Wanderungen durch die Mark Brandenburg
machen.
Danckelmann war gestürzt, und Barfus übernahm die
Leitung der Geschäfte. War es doch eine Zeit, in der
sich jeder zu jedem fähig glaubte, wenigstens bei
Hofe. Das bekannte Wort Oxenstiernas wurde wahr
an jedem neuen Tag, und was als das Erstaunlichste
gelten mag: die Dinge gingen auch so, gingen zum
Teil sogar gut .
1459
Barfus war Premierminister, noch richtiger Univer-
sal minister. Er war alles, er tat alles. Auswärtiges, Finanzen, Krieg – jegliches fiel ihm zu. Dazu war er
Gouverneur von Berlin, Kommandeur der Garde,
Landeshauptmann der Grafschaft Ruppin, und soviel
Stellen sich ihm auftaten, soviel Quellen flossen in
seinen Schatz. Er wurde sehr reich. Als Gouverneur
von Berlin bezog er ein palastartiges Gebäude, das
vor ihm der Obermarschall von Grumbkow (der Vater
des bekannten) besessen hatte. Barfus ließ es um-
bauen, erweitern und einen Garten nach der Spree
hin anlegen. Es ist dies dasselbe Gebäude, das wir
jetzt als »Stadtvogtei« kennen und das, als solches,
eine so hervorragende, wenn auch freilich wenig po-
etische Rolle in unserer Stadt- und Staatsgeschichte
gespielt hat.
Hans Albrecht war Universal minister, aber er war es nur durch Zulassung und nicht durch eigne Kraft. Die Dohna-Dönhoffs schoben ihn einfach vor, um nicht in
die durch Danckelmanns Sturz entstandene Günst-
lingslücke einen neuen, vielleicht viel gefährlicheren
Günstling einrücken zu sehn, und unserem Barfus
fiel es lediglich zu, durch sein bloßes Dasein den Satz zu predigen: Wo ich bin, kann kein anderer sein.
Das ging zwei Jahre lang, aber nicht länger. Der Kur-
fürst, was immer seine Schwächen sein mochten,
war aus zu feiner Schulung, um an der Haltung eines
alten Campagnesoldaten, der nicht einmal franzö-
sisch sprach, auf die Dauer ein Genüge finden zu
können. Und die Einführung einer Perückensteuer , wodurch Hans Albrecht den Sitten und Finanzen des
1460
Landes gleichmäßig aufzuhelfen trachtete, bezeigte
sich schließlich als der allerschlechteste Weg, die
schon schwankende Waage zu seinen Gunsten wie-
derum sinken zu machen. Die neue Sonne: Kolbe-
Wartenberg, stieg immer höher. Er begann den Ma-
jordomus zu spielen, und der Danckelmannsche
Hochmut erschien nun wie Leutseligkeit neben dem
Ton des neuen Günstlings. Niemand wurde geschont,
kaum die Königin, am wenigsten die alten Parteien
des Hofes.
Aber Barfus, der den Hof überhaupt wie ein Schlacht-
feld nahm, war ein viel zu guter Soldat, um so ohne
weiteres an Flucht oder Rückzug zu denken. Er hatte
den türkischen Großvezier besiegt, warum nicht auch
den Majordomus von Brandenburg? Die Königin, die
Dohna-Dönhoffs dachten ähnlich, und so bereitete
sich jene »große Liga von 1702« vor, die keinen an-
deren Zweck verfolgte, als den tyrannischen Günst-
ling zu beseitigen und das Barfussche Interregnum
von 1697 bis 1699, die Zeit der vereinigten Ministe-rien und der Perückensteuer, wiederherzustellen.
Aber Kolbe-Wartenberg war glücklicher, als es Dan-
ckelmann vor ihm gewesen war. Vielleicht weil es die
Liga in der Person versah, die sie mit Ausführung der
Hauptrolle betraute. Diese Person war der Hofmar-
schall von Wense. Graf Otto Dönhoff, als er von der
Wahl dieses letztgenannten Herrn hörte, zuckte die
Achseln und setzte gutgelaunt hinzu: »Wohlan denn,
wir müssen dem Glück einen Ochsen opfern!« Er
hatte recht gehabt. Nur blieb es nicht bei dem einen Opfer. Alle traf die Ungnade des Königs, und wäh-1461
rend der Hofmarschall von Wense den Hof mit der
Festung Küstrin vertauschte, wurde der Rest vom
Hofe verbannt: die Dohnas, die Dönhoffs und auch
Barfus.
Dies war des letzteren letzte Aktion – kein Ruhmes-
tag von Szlankamen. Der Hof war nicht sein Feld.
Trösten mocht es ihn, daß auch Gewandtere unterle-
gen hatten. Unser Feldmarschall aber ging nach
»Kossenblatt«, wo inzwischen, auf einer Spreeinsel,
der Frontbau eines Schlosses entstanden war. Mit
sich nahm er zu allem, was er sonst noch besaß, ein
Jahrgehalt von 8000, nach Pöllnitz sogar von
12 000 Talern. Aber er erfreute sich desselben nicht
lange mehr. Am 27. Dezember 1704 beschloß er sein
an Kämpfen und Wandlungen reiches Leben.
In einem schlichten Anbau neben der Kossenblatter
Kirche hat er seine letzte Ruhestatt gefunden.
1. In der neueren preußischen Kriegsgeschichte
bietet vielleicht nur Gneisenau ein ähnliches
Beispiel verspäteten und dann sehr
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