Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Wenden.
Die Wenden aber hatten nicht nur Häuser, sie wohn-
ten auch in Städten und Dörfern, die sich zu vielen
Hunderten durch das Land zogen. Die wendischen
Namen unserer Ortschaften beweisen dies zur Genü-
ge. Manche Gegenden haben nur wendische Namen.
Um ein Beispiel statt vieler zu geben, die Dörfer um
Ruppin herum heißen: Karwe, Gnewikow, Garz,
Wustrau, Bechlin, Stöffin, Kränzlin, Metzelthin, Da-
bergotz, Ganzer, Lentzke, Manker etc., lauter wendi-
sche Namen. Ähnlich ist es überall in der Mark, in
Lausitz und Pommern. Selbst viele deutsch klingende
Namen, wie Wustrau, Wusterhausen etc., sind nur
ein germanisiertes Wendisch.
Wie die Dörfer waren, ob groß oder klein, ob stark
bevölkert oder schwach, kann, da jegliche bestimmte
Angabe darüber fehlt, nur mittelbar herausgerech-
net, nur hypothetisch festgestellt werden. Die große
Zahl der Totenurnen, die man findet, außerdem die
Mitteilungen Thietmars und anderer, daß bei Lunkini
100 000 Wenden gefallen seien, scheinen darauf
hinzudeuten, daß das Land allerdings stark bevölkert
war.
1604
Unsicher, wie wir über Art und Größe der wendischen
Dörfer sind, sind wir's auch über die Städte . Einzelne galten für bedeutend genug, um mit den Schilderungen ihres Glanzes und ihres Unterganges die Welt zu
füllen, und wie geneigt wir sein mögen, der poeti-
schen Darstellung an diesem Weltruhme das beste
Teil zuzuschreiben, so kann doch das Geschilderte
nicht ganz Fiktion gewesen sein, sondern muß in
irgend etwas Vorhandenem seine reale Anlehnung
gehabt haben. Besonderes Ansehen hatten die Han-
delsstädte am Baltischen Meere. Unter diesen war Jumne, wahrscheinlich am Ausfluß der Swine gelegen, eine der gefeiertsten. Adam von Bremen erzählt
von ihr: sie sei eine sehr angesehene Stadt und der
größte Ort, den das heidnische Europa aufzuweisen
habe. »In ihr« – so fährt er fort – »wohnen Slawen
und andere Nationen, Griechen und Barbaren. Und
auch den dort ankommenden Sachsen ist, unter glei-
chem Rechte, mit den übrigen zusammen zu wohnen
verstattet, freilich nur, solange sie ihr Christentum
nicht öffentlich kundgeben. Übrigens wird, was Sitte und Gastlichkeit anlangt, kein Volk zu finden sein, das sich ehrenwerter und dienstfertiger bewiese.
Jene Stadt besitzt auch alle möglichen Annehmlich-
keiten und Seltenheiten. Dort findet sich der Vul-
kanstopf, den die Eingeborenen das ›griechische
Feuer‹ nennen; dort zeigt sich auch Neptun in dreifa-
cher Art, denn von drei Meeren wird jene Insel be-
spült, deren eines von ganz grünem Aussehen sein
soll, das zweite aber von weißlichem; das dritte ist
durch ununterbrochene Stürme beständig in wutvoll
brausender Bewegung.«
1605
Diese Beschreibungen zeitgenössischer Schriftsteller,
wie auch die Beschreibung von Vineta oder Julin (die
beide dasselbe sind), beziehen sich auf wendische
Handels - und Küstenstädte. Es ist indessen wahrscheinlich, daß die Binnenstädte wenig davon ver-
schieden waren, wenn auch vielleicht etwas geringer.
An Handel waren sie gewiß unbedeutender, aber da-
für standen sie dem deutschen Leben und seinem
Einfluß näher .
Wenden wir uns nunmehr der Frage zu, wie lebten
die Wenden in ihren Dörfern und Städten, wie kleide-
ten, wie beschäftigten sie sich, so wird das wenige,
was wir bis hierher sagen konnten, auch ein gewis-
ses Licht auf diese Dinge werfen. Wie beschäftigten sie sich? Neben der Führung der Waffen, die Sache
jedes Freien war, gab es ein mannigfach gegliedertes
Leben. Die Ausschmückung der Tempel – Ausschmü-
ckungen, wie man ihnen noch jetzt in altrussischen
Kirchen begegnet und wie sie in den alten Schrift-
stellern der Wendenzeit vielfach beschrieben werden
– lassen keinen Zweifel darüber, daß die Wenden
eine Art von Kunst, wenigstens von Kunsthandwerk,
kannten und übten. Sie schnitzten ihre Götzenbilder
in Holz oder fertigten sie aus Erz und Gold, sie be-
malten ihre Tempel und färbten das Schnitzwerk,
das als groteskes Ornament die Tempel zierte. Den
Schiffbau kannten sie, wie die kühnen Seeräuberzü-
ge der Ranen zur Genüge beweisen, und ihr Haus-
und Kriegsgerät war mannigfacher Art. Sie kannten
den Haken zur Beackerung und die Sichel, um das
Korn zu schneiden. Die feineren Wollenzeuge, so berichten die Chronisten, kamen aus Sachsen; aber
1606
eben aus dieser speziellen Anführung geht hervor,
daß die minder feinen im Lande selber
Weitere Kostenlose Bücher