Wanderungen durch die Mark Brandenburg
wenig
von den Tagen in Ruppin. Hier wie dort eine Woh-
nung im Predigerwitwenhause, hier wie dort Besuch
des Gymnasiums. Auch auf der Berliner Schule, dem
Grauen Kloster, ging es nicht glänzend mit dem Ler-
nen, die Kunst hatte ihn bereits in ihrem Bann. Er
zeichnete mit Eifer, und wir sind so glücklich, einige
dieser seiner ersten Versuche zu besitzen. Es sind
Portraitköpfe (Rembrandt, Friedrich der Große und
ein Unbekannter), alle drei aus dem Jahre 1796 und
mit großer Sauberkeit von dem damals fünfzehnjäh-
rigen Schinkel ausgeführt. Indessen, so wertvoll uns
diese Blätter jetzt erscheinen müssen, so waren sie
doch nichts andres als Zeichnungen nach Vorlege-
blättern, wie sie, ohne daß sich später ein Schinkel
daraus entwickelt, tagtäglich gemacht zu werden
pflegen. Er entbehrte, trotz allen künstlerischen
Dranges, noch jeder Klarheit, und der zündende
Funke war noch nicht in seine Seele gefallen. Daß er
der Kunst und nur ihr angehöre, dies Bewußtsein
kam ihm erst später. Freilich bald.
Es war im Jahre 1797 auf der damals stattfindenden
Ausstellung, daß ein großartiger, vom jungen Gilly
herrührender, phantastischer Entwurf eines Denk-
mals für Friedrich den Großen den tiefsten Eindruck
auf ihn machte und ihn empfinden ließ, wohin er sel-
ber gehöre. Er verließ die Schule (1798), ward in das
Haus und die Werkstatt beider Gillys, Vater und
Sohn, eingeführt und begann seine Arbeiten unter
der Leitung dieser beiden ausgezeichneten Architek-
ten. Eine enthusiastische Verehrung für den Genius
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des früh hingeschiedenen jüngeren Gilly blieb ihm bis
an sein Lebensende.
Es existieren Arbeiten aus dieser ersten Schinkel-
schen Zeit, und alle zeigen den Gillyschen Einfluß.
Kein Wunder. Auch das Genie schafft nicht lediglich
aus sich selbst, und Schinkel entbehrte noch der le-
bendigen Anschauungen, die ihm die Kraft oder auch
nur die Möglichkeit zu freier Entfaltung hätten geben
können. Jedenfalls war das Verhältnis Schinkels zu
Gilly von kürzester Dauer; schon nach zwei Jahren,
am 3. August 1800, starb dieser liebenswürdige und
geistreiche Künstler. Er hinterließ ihm zweierlei: den
ausgesprochenen Wunsch, seine Arbeiten durch ihn
(Schinkel) vollendet zu sehn, dann aber die Sehn-
sucht nach Italien. Im Durchblättern der Gillyschen
Mappen hatte der jugendliche Schüler desselben vom
ersten Augenblick an erkannt, wo das Richtige, das
Nacheifernswerte zu finden sei.
Arbeiten, übernommene und eigene, hielten unsern
Schinkel noch fast drei Jahre lang in der Heimat fest;
endlich, im Frühjahr 1803, kam die lang ersehnte
Stunde, und seine Fahrt ins »schöne Land Italia«
begann. Er machte diese Reise an der Seite seines
Freundes, des Architekten Steinmeyer, und nach
längeren und kürzeren Aufenthalten an den alten
deutschen Kunststätten: Dresden, Augsburg, Nürn-
berg, Wien, betrat er Italien zu Anfang August des-
selben Jahres, um es bis nach Sizilien hin zu durch-
wandern. Seine Briefe und Reisetagebücher geben
Auskunft darüber, mit welch empfänglichem Sinn,
zugleich auch mit welcher Gereiftheit des Urteils er
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die Kunstschätze Italiens studierte und Land und
Leute beobachtete. Vor allem sprach das Land zu
ihm von seiner malerischen Seite, das Architektonische trat zurück, und ein Blick auf die zahlreichen
Landschaftszeichnungen, die dieser Reiseepoche an-
gehören, bestätigt durchaus die Ansicht Waagens,
daß Schinkel, wenn er statt der Bekanntschaft Gillys,
des Architekten, die Bekanntschaft eines Malers von
gleichem Talent gemacht hätte, sehr wahrscheinlich
ein hervorragender Maler geworden wäre. Musik,
Skulptur, Malerei, Baukunst – für alle hatte er eine
ausgesprochene Begabung und für die Malerei in so
hervorragender Weise, daß mit Recht von ihm gesagt
worden ist, »er habe architektonisch gemalt und ma-
lerisch gebaut«.
Italien bot diesem malerischen Zuge die reichste
Anregung, und die entsprechende Beschäftigung
führte sehr bald zu einer Meisterschaft in der Be-
handlungsweise, die alles Unselbständige von ihm
abstreifte. Seine früheren Sachen (bis 1803) zeigten
etwas Steifes, in Italien aber eignete er sich eine
ganz eigentümliche Technik an, die ihn, durch eine
erstaunliche Breite und Kraft im Vordergrunde (wo-
bei ihm die meisterhaft geführte stumpfe Rohrfeder
treffliche Dienste leistete), in den Stand setzte, die
Wirkung vollständiger Bilder zu erreichen. Seine
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