterbeispiele bleiben.
Die Geschicklichkeit, mit der General Günther ope-
rierte, konnte nicht ermangeln, an höchster Stelle
die Aufmerksamkeit auf einen so ausgezeichneten
und zu gleicher Zeit so vom Erfolge gekrönten Offi-
zier hinzulenken, und wiewohl erst der dritte General
beim Corps, übertrug ihm der König nichtsdestowe-
niger das Oberkommando über alle am rechten
Weichselufer (so schreibt Boyen; es muß aber unbedenklich das linke heißen) stehenden Truppen, deren Bestimmung es war, mit den Russen unter Suworow
gemeinschaftlich gegen Warschau vorzudringen und
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durch Einnahme der Hauptstadt den Herd des Auf-
standes zu ersticken. So sah sich denn Günther, der
bis dahin über den Parteigängerkrieg nicht hinausge-
kommen war, plötzlich an die Spitze einer »Armee«
gestellt und der Bestimmung gegenüber, in Selb-
ständigkeit und fast im großen Stile zu operieren.
Freudig und mutvoll erfaßte er die ihm gewordene
Aufgabe und sah im Geiste bereits eine zweite ruhm-
reiche Schlacht bei Warschau geschlagen, unter dessen Mauern die Brandenburger schon einmal
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