Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Plagen und ihre Sor-
gen. Eine humoristischere Feder als die Schinkels
würde uns davon ein anschauliches Bild entworfen
haben, aber immer etwas auf dem Kothurn, steigen
seine Schilderungen nur seiten ins Genrehafte hinab.
Es widerstand seiner Natur, die kleinen Leiden des
Daseins zu betonen , und nur mitunter klang es
durch. Die Vetturinfahrt nach Rom und die ersten
römischen Tage (im Spätherbst 1803) zwangen ihm
einen Notschrei ab. »Bände könnt ich schreiben über
das Thema« – so heißt es in einem der ersten Brie-
fe –, »wie einem eine schöne Reise durch Gauner
und Schurken verdorben werden kann. Der Ärger
über die infamsten Betrügereien hat mich unfähig
gemacht, das tausendfach Schöne mit voller Teil-
nahme zu genießen. Die dicke, immer uns hindernde
Maschine von einem Bedienten (den Sie aus Venedig
kennen) war mit einem abscheulichen Kerl von Vet-
turin verschworen, um uns zugrunde zu richten. Nun
hab ich das Fieber und bin abgespannt und ermat-
tet.«
So schrieb Schinkel unmittelbar nach seiner Ankunft.
Aber die Situation, anstatt sich an Ort und Stelle
wenigstens zu bessern, wurde von Tag zu Tag nur
schwieriger, das Geld blieb aus, und unser Fieber-
kranker, dem kräftige Speisen verordnet waren,
mußte von Semmel und Weintrauben leben. Wer
weiß, was geworden wäre, wenn nicht der Hauswirt,
voll jenes Zartsinns, von dem die Italiener trotz aller Vetturine doch auch ihre Proben geben, sich ins Mittel gelegt und von freien Stücken offeriert hätte, »bis 174
auf weiteres mit seiner Küche vorliebnehmen zu wol-
len«. Dies geschah, und – endlich kam das Geld.
Schinkel und sein Reisegefährte (Steinmeyer) be-
stellten nun eine gebratene Ente , worauf der Italiener lachend erwiderte: »Capisco, i denari son' venu-
ti.«
Die Rückreise nach Deutschland ging über Paris,
dessen jedoch in den betreffenden Briefen nur flüch-
tig Erwähnung geschieht; die Sehnsucht, nach fast
zweijähriger Abwesenheit, stand wieder nach der
Heimat, und Ende Januar 1805 war er zurück.
Hier bot sich für seine Wirksamkeit als praktischer Architekt vorläufig wenig, und durch die unglückliche Katastrophe, die das Jahr darauf hereinbrach, wurde
vollends alle Aussicht gestört. Dies war ein Unglück.
Waagen indes äußert sich dahin, daß das, was an-
fänglich unbedingt als eine schwere Fügung des
Schicksals erscheinen mußte, schließlich der mehr-
seitigen Entwickelung Schinkels fördersam gewesen sei und auf seine reifere Ausbildung zum praktischen Architekten den wohltätigsten Einfluß ausgeübt habe.
Wir lassen dies dahingestellt sein und verzeichnen
unsrerseits nur die Tatsache, daß unser Ruppiner
Superintendentensohn, den wir uns gewöhnt haben
als Architekten und nur als solchen zu kennen und zu
bewundern, daß unser Schinkel, sag ich, zum Teil
der eigenen Neigung, aber mehr noch dem Zwange
gebieterischer Umstände nachgebend, zehn Jahre
lang (von 1805 bis 1815) vorwiegend ein Land-
schaftsmaler war. Er malte große hochpoetische
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Landschaften in Öl, vor allem jenen reichen Zyklus
perspektivisch-optischer Bilder (meist für die Gropi-usschen Weihnachtsausstellungen), worin er fast aus
allen Teilen der Welt das Schönste und Interessan-
teste vor den staunenden Augen seiner Landsleute
entrollte: Ansichten von Konstantinopel, Nilgegen-
den, die Kapstadt, Palermo, Taormina mit dem Ätna,
den Vesuv, die Peterskirche, die Engelsburg und das
Capitol in Rom, den Mailänder Dom, das Chamonix-
Tal, den Markusplatz, den Brand von Moskau, die
Leipziger Schlacht, Elba, St. Helena etc. Vor allem
verdienen hier die 1812 für das kleinere Gropiussche
Theater gemalten »Sieben Wunder der alten Welt«
einer besonderen Erwähnung. Sie gaben ihm eine
erwünschte Gelegenheit, neben der vollen Entfaltung
seines malerischen Geschicks sich auch als genialen
Architekten aufs glänzendste zu bewähren. Franz
Kugler nannte diese Arbeiten »die geistreichsten
Restaurationen der Wunderbauten des Altertums«.
Auch Staffeleibilder in großer Zahl entstanden um
diese Zeit: Landschaften in Öl, Gouache, Aquarell
und Sepia. Er entwickelte auf diesem Gebiet eine
Vielseitigkeit, wie die Kunstgeschichte sonst kein
Beispiel aufweist, so daß er nach der Meinung Waa-
gens als der mutmaßlich größte Landschaftsmaler
aller Zeiten dastehen würde, wenn er die Technik der alten Meister besessen und seine ganze Kraft diesem Fache hätte zuwenden können. Denn er
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