Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Recht-
haberei den »richtigen Moment« für Barfus vorberei-
tet hatte, verstand es dieser, ebendiesen richtigen
Moment zu benutzen. Und zwar einfach dadurch, daß
er der in seinen Beschwerdeschriften immer anmaß-
licher werdenden Sprache Schönings einen Ton der
Devotion gegenüberstellte. Dieser Ton der Devotion
gegen den Kurfürsten und seine Regierung hatte
nichts von einer Intrigue an sich, war vielmehr nur
das einfache Resultat des Schlusses: »Wo Anmaßung
verletzt hat, wird Devotion doppelt willkommen
sein.« Und der Erfolg bewies, daß dieser Schluß ein
richtiger gewesen war.
1468
So weit reichten die Gaben unseres Barfus. Als es
sich aber sechs Jahre später darum handelte, den
allmächtigen Eberhard Danckelmann, den Günstling
des Kurfürsten, aus der Gunst seines Herrn zu ent-
fernen, war es nicht genug, eine sich bietende Situa-
tion zu benutzen, sondern es kam vielmehr darauf
an, mittelst einer Reihenfolge kleiner, ineinandergrei-
fender Szenen erst eine Situation zu schaffen . Dazu war Graf Christoph Dohna der Mann. Er begann folgendes Meisterspiel. Er wußte sich eine Medaille zu
verschaffen, die Danckelmann kurz vorher zu Ruhm
und Verherrlichung seiner Familie hatte schlagen
lassen. Gewölk hing über Berlin; durch das Gewölk
hindurch aber leuchtete das Siebengestirn Eberhard
Danckelmanns und seiner sechs Brüder. Inschrift:
»Intaminatis fulget honoribus.« Christoph Dohna,
der die Vorliebe des Kurfürsten für Münzen und Me-
daillen kannte, wußt es derartig einzurichten, daß
sich im Vorzimmer ein Streit um ebendiese Medaille
entspann. Als der Kurfürst heraustrat, um nach der
Ursache des Lärms zu forschen, erzählte ihm Dohna,
in erkünstelter Verlegenheit, daß es sich um eine
Medaille handle. »Ich wünsche sie zu sehen.« – »Eu-
re Kurfürstliche Durchlaucht werden die Medaille
kennen.« Und damit überreichte sie Dohna. Der Kur-
fürst betrachtete die sieben Sterne , biß sich, eifersüchtig, wie er war, auf die Lippen und reichte sie
sichtlich verstimmt zurück. An dieser Szene ging
Danckelmann zugrunde. Ist es wahr, daß dieser letz-
tere von der Medaille nichts wußte, dieselbe vielmehr
hinter seinem Rücken, auf Anstiften seiner Gegner,
geprägt wurde, so haben wir es hier mit einer ziem-
lich unwählerisch eingefädelten, aber von Anfang bis
1469
Ende klug durchgeführten Intrigue zu tun, die zwar,
wie schon erzählt, in ihrem glücklichen Ausgang alle
Ehren auf unsern Feldmarschall ausschüttete, aber
von dem Glückskinde selbst weder jemals geplant
noch durchgespielt hätte werden können.
Wenn wir zum Schlusse Hans Albrecht von Barfus
mit den hervorragenderen jener brandenburgisch-
preußischen Kriegsleute vergleichen, die seitdem
gefolgt sind, so zeigt er mit keinem eine größere
Verwandtschaft als mit dem »alten Yorck«. Dieselbe
Tapferkeit, dieselbe soldatische Schroffheit, dieselbe
Strenge im Dienst und gegen sich selbst. Haß gegen
französische Sitte, Gleichgültigkeit gegen die Frauen
und Verachtung gegen Ausschweifung gesellen sich
als weitere übereinstimmende Züge hinzu. Ebenso
sind ihre Feldherrngaben nahe verwandt: kalte Ruhe,
klares Erkennen der Fehler bei Freund und Feind,
glückliche Benutzung des Moments. Was sie aber vor
allem miteinander gemein haben, das ist die hohe
Meinung von sich selbst und, infolge dieser eigenen, wie immer auch berechtigten Wertschätzung, eine
krankhafte Reizbarkeit gegen alles das, was neben
oder wohl gar über ihnen stand. Yorck, in seinem
Verhältnis zu Bülow und später zu Gneisenau, erin-
nert mehr als einmal an »Schöning und Barfus«.
Wenn wir Yorck nichtsdestoweniger in einem helleren
Lichte sehen, so hat das seinen Grund zu nicht un-
wesentlichem Teile darin, daß wir die »Konvention
von Tauroggen« dankbarer in Erinnerung tragen als
den Tag von Szlankamen. Soll aber auch auf die sitt-
liche Superiorität Yorcks hingewiesen werden, so
1470
dürfen wir, ohne dieselbe bestreiten zu wollen, doch
der Tatsache nicht vergessen, daß es 1813 leichter
war als hundert Jahre früher, »selbstsuchtslos im
Dienst einer Idee zu stehen«. Die Charaktere waren
weniger verschieden, als die Zeiten es waren .
Mit Hans Albrecht von Barfus starb der letzte jener
fünf brandenburgischen Feldherrn, die noch die jun-
gen Tage des Großen Kurfürsten gesehen und die
ersten Siege Brandenburgs unter seinen Fahnen er-
fochten hatten: Sparr, Derfflinger,
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