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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ihre Kraft war ungebrochen, und der Tag
    kam heran, der bestimmt war, alle Niederlagen

    1597
    quittzumachen. Dies war die Schlacht am Tanger-
    Fluß 983. Da von dieser Zeit an das schon halb tot-
    geglaubte Wendentum einen neuen Aufschwung
    nahm und noch einmal in aller Macht und Furchtbar-
    keit aufblühte, so mag es gestattet sein, bei den
    Vorgängen einen Augenblick zu verweilen, die zu
    dieser Schlacht am Tanger führten.
    Mistewoi war Obotritenfürst und bereits Christ ge-
    worden. Er hielt zum Herzog Bernhard, der damals
    Markgraf von Nordmark war, und fühlte sich demsel-
    ben an Macht, Geburt und Ansehen nah genug, um
    um dessen Nichte anzuhalten. Der Markgraf ver-
    sprach sie ihm; Mistewoi aber, um ganz in die Reihe
    christlicher Fürsten einzutreten, zog zunächst mit
    1000 wendischen Edelleuten nach Italien und focht
    an Kaiser Ottos Seite in der großen Schlacht bei Ba-
    santello. Als er zurückgekehrt war, erschien er vor
    Markgraf Bernhard und wiederholte seinen Antrag.
    Dieser schwankte jetzt aber, und ein anderer deut-
    scher Fürst, der zugegen war, raunte dem Markgra-
    fen zu: »Mitnichten; eines deutschen Herzogs Bluts-
    verwandte gehört nicht an die Seite eines wendi-
    schen Hundes .« Mistewoi hatte gehört, was der Nebenstehende halblaut vor sich hin gesprochen hatte,
    und verließ die Halle. Bernhard, der das nun Bevor-
    stehende ahnen mochte, schickte dem tödlich ver-
    letzten Wendenfürsten Boten nach, aber dieser ließ
    nur antworten: »Der Tag kommt, wo die Hunde bei-
    ßen.« Er ging nun nach Rethra, wo der Haupttempel
    aller wendischen Stämme stand, und rief – die O-
    botriten standen selbstverständlich zu ihm – auch
    alle liutizischen Fürsten zusammen und erzählte ih-1598
    nen die erlittene Schmach. Dann tat er sein Christen-
    tum von sich und bekannte sich vor dem Bilde Rade-
    gasts aufs neue zu den alten Göttern. Gleich darauf
    ließ er dem Sachsengrafen sagen: »Nun hab acht,
    Mistewoi der Hund kommt, um zu bellen, und wird
    bellen, daß ganz Sachsenland erschrecken soll.« Der
    Markgraf aber antwortete: »Ich fürchte nicht das
    Brummen eines Bären, geschweige das Bellen eines
    Hundes.« Am Tanger-Fluß kam es zur Schlacht, und
    die Sachsen wurden geschlagen. Das hatte Mistewoi
    der Hund getan. Die Unterwerfung, die 924 begon-
    nen hatte, hatte 983 wieder ein Ende.
    Der Dom zu Brandenburg wurde zerstört, und auf
    dem Harlunger Berge erhob sich das Bild des
    Triglaw. Von dort aus sah es noch wieder 150 Jahre
    lang in wendische Lande hinein. Die Liutizen waren frei.
    Drei Generationen hindurch hielt sich, nach diesem
    großen Siege, die Macht der Wenden unerschüttert;
    Kämpfe fanden statt, sie rüttelten an der wiederer-
    standenen Wendenmacht, aber sie brachen sie nicht.
    Erst mit dem Eintritt des zwölften Jahrhunderts gin-
    gen die Dinge einer Wandlung entgegen; die Wen-
    denstämme, untereinander in Eifersüchteleien sich
    aufreibend, zum Teil auch uneins durch die rastlos
    weiterwirkende Macht des Christentums, waren end-
    lich wie ein unterhöhlter Bau, der bei dem ersten
    ernsteren Sturme fallen mußte . Die Spree- und Ha-vellandschaften waren, so scheint es, die letzten Zu-
    fluchtsstätten des alten Wendentums; Brennabor,
    nachdem rundumher immer weiteres Terrain verlo-

    1599
    rengegangen war, war mehr und mehr der Punkt
    geworden, an dessen Besitz sich die Frage knüpfte,
    wer Herrscher sein solle im Lande, Sachse oder
    Wende, Christentum oder Heidentum. Das
    Jahr 1157, wie eingangs schon bemerkt, entschied
    über diese Frage. Albrecht der Bär erstürmte Bren-
    nabor, die letzten Aufstände der Brizaner und Stodo-
    raner wurden niedergeworfen, und mit der Unterwer-
    fung des Spree- und Havellandes empfing das Wen-
    denland zwischen Elbe und Oder überhaupt den To-
    desstoß. (Rethra war schon vorher gefallen, wenigs-
    tens seiner höchsten Macht entkleidet worden. Nur
    der Swantewit-Tempel auf Arkona hielt sich um
    zwanzig Jahre länger, bis der Dänenkönig »Walde-
    mar der Sieger« auch diesen zerstörte.)
    Soviel in kurzen Zügen von der Geschichte des Wen-
    denlandes zwischen Elbe und Oder. Wir wenden uns
    jetzt einer mehr kulturhistorischen Untersuchung zu
    und stellen zusammen, was wir über Charakter, über
    Sitte, Recht und Kultur des alten Wendentums wis-
    sen.

    1. Darüber, wo Rethra oder Ratare stand.
    schwebt noch immer der Streit. Man nennt
    folgende Orte: Stargard (Mecklenburg), Mal-
    chin, Röbel (am Müritz-See), Rhesa,

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