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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Strelitz,
    Prillwitz, Kuhschwanz. Der letztere Ort, unpo-
    etischen Klanges, hat zur Zeit die größten
    Chancen, als »Rethra« anerkannt zu werden.

    1600
    2. Von dieser Schlacht bei Lunkini (Lenzen) fin-
    det sich in Widukinds »Sächsischen Geschich-
    ten« eine ausführliche Beschreibung. Die
    Christen belagerten Lunkini, als die Nachricht
    eintraf, daß ein großes Wendenheer zum Ent-
    satz der bedrängten Festung heranrücke und
    während der Nacht das Lager der Christen
    überfallen wolle. Ein furchtbares Unwetter in-
    des, heftige Regengüsse hinderten den Angriff
    des Feindes. So kam der Morgen, und die
    Christen schickten sich nun ihrerseits zum
    Angriff an. Die Zahl der Wenden war so groß,
    daß, als die Sonne jetzt hell auf die durchnäß-
    ten Kleider der hunderttausend Wenden
    schien, ein Dampf zum Himmel aufstieg, der
    sie wie in eine Nebelwolke hüllte, während die
    Christen in hellem Sonnenlicht heranzogen
    und ob dieser Erscheinung voll Hoffnung und
    Zuversicht waren. Nach hartem Kampfe flo-
    hen die Wenden; da ihnen aber eine Abtei-
    lung den Weg verlegt hatte, so stürzten sie
    einem See zu, in dem Unzählige ertranken.
    Die Chronisten geben das Wendenheer auf
    200 000 Mann an. »Die Gefangenen wurden
    alle, wie ihnen verheißen, an einem Tage ge-
    köpft.«

    1601
    2. Lebensweise. Sitten. Tracht

    Sie spinnen,
    Haben Linnen,
    Sie regeln
    Den Fluß und das Wehr,
    Und mit Schiffen und Segeln
    Sind sie zu Hause auf offnem Meer.

    Die Frage ist oft aufgeworfen worden, ob die Wenden
    wirklich auf einer viel niedrigeren Stufe als die vor-
    dringenden Deutschen gestanden hätten, und diese
    Frage ist nicht immer mit einem bestimmten »Ja«
    beantwortet worden. Sehr wahrscheinlich war die
    Superiorität der Deutschen, die man schließlich wird
    zugeben müssen, weniger groß, als deutscherseits vielfach behauptet worden ist.
    Die Wenden, um mit ihrer Wohnung zu beginnen,
    hausten keineswegs, wie ein mir vorliegender Stich
    sie darstellt, in verpalisadierten Erdhöhlen, um sich
    gleichzeitig gegen Wetter und Wölfe zu schützen; sie
    hatten vielmehr Bauten mannigfacher Art, die durch-
    aus wirklichen Häusern entsprachen. Daß von ihren
    Gebäuden, öffentlichen und privaten, kein einziges
    bestimmt nachweisbar auf uns gekommen ist, könn-
    te dafür sprechen, daß diese Bauten von einer inferi-
    oren Beschaffenheit gewesen wären; wir dürfen aber

    1602
    nicht vergessen, daß die siegreichen Deutschen na-
    türlich alle hervorragenden Gebäude, die sämtlich
    Tempel oder Vesten waren, sei es aus Rache oder sei
    es zu eigner Sicherheit, zerstörten, während die
    schlichten Häuser und Hütten im Laufe der Jahrhun-
    derte sich natürlich ebensowenig erhalten konnten
    wie deutsche Häuser und Hütten aus jener Zeit.
    Die Wenden, soviel steht fest, hatten verhältnismä-
    ßig wohleingerichtete Häuser, und die Frage bleibt
    zunächst nur, wie waren diese Häuser. Wahrscheinlich sehr verschiedener Art. Wie wir noch jetzt, oft
    bunt durcheinander, noch häufiger nach Distrikten
    geschieden, Lehmkaten, Fachwerk-, Feldstein- und
    Backsteinhäuser finden, der Stroh-, Schilf-, Schindel-
    und Ziegeldächer ganz zu geschweigen, so war es
    auch in alten Wendenzeiten, nur noch wechselnder,
    nur noch abhängiger von dem Material, das gerade
    zur Hand war. In den Fischerdörfern an der Spree
    und Havel hin, in den Sumpfgegenden, die kein an-
    deres Material kannten als Elsen und Eichen, waren
    die Dörfer mutmaßlich Blockhäuser, wie man ihnen
    bis diesen Tag in den Spreewaldgegenden begegnet;
    auf dem feldsteinübersäten Barnim-Plateau richteten
    sich, wie noch jetzt vielfach in den dortigen Dörfern
    geschieht, die Wohnungen höchstwahrscheinlich aus
    Feldstein auf; in fruchtbaren Gegenden aber, wo der
    Lehm zutage lag, wuchs das Lehm- und das Ziegel-
    haus auf, denn die Wenden verstanden sich sehr
    wohl auf die Nutzung des Lehms und sehr wahr-
    scheinlich auch auf das Ziegelbrennen. Daß sie unter
    ihrem Gerät nachweisbar auch den Mauer hammer
    hatten, deutet wenigstens darauf hin. Einzelne dieser

    1603
    Dinge sind nicht geradezu zu beweisen, aber sie
    müssen so gewesen sein nach einem Naturgesetz,
    das fortwirkt bis auf diesen Tag. Armes oder unkulti-
    viertes Volk baut sich seine Wohnungen aus dem,
    was es zunächst hat: am Vesuv aus Lava, in Irland
    aus Torf, am Nil aus Nilschlamm, an den Pyramiden
    aus Trümmern vergangener Herrlichkeit. So war es
    immer, wird es immer sein. Und so war es auch bei
    den

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