Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
ge-
    kämpft und den lange schwankenden Kampf zur Ent-
    scheidung gebracht hatten. Aber es war anders be-
    schlossen. Noch eh das Corps die Weichsel über-
    schreiten konnte, traf bereits die Nachricht von der
    Erstürmung Pragas ein. Warschau, zitternd vor der
    eisernen Hand Suworows, hatte seine Tore den Rus-
    sen geöffnet. Der Krieg war zu Ende, und nach einer
    interimistischen Verwaltung der Provinz (Südpreu-
    ßens) nahm der Friedensdienst und das Garnisonle-
    ben in den kleinen Städten aufs neue seinen Anfang.
    Günther und die Bosniaken, deren Chef er blieb, ka-
    men nach Tykoczyn. Von hier aus trat er in Brief-
    wechsel mit dem damaligen Kirchenrat, späteren
    Bischof Dr. Borowski, demselben, der nach 1806
    dem unglücklichen jungen Königspaare (Friedrich
    Wilhelm III. und Luise) ein Trost und eine Stütze und
    überhaupt durch seine unwandelbare Treue und Zu-
    versicht in der Geschichte jener Prüfungsjahre eine
    hervorragende Erscheinung wurde. Der Briefwechsel
    zwischen Günther und Borowski beginnt 1799 und
    dauert fast bis zum Tode des ersteren fort. Einzelne
    dieser Briefe sind in den »Preußischen Provinzial-
    Blättern« (Königsberg 1836) veröffentlicht worden,

    159
    Briefe, die uns den frommen und demütigen Sinn des
    Generals in schönstem Lichte zeigen.
    Die Auszeichnungen drängten sich jetzt. 1795 wurde
    Günther Generallieutenant, zwei Jahre später erhob
    ihn Friedrich Wilhelm III. (gleich nach seiner Thron-
    besteigung) in den Freiherrnstand, und endlich 1802,
    nach der Revue, erhielt er den Schwarzen Adleror-
    den. Aber nur eine kurze Spanne Zeit noch war ihm
    vergönnt, sich dieser Ehren und Auszeichnungen zu
    freun. Ein halbes Jahr später, am 22. April 1803,
    starb er. Als der Adjutant bei ihm eintrat, fand er
    den General am Schreibtisch, den Kopf auf die Seite
    geneigt – tot. Der Tod war als ein Längsterwarteter
    an ihn herangetreten. Schon am Tage zuvor hatte er
    zu sterben geglaubt und bei einer Truppenvorstel-
    lung, die er selbst noch leitete, seinen Adjutanten
    gebeten, ihm zur Seite zu bleiben, um ihn auffangen
    zu können, wenn er vom Pferde stürze. Bis zuletzt
    war ihm das »Ich dien« ein Stolz und ein Bedürfnis
    gewesen.
    Günther war sechsundvierzig Jahre lang Soldat. Sein
    Ruhm wurzelt in den Kämpfen von 1794. Wenn trotz
    dieser Kämpfe sein Name nicht heller glänzt, so liegt
    das in einer Verkettung von Umständen, unter deren
    Ungunst manche hervorragende Kraft jener Zeit und
    speziell jener polnischen Kämpfe zu leiden gehabt
    hat. Der Krieg war unpopulär, und die Schroffheit
    Suworows, die des Guten in derselben Weise zu viel
    tat, wie die oberste Leitung preußischerseits (freilich ohne Verschulden unseres Günthers) zu wenig getan hatte, war nicht geeignet, dem Kampfe gegen Polen

    160
    eine ihm fehlende Teilnahme zu wecken. Man schäm-
    te sich fast des Krieges, und die Tat des einzelnen litt unter dem Mißkredit, in dem das Ganze stand. Dies
    würde vollauf genügen, um das Vergessensein
    ruhmvoller Aktionen aus dem Jahre 1794 erklärlich
    zu machen, aber was recht eigentlich in diesem Sin-
    ne wirkte, war doch ein anderes noch. Und kaum ist
    es nötig, dieses andre zu nennen. Der Untergang des
    alten und das Wiedererstehn eines neuen Preußens waren Weltereignisse, die, nach Art einer Flut, die
    Marksteine einer unmittelbar voraufgegangenen klei-
    nen Geschichtsepoche hinwegspülten. Es ist Aufgabe
    späterer Zeiten, solche in Triebsand begrabenen
    Denksteine wieder aufzurichten. Und dazu sollten
    diese Zeilen ein Versuch sein.
    Günthers eigentlichste Bedeutung scheint übrigens
    nach dem übereinstimmenden Urteile seiner Zeitge-
    nossen vor allem in seiner Persönlichkeit gelegen zu haben. Boyen preist ihn auf jeder Seite, und da junge Adjutanten gewöhnlich diejenigen sind, die ihrem
    alten General (und oft mit nur zu gutem Grund) am
    wenigsten Bewunderung entgegentragen, so sind wir
    wohl zu dem Schlusse berechtigt, daß in diesem Fall
    eine siegende Gewalt vorlag, die alles Bekritteln tot-
    machte. Etwas Mysteriöses , das um und an ihm war, steigerte dabei sein Ansehen nicht wenig. Es hieß
    von ihm, daß er die drei Gelübde der Keuschheit, der
    Armut und des Gehorsams abgelegt habe. Und daß
    dies von jedem geglaubt wurde, zeigt am besten,
    wie sein Leben war. Es hieß, daß er nie ein Weib be-
    rührt habe, »drum sei er so gewaltig von Körper«.1)
    Das Gelübde der Armut hielt er nicht minder treu.

    161
    Von seinem reichen Gehalt nahm er

Weitere Kostenlose Bücher