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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Wenden.
    Die Wenden aber hatten nicht nur Häuser, sie wohn-
    ten auch in Städten und Dörfern, die sich zu vielen
    Hunderten durch das Land zogen. Die wendischen
    Namen unserer Ortschaften beweisen dies zur Genü-
    ge. Manche Gegenden haben nur wendische Namen.
    Um ein Beispiel statt vieler zu geben, die Dörfer um
    Ruppin herum heißen: Karwe, Gnewikow, Garz,
    Wustrau, Bechlin, Stöffin, Kränzlin, Metzelthin, Da-
    bergotz, Ganzer, Lentzke, Manker etc., lauter wendi-
    sche Namen. Ähnlich ist es überall in der Mark, in
    Lausitz und Pommern. Selbst viele deutsch klingende
    Namen, wie Wustrau, Wusterhausen etc., sind nur
    ein germanisiertes Wendisch.
    Wie die Dörfer waren, ob groß oder klein, ob stark
    bevölkert oder schwach, kann, da jegliche bestimmte
    Angabe darüber fehlt, nur mittelbar herausgerech-
    net, nur hypothetisch festgestellt werden. Die große
    Zahl der Totenurnen, die man findet, außerdem die
    Mitteilungen Thietmars und anderer, daß bei Lunkini
    100 000 Wenden gefallen seien, scheinen darauf
    hinzudeuten, daß das Land allerdings stark bevölkert
    war.

    1604
    Unsicher, wie wir über Art und Größe der wendischen
    Dörfer sind, sind wir's auch über die Städte . Einzelne galten für bedeutend genug, um mit den Schilderungen ihres Glanzes und ihres Unterganges die Welt zu
    füllen, und wie geneigt wir sein mögen, der poeti-
    schen Darstellung an diesem Weltruhme das beste
    Teil zuzuschreiben, so kann doch das Geschilderte
    nicht ganz Fiktion gewesen sein, sondern muß in
    irgend etwas Vorhandenem seine reale Anlehnung
    gehabt haben. Besonderes Ansehen hatten die Han-
    delsstädte am Baltischen Meere. Unter diesen war Jumne, wahrscheinlich am Ausfluß der Swine gelegen, eine der gefeiertsten. Adam von Bremen erzählt
    von ihr: sie sei eine sehr angesehene Stadt und der
    größte Ort, den das heidnische Europa aufzuweisen
    habe. »In ihr« – so fährt er fort – »wohnen Slawen
    und andere Nationen, Griechen und Barbaren. Und
    auch den dort ankommenden Sachsen ist, unter glei-
    chem Rechte, mit den übrigen zusammen zu wohnen
    verstattet, freilich nur, solange sie ihr Christentum
    nicht öffentlich kundgeben. Übrigens wird, was Sitte und Gastlichkeit anlangt, kein Volk zu finden sein, das sich ehrenwerter und dienstfertiger bewiese.
    Jene Stadt besitzt auch alle möglichen Annehmlich-
    keiten und Seltenheiten. Dort findet sich der Vul-
    kanstopf, den die Eingeborenen das ›griechische
    Feuer‹ nennen; dort zeigt sich auch Neptun in dreifa-
    cher Art, denn von drei Meeren wird jene Insel be-
    spült, deren eines von ganz grünem Aussehen sein
    soll, das zweite aber von weißlichem; das dritte ist
    durch ununterbrochene Stürme beständig in wutvoll
    brausender Bewegung.«

    1605
    Diese Beschreibungen zeitgenössischer Schriftsteller,
    wie auch die Beschreibung von Vineta oder Julin (die
    beide dasselbe sind), beziehen sich auf wendische
    Handels - und Küstenstädte. Es ist indessen wahrscheinlich, daß die Binnenstädte wenig davon ver-
    schieden waren, wenn auch vielleicht etwas geringer.
    An Handel waren sie gewiß unbedeutender, aber da-
    für standen sie dem deutschen Leben und seinem
    Einfluß näher .
    Wenden wir uns nunmehr der Frage zu, wie lebten
    die Wenden in ihren Dörfern und Städten, wie kleide-
    ten, wie beschäftigten sie sich, so wird das wenige,
    was wir bis hierher sagen konnten, auch ein gewis-
    ses Licht auf diese Dinge werfen. Wie beschäftigten sie sich? Neben der Führung der Waffen, die Sache
    jedes Freien war, gab es ein mannigfach gegliedertes
    Leben. Die Ausschmückung der Tempel – Ausschmü-
    ckungen, wie man ihnen noch jetzt in altrussischen
    Kirchen begegnet und wie sie in den alten Schrift-
    stellern der Wendenzeit vielfach beschrieben werden
    – lassen keinen Zweifel darüber, daß die Wenden
    eine Art von Kunst, wenigstens von Kunsthandwerk,
    kannten und übten. Sie schnitzten ihre Götzenbilder
    in Holz oder fertigten sie aus Erz und Gold, sie be-
    malten ihre Tempel und färbten das Schnitzwerk,
    das als groteskes Ornament die Tempel zierte. Den
    Schiffbau kannten sie, wie die kühnen Seeräuberzü-
    ge der Ranen zur Genüge beweisen, und ihr Haus-
    und Kriegsgerät war mannigfacher Art. Sie kannten
    den Haken zur Beackerung und die Sichel, um das
    Korn zu schneiden. Die feineren Wollenzeuge, so berichten die Chronisten, kamen aus Sachsen; aber

    1606
    eben aus dieser speziellen Anführung geht hervor,
    daß die minder feinen im Lande selber

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